Warschau, Polen
13. Juni 2021Kühle Abendluft prallt auf mein Gesicht. Meine Poren ziehen angenehmen zusammen und meine Härchen sträuben sich. Ich liebe die Nacht. Die Ruhe der Nacht stellt das innere Toben in mir ruhig. Sie beruhigt mich.
Ein kleiner grüner Smart blitzt vor meinen Augen auf. Verwunderung breitet sich in mir aus. Hat Numa uns etwa von unzähligen Autos einen klitzekleinen Smart zur Verfügung gestellt, bei dem ich auf kleinstem Raum mit Admir verweilen muss?
Die Frage ist erübrigt, denn Admir nimmt den Fahrersitz ein. Fuck.
Ich nehme den Sitz neben ihn ein und schnalle mich an, gleichzeitig neige ich meinen Kopf, um das Hörgerät anzuschalten. Direkt fährt er los.
»Noch 7km«, gibt Numa uns nach wenigen Minuten bescheid.
»Nicht weniger?«, beschwert sich Admir, obwohl vor seiner Nase ein Navigationsgerät schwebt. Ist er etwa blind?
»Du passt nicht in den Smart rein, stimmt's?« Das Schmunzeln ist aus ihrer Stimme nicht zu überhören.
Mein Blick schweift unauffällig zu ihm herüber. Admir sitzt wie ein Affe auf einem Schleifstein. Sein Kopf geknickt, sein Sitz ganz hinten, seine Beine angewinkelt. Muss nicht einfach sein ungefähr 1.90m groß zu sein.
»Das beste an den Missionen sind die Autos und du gibst uns ausgerechnet einen Smart«, beschwert er sich genervt.
Du kannst ja aussteigen, du bist ja eh nur eine Last - nicht nur für mich, sondern auch für das Auto.
»Dann lass Feride fahren.«
»Dann würden wir bis übermorgen nicht da sein«, zuckt er von der Idee unbeeindruckt mit der Augenbraue. Man sieht viel aus dem Augenwinkel.
Numa lacht herzhaft. »Glaub mir, würde Feride fahren, wärt ihr schon längst da, allerdings mit drei Menschen auf dem Gewissen.«
Normalerweise würde ich jetzt schmunzeln, doch nicht einmal das kann mein Herz aushalten. Im Gegenteil, es zieht sich schmerzhaft zusammen, weshalb meine Hand ihren Weg auf meine Brust findet und eine Kette unter dem enganliegenden Shirt verspürt. Mit meinem Finger fahre ich zärtlich über den Runden Anhänger, schließe meine Augen mit der Absicht die gesamte Umgebung auszublenden.
»Admir, fahr jetzt durch den Eingang, der vor euch liegt. Ich habe euch im System registriert. In dem Handschuhfach liegen eure gefälschten Ausweise, die müsst ihr vorzeigen und kommt dann problemlos durch.«
Meine Augenlider schlagen prompt auf. Wir sind bei der Lagerhalle angekommen und fahren langsam zum Schalter heran, an dem ein Wächter sitzt.
Meine Hand findet ihren Weg zum Handschuhfach, ergreift dann ein kleines Portemonnaie in dem sich unsere gefälschten Identitäten befinden. Neben dem kleinen Täschchen spüre ich zwei kleine, altbekannte Geräte.
»Numa, sind hier Pucks?«, hake ich nach und fahre mit meinen Fingerspitzen die runden Gegenstände nach. »Die habe ich lange nicht mehr benutzt.«
»Pucks? Icehockeybälle?«, wundert sich Admir verwirrt. »Was sollen wir damit anstellen?«
»Die Pucks von denen wir reden sind eigentlich keine Pucks, sie sehen nur so aus. Du musst sie an ein Gerät halten, damit es die Daten davon kopiert und mir schickt. Als ich vorhin in ihrem System war, habe ich keine Informationen zum Aufenthalt Piotrowski's gefunden. Die müsst ihr mir noch verschaffen. Man braucht Pucks nicht oft, aber heute schon.«
Ich öffne das Portemonnaie und hole die laminierten Papiere heraus. Ein Blick auf meinen Ausweis zeigt mir, dass ich Natascha Nowak heiße, Admir hingegen Mieczyslaw Mazur.
»Mieczyslaw?«, halte ich ihm die Ausweise hin. Stirnrunzelnd nimmt er sie entgegen und mustert sie.
»Mieczyslaw? Numa woher findest du diese Namen immer her? Ich habe nach einem Jahr Aufenthalt in Polen nicht einmal diesen Namen gehört«, grummelt er unzufrieden, trampelt aber nicht darauf herum, sondern lässt sein Fenster herunter und zeigt die Ausweise dem Wächter.
