Teil 58 - Besuch aus dem Buckingham Palace

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Es war schließlich an einem regnerischen Sonntag, als es bei uns an der Tür klingelte eine Gruppe älterer Herren um Einlass baten. 
Es handelte sich um eine Delegation vom Palast, erklärte mir Tom während wir sie ins Wohnzimmer führten und ihnen Tee und Gebäck anboten. 
"Das ist ein normales Procedere. Sie kommen hierher um uns über die Etikette beim Treffen mit den Royals zu informieren und einen Hindergrundcheck durchzuführen."
Bei dem Wort "Hintergrundcheck" wurde mir schlagartig übel. Es reichte eine einfache Googlesuche um Dinge über mich herauszufinden, über die die Queen sicher nicht "amused" war. Nie im Leben würde ich diesen Check bestehen und in meinem Kopf malte ich mir bereits aus, dass man Tom als Gast haben wollte, aber mich sicher nicht. 
"Miss Nolan", richtete schließlich einer der Männer das Wort an mich und ließ mich innerlich erstarren.
"Ja?", krächzte ich und mußte mich kräftig räuspern.
"Wir haben nicht viele Informationen über Sie. Erzählen Sie doch ein wenig über sich."
Jetzt wurde mir wirklich heiß. Zitternd griff ich nach Toms Hand um etwas zu haben, an dem ich mich festhalten konnte. Seine Finger waren warm und trocken, während es meine vermutlich mit jedem alten Fisch hätten aufnehmen können. Es war kein Wunder. Tom hatte bei diesem Termin nichts zu befürchten. Seine Weste war weißer als eine frisch gestrichene Wand. Ganz im Gegensatz zu mir.
"Äh", begann ich wenig professionell. "Was möchten Sie denn wissen?"
Der Mann schmunzelte und warf einen Blick auf das Tablett, welches er mitgebracht hatte.
"Sie sind aus Amerika?"
Ich nickte. "Ja, geboren bin ich in Illinois. Dort bin ich auch aufgewachsen und zur Schule gegangen."
Der Mann schmunzelte amüsiert und ich warf einen hilflosen Blick zu Tom, um dessen Mundwinkel sich ebenfalls ein lächeln spiegelte. 
"Ganz so weit müssen wir nicht zurück, Frau Nolan", belehrte er mich schließlich mit ruhiger Stimme. "Uns interessieren die Vorfälle in New York und Atlanta."
Mir sank das Herz in die Hose und ich schluckte trocken. Sie wussten alles bereits. Jetzt wollten sie nur meine Version der Geschichte hören, um mir anschließend zu sagen, dass ich eine zu große Gefahr für die königliche Familie darstellte und mir die Einladung in den Palast entzogen wurde.
Um mich ein wenig zu beruhigen, atmete ich einmal tief durch und begann dann schließlich stockend meine Version der Geschichte um Liebe, Betrug und Verrat zu erzählen. 
Während der Tee in den Tassen kalt wurde, hingen die Männer an meinen Lippen und lauschten aufmerksam meinen Worten. Hin und wieder stellten sie Fragen, wenn sie einen Zusammenhang nicht verstanden und machten sich Notizen auf dem Notebook. Gelegentlich, wenn ich selbst einen Sachverhalt nicht mehr vollständig erfassen konnte, half Tom mir aus und übernahm einen Teil der Geschichte, die mich in den letzten 3 Jahren verfolgte.
Es war mir nicht möglich herauszufinden, ob sie mir glaubten oder ob ihre betroffenen Gesichter nur aufgesetzt waren, um mich in Sicherheit zu wiegen. 
Schließlich kam ich zum Ende und fühlte mich elend. Es fühlte sich an, als wäre diese Geschichte, die ich mit Tom erlebt hatte, ein Fluch der niemals enden würde.
"Vielen Dank für die Schilderung, Miss Nolan", beendeten die Herren schließlich das Treffe und erhoben sich. "Sie erhalten in den nächsten Tagen eine Benachrichtigung aus dem Palast über das weitere Vorgehen."
Ich nickte und verabschiedete die Herren freundlich. Als ich die Haustür schloss mußte ich mich für einen Moment dagegen lehnen um mich zu sammeln. Tom kam aus dem Flur, an der Leine unseren Hund. 
"Ich gehe mit Bobby spatzieren", verkündete er fröhlich, ehe er mich wahrnahm.
"Was ist denn los?"
Seufzend stieß ich mich von der Tür ab und schlich wie ein geprügelter Hund an ihm vorbei.
"Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass sie mich einladen nach allem was in New York und Atlanta passiert ist."
"Du machst dir zu viele Gedanken, Liebling."
Unglücklich kuschelte ich mich in die Kissen des Sofas und wusste dabei selbst nicht, warum ich so empfand. Die meisten Menschen auf dieser Welt erhielten niemals eine solche Einladung, also warum machte ich mich verrückt? Hatte ich mir, bevor mein Atelier in New York niederbrannte, jemals Gedanken darüber gemacht, den Buckingham Palace zu Besuchen? 
