Kaum hatte er die Augen zu einem kleinen Spalt geöffnet, erwarteten ihn nicht die ersten Sonnenstrahlen, sondern Emilys grinsendes Gesicht, welches sich wenige Zentimeter über seines beugte. "Aufstehn Schlafmütze.", flüsterte sie ihm zu. Langsam richtete er sich auf und rieb sich gähnend die Hände gegen die Augen. Emily sprang auf und stemmte die Hände in die Hüfte. "Wir müssen weitergehen! Außerdem haben wir noch den Deal von gestern und wenn du den ganzen Tag verschläfst, komm ich nicht mit meinen ganzen Themen dran.". Das Grinsen war noch immer nicht aus ihrem Gesicht gewichen und sie hielt ihm helfend ihre rechte Hand hin. "Weitergehen? Wohin weitergehen?". Denis richtete sich auf, ohne Emilys Hilfsversuch überhaupt zu bemerken und schaute sie fragend an. Emily lies ihre Hand wieder fallen und sah ihn verdutzt an. Die Sonne schien brennend heiß auf sie hinunter und Denis platzierte den rechten Arm so über den Augen, dass er Emilys Blick erwidern konnte, ohne durchgehend zu blinzeln.
"Ich meins ernst! Wohin?". Beide starrten sich einen Moment still an, bis Emily ihren rechten Arm wieder aufrichtete und auf den Weg vor ihnen wies. Sie schüttelte den Kopf und schaute ihn an, als ob es selbstverständlich wäre. Denis klopfte sich mit der Handfläche gegen die Stirn und wollte ihr noch einmal seine Fragestellung erläutern. "Ja aber..". Sie unterbrach ihn und ging einen Schritt auf ihn zu. Dabei hielt sie ihm den Zeigefinger vors Gesicht, um ihren Worten einen drohenden Unterton zu verleihen. "Nicht nachdenken.", meinte sie streng und nahm einen tiefen Atemzug. "Jetzt wird geredet.". Da war es wieder. Das Lächeln, welches ihre perlweißen Zähne zum Vorschein brachte und ihr ganzes Gesicht erstrahlen ließ. Denis wusste nicht wieso, aber es machte ihn einfach verrückt. Er kannte sich nur als typischer Pessimist und es ärgerte ihn, dass dieses Lächeln sogar in ihm, einen Funken kindlicher Sorgenlosigkeit auslöste.
Emily drehte sich auf einem Bein um und hüpfte die ersten paar Stufen rauf. "Komm schon!", rief sie ihm ungeduldig zu. Er kam ihr nach und die beiden gingen eine Weile lang, lautlos nebeneinander her. "Zum Glück ist der Weg so flach. Es gibt nichts Anstrengenderes als steile Stufen. Bei diesen ist es um einiges leichter.", meinte sie und schaute über die Schulter zu ihm rüber. Sie hatte Denis um wenige Schritte eingeholt und blieb nun stehen, um auf ihn zu warten. "Ja, da hast du recht. Auch wenn mir ein Fahrstuhl lieber wäre.". Er schaute keuchend hoch und man merkte, dass es ihn um einiges mehr Anstrengung kostete als Emily, welche elegant von Stufe zu Stufe hopste. "Ach was! Den leichten Weg gibts nur nach unten!". Sie wandte sich um und auch rückwärts schienen die Stufen für sie, kein großes Problem darzustellen. Denis war klar, dass sie nur versuchte, ihn zu motivieren, daher wollte er nicht nach der tieferen Bedeutung ihrer Aussage fragen. Wahrscheinlich hätte er sowieso keine Antwort erhalten. Für Emily schienen die Sachen, um einiges selbstverständlicher zu sein und das faszinierte ihn irgendwie. Vielleicht hatte sie recht damit, dass nachdenken einen meist nur unglücklich stimmt.
"Okay. Da du ja nicht der ganz große Redner bist, bin ich dafür, dass ich mich erst mal vorstelle.". Emily sah zu ihm hinüber und im Licht, schien ihr Gesicht nur aus beleuchteten und dunklen Schattierungen zu bestehen. "Du weißt ja schon, dass ich Emily heiße. Mein ganzer Name ist aber Emily Julia Payne. Ich bin 15 Jahre alt und ...". Denis, welcher versuchte so gut wie möglich zuzuhören, während er seinen Blick auf seine tappenden Füße gerichtet hatte, wendete sich zu Emily und musterte sie:" Du bist 15? Ich hätte dich für ein wenig jünger gehalten.". Emily verdrehte spaßend die Augen und gab ein genervtes Stöhnen von sich. "Ja, das tun die meisten. Ich versteh nur nicht ganz wieso. Okay, mit 1.58 Metern bin ich nicht die Größte in meinem Alter, aber so klein bin ich nun auch wieder nicht!". Sie schaute hinunter zu Boden und zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Naja, liegt wahrscheinlich daran, dass ich so zierlich bin. Kann man ja nichts dagegen machen.". Denis blieb einen Moment stehen und stemmte die Hände gegen die Knie. "Nur einen Moment bitte. Ich bin leider keine 15 mehr.". Er richtete sich wieder auf und stöhnte angestrengt. "Alles in Ordnung?". Emily stellte sich neben ihn und legte ihre Hand auf seine Schulter, als ob sie ihn stützen wollte. Er lächelte sie an und nickte:" Ja, ja. Es geht schon wieder. Erzähl ruhig weiter.". Die beiden machten sich wieder auf den Weg und gerade als Emily was sagen wollte, blieben beide sprachlos stehen.
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Stairway to Heaven
FantasyZwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen sich auf einer endlos scheinenden Treppe im Wald. Keiner der beiden weiß, wie sie an diesen Ort gekommen sind und wohin sie sollen, doch der Weg zu der letzten Stufe bringt Antworten u...