»Tranquilo«, murmelt Numa noch im Hintergrund, im Vordergrund prüft der stämmige Wächter unsere Ausweise im gegenüberliegenden Computer.
Der etwas stämmig gebaute Mann prüft die Ausweise, gibt etwas in den gegenüberliegenden Computer ein und reicht Admir dann meinen Ausweis. Warum gibt er den anderen Ausweis nicht zurück?
Er gibt meinen Ausweis zurück, dreht aber den anderen in seinen Fingern umher. »Mieczyslaw Mazur«, vergleicht murmelnd Admir mit dem Bild.
Von seinem Haaransatz aus kullert eine Schweißperle über sein pralles, rotangelaufenes Gesicht, die er dann mit seiner Zunge auffängt. Schmatzend empfängt er den Geschmack, den er dem Anschein nach oft schmeckt. Er hebt seinen Arm, kratzt seine linke durchnässte Achsel und rümpft dann seine Nase. Anschließend hustet er, sodass ich den Anschein habe, dass der Mann jeden Moment ersticken könnte.
Er benötigt eine Dusche.
Als ob das nicht genug Ekel wäre, fummelt er in seinem Ohr herum und streicht dann über den Ausweis. Den packe ich definitiv nicht wieder an.
»Mieczyslaw«, murmelt er wieder das Papier wedelnd.
»To ja«, zuckt mein Nebenmann mit den Mundwinkeln. Das ist eine Lüge Ademi, du bist nicht Mieczyslaw Mazur, nur für heute.
»Warum dauert das so lange bei euch, Leute? Ihr müsst so langsam da durch, die Zeit wird knapper.« Numa weiß, dass wir gerade nicht antworten können.
»Tam jest problem.« Warum sagt der Mann, dass es ein Problem gibt?
»Jaki jest problem?«, melde ich mich zu Wort und frage wo das Problem liegt.
Räuspernd setzt er zum Sprechen an.
»Ich kann Mieczyslaw nicht durchlassen.«Der schwitzende Mann knöpft sein nasses Hemd spärlich auf, greift dann in die Innentasche und holt ein Namensschild heraus. »Du bist der erste gleichnamige Typ, den ich hier antreffe.«
Auf dem Namensschild steht der Name des Arbeiters. Er heißt Mieczyslaw, Mieczyslaw Kowalski.
Wie bitte?
Ein kehliges Lachen ertönt aus der Stille. »Wissen Sie, Mieczyslaw, ich denke unsere Eltern hatten Geschmack.«
Eine beschwerende Numa spricht uns in die Ohren. »Oh, Admir, bitte.«
Sympathie. Admir versucht es natürlich mit der Sympathie Nummer. Was anderes hätte ich auch nicht erwartet.
Überrascht springen die Augenbrauen des Wächters in die Höhe, sodass sich zwei Halbkreise formen. »Du findest den Namen schön?« Das Entsetzen des Mannes ist aus seiner Stimme nicht zu überhören. Er duzt, es wird persönlich.
Mein Partner hält inne. Da komme ich ins Spiel. Selbstsicher lehne ich mich nach vorne, um besser in das Blickfeld zu geraten, was natürlich problemlos klappt. Meine prahlenden Zähne scheinen in sekundenschnelle hervor, die nur nach Sympathie schreien.
»Ja, das tut er, sehr sogar. Ich finde den Vornamen schrecklich.« Admirs Augen wechseln energisch zu mir. Als würde Numa wissen, was in Admirs Kopf los ist, sagt sie, dass er mich lassen soll. »Seitdem ich ihn kenne, frage ich mich wie seine Eltern ihm diesen Namen geben konnten. Ich meine, wie kann man das seinem Kind bloß antun?«
Mit jedem meiner Wörter wird der Drang Admirs größer einzuschreiten. Die angespannte Atmosphäre treibt ihn regelrecht in den Wahnsinn. Mich hingegen treibt nur in den Wahnsinn, wie der Mollige anfängt zu Lachen und ich uns aus der misslichen Lage befreie. Man sollte eben immer die Wahrheit sagen, nicht wahr?
»Ich hasse diesen verdammten Namen.« Er reicht Admir seinen Ausweis zurück. »Deswegen trage ich mein Namensschild nie.«
Die Schranke geht hoch. Nach einer Handgeste von uns beiden, fährt der Idiot am Steuer in den Hof hinein und parkt vor der entsprechenden Lagerhalle.
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Alev
حركة (أكشن)Eine Flamme sollte ersticken bevor sie zum Feuer wird. Feride Ateş. Eine Frau geblendet durch Hass, geleitet durch Wut und gierig nach Rache. Das alles nur durch einen Mann. Admir Ademi. Sie will sein Ende, doch stattdessen muss die junge Agentin m...