Tom setzte sich zu mir und ließ zu, dass Bobby, die endlich in den Park gehen wollte, liebevoll an seinen Fingern kaute. 
"Was ist los?"
Müde zuckte ich mit den Schultern und ehe ich antworten konnte, fühlte ich mir auch schon die Tränen in die Augen steigen. Nur einen Augenblick später schluchzte ich die Polster voll. Nicht Damenhaft, wie man es vielleicht von mir vermuten würde. Nein. Es brach aus mir heraus, wie ein Vulkan. Plötzlich spulte sich das ganze Programm der Emotionalität ab. Die Tränen liefen mir über das Gesicht, meine Augen brannten und meine Nase lief.
Und dass ich nicht wusste, warum es mich so mitnahm, machte es noch schlimmer.
Irgendwo zwischen Hicksern und Schluchzern versuchte ich mit abgehackten Ein-Wort-Sätzen zu erklären, was in mir vorging. 
Toms Hand, die noch Feucht war von Bobbys Zunge, legte sich sanft auf meine und als ich aufsah erkannte ich eine Hilflosigkeit in seinen Augen, die mir einen neuen Heulkrampf bescherte. 
"Tut mir leid", jammerte ich abgehackt, als ich mich an seine Schulter lehnte.
Sanft tätschelte er meine Hand.
"Ich mache uns jetzt erstmal einen Tee", beschloss er und stand auf während ich mir über das heiße, geschwollene Gesticht strich und verzweifelt das letzte bisschen Würde suchte, das mir nach diesem Auftritt noch geblieben war.
"Aber der Park", hielt ich dagegen.
"Ich lasse Bobby kurz in den Garten. In den Park können wir später noch."
So war es entschieden und verkündet. Ich holte mir eine Decke, in die ich mich einwickeln konnte, während Bobby in unserem Garten Eichhörnchen anbellte und Tom in der Küche mit den Tassen hantierte.
"Es war ganz schön viel los in den letzten Wochen", gestand er mir zu, während er die Tasse mit dem dampfend heißen Tee vor mir abstellte. "Irgendwann sucht es sich ein Ventil. Und ich hatte mich ehrlich gesagt schon gefragt, wann es soweit sein würde."
"Aber du bist immer so ruhig und ausgeglichen", schniefte ich, während wieder neue Tränen meine Augen füllten. Es war mir unmöglich mich zusammenzureißen. Jedes Mal, wenn ich es versuchte, machte dieser Druck es nur schlimmer. "Und du arbeitest auch viel."
Tom setzte sich zu mir, schlang die Arme um mich in meiner Decke und küsste mir die feuchten Wange. 
"Ich bin nicht ausgewandert", hielt er dagegen. "Und es wollte mich auch niemand umbringen."
Mit diesen Worten zog er mich ein wenig enger an sich. Seine Körperwärme drang durch die Decke und machte alles ein wenig leichter. So konnte ich zumindest ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung zurückgewinnen. Auch wenn ich mir nich sicher war, wie lange es halten würde. Es fühlte sich so an, als hätte der Damm in meinem Inneren, der all meine Emotionen in den vergangengen Jahren zurückgehalten hatte, tiefe Risse bekommen und könnte jederzeit wieder brechen. 
"So bin ich normalerweise nicht", murmelte ich verzweifelt.
"Ich weiß, Liebling", vibrierte seine Stimme an meinem Ohr. "Aber es wird alles wieder gut. Du hast viel gearbeitete in der letzten Zeit. Vielleicht sollten wir noch einmal einen gemütlichen Date-Abend machen. Was hältst du davon?"
Er drückte mich ein wenig von sich weg und lächelte mir aufmunternd zu. 
"Ich reserviere uns einen Tisch, in einem Restaurant und dann nehmen wir uns nur Zeit füreinander."
"Keine Handys?", fragte ich und rieb mir noch einmal über die Augen. Der Gedanke, ihn nur für mich zu haben, klang verlockend. Nichts auf der Welt wollte ich mehr.
"Keine Handys und keine Folgetermine", versprach er. 
Ich nickte langsam und wickelte ich aus meiner Decke aus um nach der Tasse zu greifen.
Als ich mich vorbeugte merkte ich zum ersten Mal seit langem wieder etwas, das mir lange erspart geblieben worden war: Ein bekanntes Schwindelgefühl breitete sich in meinem Kopf aus. Als ich einen Blick auf meine Hand warf, merkte ich, wie sehr sie zitterte.
Zuerst dachte ich, es könnte wieder eine Panikattacke sein. So wie ich sie im Restaurant hatte, als Tom aus England zurückgekommen war. Doch so war es nicht. 
Während ich nach Toms Hand griff, holte ich einmal tief Luft. Doch das machte es nur schlimmer. Was zur Hölle war nur los mit mir? War es wieder das Herz? Versagte die neue Herzklappe nach nur wenigen Jahren? Was würde aus Tom, wenn ich jetzt starb? Diese und viele weitere Fragen schossen mir durch den Kopf, während ich auf dem Sofa zusammensackte.

Der Anzug - Tom Hiddleston FF (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt