Teil 3

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Die Sonne war schon kurz vorm Untergehen und die Bäume schienen nur noch mehr Schatten vor einem orangefarbenen Hintergrund zu sein. Die Stufen fühlten sich kalt an. Sogar kälter als am Abend davor. Denis, dessen Blick abwechselnd von der Treppe zum Horizont und wieder zurück schweifte, bemerkte erst jetzt wie lang er und Emily den Weg entlang gegangen waren, ohne ein Wort zu sagen. „Ich bin am Verhungern.". Er blickte auf Emilys Hinterkopf und es fühlte sich irgendwie merkwürdig an, nach der langen Zeit des Schweigens, etwas zu sagen. „Naja, aber wenn wir die Möglichkeit haben ein Feuer zu machen, können wir jedenfalls meine halb ab gefrorenen Zehen essen und uns einfach vorstellen es wären Chicken Nuggets. So löst man ein Problem mit einem anderen.". Es war Denis klar, dass Emily genauso gut verstand wie er selbst, dass seine jämmerlichen Versuche des Small Talks nur dafür gedacht waren, ihr irgendeine Reaktion zu entlocken. Bestenfalls natürlich einen Lacher. Doch sein Handeln blieb ohne Erfolg und Emilys Aufmerksamkeit wandte sich nicht vom Weg. Sie war einige Stufen im Vorsprung und obwohl keiner von beiden besonders schnell ging, hatte Denis doch das Gefühl sie hätte es eilig. 

„Hey Emily. Was ist los? Ist alles in Ordnung?", er eilte hoch und als er auf der gleichen Stufe wie Emily anlangte, legte er ihr die Hand auf die Schulter. Einerseits war das eine Geste der Fürsorge, doch Denis hatte auch das Gefühl, sie wäre schnurstracks weiter gegangen, hätte er ihr nicht dieses direkte Signal zum Stehenbleiben gegeben. Ihr Blick wanderte zu ihm hoch und sie zuckte mit den Schultern: „Ja alles bestens, denk grad nur ein wenig nach.". Sowohl der Klang ihrer Stimme, als auch ihr Gesichtsausdruck hatten etwas vollkommen Gleichgütiges an sich. Denis spürte, dass sie sich grad wieder von ihm abwenden wollte, doch er nahm die Hand nicht von ihrer Schulter, was sie dazu zwang, seinen Blick zu erwidern. 

Er zog die Augenbrauen hoch und sah ihr direkt in die Augen: „Nachdenken? Haben wir das nicht für heute verboten?" Emily schien es sichtlich peinlich zu sein, gegen ihre eigenen Grundsätze zu verstoßen und sie schaute zu Boden, um auch ja gar nicht auf einen, von Denis fragenden Blicken zu treffen. „Ich möchte doch nur, dass wir diese schreckliche Stille unterbrechen, Du weißt schon ... Dass wir reden und das du mir ehrlich antwortest.". Emilys Gesicht fuhr hoch und obwohl es schon wieder komplett dunkel geworden war und der Mond die Einzige, wenn auch sehr matte, Lichtquelle bot, konnte Denis doch genau das Grinsen auf ihrem Gesicht erkennen als sie endlich wieder, was sagte: „Ich bin grad anderweitig beschäftigt, okay?  Diese ganze Situation erfordert Nachdenken und ich werde dir ehrlich antworten, wenn ich bereit bin, dir eine ehrliche Antwort zu geben.". Bei diesen vertrauten Worten musste auch Denis schmunzeln und er warf ihr einen Blick zu, der so viel hieß wie: "Dein ernst?"  Endlich nahm er wieder die Hand von ihrer Schulter und ließ sich auf den Stufen nieder. Er blickte mit großen Augen zu ihr hoch und als er was sagte, war seine Stimme offensichtlich höher gestellt: „Du könntest ehrlich über deine Gedanken reden. Oder einfach kurz aufhören. Manchmal ist es besser , nicht nachzudenken. Man gibt der Situation damit nicht mehr Stellenwert, als sie eigentlich verdient, und macht sich nicht wahnsinnig.". Emily fing an lauthals zu lachen und nahm neben ihm Platz. „Wo hast du diesen Scheiß her? Hört sich ja an als würde das von einer 15-Jährigen oder so stammen.",sie versuchte angestrengt, während ihrer sarkastischen Aussage ernsthaft zu bleiben, doch als dann auch Denis erneut schmunzelte, konnten sich beide nicht mehr einkriegen. Als sie sich dann wieder einigermaßen beruhigt hatten, legten sie sich waagrecht auf die Stufen und versuchten möglichst gut zu ignorieren, wie extrem ungemütlich diese Position war. Denis wandte den Kopf zur Seite und blickte zu Emily. 

„Gut, aber jetzt wirklich ... Ist alles in Ordnung? Du bist doch eigentlich die Sorgenlose von uns zwei. Also wenn da was im Optimisten-Schädel herumschwirrt und nicht mehr raus will, dann ist es offensichtlich wichtig genug, um darüber zu reden.", seine Stimme hatte einen ganz anderen Klang als vorher, wo sie noch herum alberten. Man konnte bei Denis genau erkennen ob es ihm ernst war oder nicht und das gefiel Emily. Es gab so viele Leute die schon mithilfe ihrer Stimmlage um den heißen Brei herum redeten, doch wenn Denis etwas am Herzen lag, sagte er es auch so, dass man wusste was Sache ist. Sie setzte sich auf und stützte sich auf die Knie. Es war schwierig zu antworten, weil sie sich selbst nicht einmal ganz sicher war, was genau sie bedrückte. „Ich weiß nicht. Also... Es ist schon etwas. Ich würde lügen wenn ich sagen würde es wär alles Okay, aber keine Ahnung ...". Sie schaute zu Denis, mit der Erwartung, auf weitere fragende Blicke zu treffen. Doch er sah sie nicht so an, als ob ihm ihre Antwort nicht gereicht hätte. Das munterte sie irgendwie auf. Seine Augen waren einfach voller Verständnis und Emily verspürte nicht das Gefühl, ausgefragt zu werden. Denis war einfach als Zuhörer da und es war schön jemanden zu haben, der einfach neben einem saß und zuhörte. 

Stairway to HeavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt