• c r u e l m i n d •

2; Somnium

Ich stehe auf dem Dach eines hohen Gebäudes. Wie ich hier hergekommen bin weiß ich nicht mehr und es kümmert mich auch eigentlich nicht. Ich habe eigentlich Höhenangst, oder? Aber ich verspühre weder Angst noch Panik.

Von unten sehen mich verschiedene Gesichter an. Sie lachen. Sie amüsieren sich, ohne mich, womöglich sogar über mich. Das hinterlässt sofort ein unangenehmes Gefühl, vielleicht Trauer oder Eifersucht. Einige Leute erkenne ich sogar, kann mich aber nicht an ihre Namen erinnern. Oder auch nicht mehr?

Mein Körper bewegt sich nach vorne, immer weiter und weiter. Ich schaue währenddessen nach unten auf die große Menschenansammlung. Jedes Gesicht das ich dort unten sehe lässt mich anders empfinden- bei dem einen Gesicht empfinde ich etwas negatives, so wie Wut oder Trauer, bei anderen etwas positives, eine seltsame Wärme, die meinen ganzen Körper erfüllt. Aber diese Gefühle sind nur angedeutet, ich kann mich auch täuschen.

Als ich jedoch in das Gesicht eines Jungen sehe, er muss so etwa in meinem Alter sein, sehe ich etwas. Seine Augen strahlen eine enorme Fürsorge aus, als würde er dich gleich in eine Decke einwickeln und in den Arm nehmen wollen. Und dennoch lacht er und ich verspühre einen heftigen Schmerz in der Brust, Enttäuschung.

Ich stelle mich nun aufrecht hin und will den Blick von den gemeinen Leuten abwenden als der Junge von gerade etwas in meine Richtung ruft," MÖRDERIN!". Mörderin. Mein erster Gedanke ist, dass er nur Unfug redet, doch dann trifft es mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich habe nie jemanden getötet, da bin ich mir sicher! Das wüsste ich doch! Bist du dir da sicher? Woher kommt diese Stimme jetzt?! Hier ist doch sonst niemand?

Ach scheiß auf diese Stimme, die kommt aus dem nichts, das war bloß ein beschissener Windhauch! Ich gehe noch einen Schritt nach vorne, dann noch einen, noch einen. Während ich falle löst sich der Druck von meinen Schultern, all' diese Leute sind mir egal.

...