Kapitel 1 - Amali

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„Konzentrier dich, Amali!", ermahnte mich Jeffrey unfreundlich.

„Ich weiß nicht wie ich es tun soll.", sagte ich verzweifelt.

Jeffreys Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Maske.

„Wir haben es so oft durchgearbeitet, irgendwann muss es doch mal funktionieren!", schrie er mich an.

„Jeffrey, du setzt sie zu sehr unter Druck. Lass mich mal!", unterbrach Bran ihn. Er und Jeffrey waren zwei der Hüter in diesem Institut und trainierten die Jenigen, die eine Gabe besaßen. Er nahm Jeffreys Platz vor mir ein und lächelte mir aufmunternd zu. Ich wollte es unbedingt schaffen! Die Gedanken zu beeinflussen war für mich schon lange kein Problem mehr, schließlich wurde ich schon mein Leben lang in diesen Aufgaben trainiert. Aber die Gefühle zu beeinflussen war etwas ganz anderes. Es war viel schwieriger, als ich in den Theoriestunden angenommen hatte. Gefühle ließen sich nicht so leicht greifen wie Gedanken.

Ich wuchs schon von klein auf an hier im Institut auf. Meine Mutter kannte ich nicht und es war mir nie gestattet worden übe sie zu reden oder Fragen über sie zu stellen. Mein Vater, Luan Perry, lebte zwar auch hier im Institut, aber er hatte immer sehr viel zu tun, weshalb ich ihn nur selten sah. Jeder hier hatte eine Gabe die von klein auf an trainiert wurde, nur ich hatte drei Gaben. So etwas war äußerst selten, weshalb ich des Öfteren als Versuchskaninchen herhalten musste, was zugegeben nicht grade äußerst viel Spaß machte. Aber im Großen und ganzen war es hier in Ordnung.

„Wie war das Training?", fragte mich Taran, mein einziger Freund hier.

„Na wie wohl?", entgegnete ich niedergeschlagen.

„Das wird schon. Lass den Koft nicht hängen!", versuchte Taran mich zu ermutigen.

Wenn das nur so einfach wäre!

Ich verschwand zu meinem Lieblingplatz, im hinteren Teil des Gartens auf einer weißen Hollywoosschaukel und schlug eines meiner unzähligen Bücher auf, die ich besaß. Mich hatten Bücher schon als kleines Mädchen auf unerklärliche Weise fasziniert. Da ich, außer dem Unterricht in meinen Fähigkeiten und schulischen Fächern, nicht sonderlich viel zu tun hatte, hatte ich schon früh angefangen mich zurückzuziehen und einfach stundenlang zu lesen. Die anderen fanden mich schon immer merkwürdig und sie bezeichneten mich oft als Außenseiterin, was mir früher sehr zugesetzt hatte, doch mit der Zeit lernte ich damit umzugehen und hörte ihnen erst gar nicht zu. Als ich elf Jahre alt war, kam eines Tages ein hagerer Junge mit braunen Knopfaugen ins Institut, Taran Allistor. Von da an war er mein bester und einziger Freund, den ich je hatte. Er verstand mich, er nannte mich nie merkwürdig oder Außenseiterin. Wenn ich nicht reden wollte, setzte er sich einfach zu mir und wi beide lasen stillschweigend unsere Bücher. Und so war es auch heute noch, acht Jahre später.

„Ich wusste, dass du hier bist." Taran grinste auf mich herab.

„Es gibt Essen, Amali. Kommst du?", fragte er und streckte mir seine Hand hin. Ich klappte seufzend mein Buch zu und ließ mich von ihm hochziehen.

„Ach, bevor ich es vergesse, dein Vater möchte nach dem Essen mit dir sprechen, du sollst in sein Büro kommen.", erwähnte Taran ganz beiläufig, während wir im Speisesaal ankamen. Ich hasste es, wenn alle michanstarrten, als wäre ich eine Außerirdische mit frei Hörnern auf dem Kopf. Mit den meisten hatte ich nicht mal mehr, als zwei Worte gesprochen. Ich ging einfach allem und jedem aus dem Weg.

Sarina Adams drängte sich ungeduldig an uns vorbei.

„Müsst ihr hier so rumstehen?" Sie warf eingebildet ihre roten, langen Wellen über die Schulter und funkelte mich mit ihren giftgrünen Augen an. Ich wusste nicht einmal, was ich ihr getan hatte. Sie war von Anfang an gemein zu mir gewesen.

Das verschollene MedallionWhere stories live. Discover now