Ich ging mal wieder völlig fertig vom Unterricht mit Jeffrey und seiner Schreierei, in den Spiegelsaal, um mit Dilan McCartney zu trainieren. Was das bringen sollte verstand ich kein bisschen. Ich hatte nicht das kleinste bisschen Talent dafür, in jeder Bewegung machte ich irgendwas falsch, doch Dilan dachte gar nicht daran mich einfach mal richtig zu positionieren. Er schüttelte immer nur mit verschlossener Miene den Kopf und versuchte mir krampfhaft zu erklären, wie es richtig ging, dabei blieb er aber immer auf Abstand. Man konnte fast meinen er hätte Angst mich zu berühren. Seit Dilan mich Mali genannt hatte und ich aus einem unerklärlichen Grund sauer geworden war, war er noch mehr auf Distanz gegangen, als zuvor.
„Bist du bereit?", fragte mich Dilan ohne mich anzusehen, als er in den Saal trat.
„Sicher.", die Ironie in meiner Stimme war nicht zu überhören, was mir einen warnenden Blick vom strengen Lehrer Dilan McCartney einbrachte.
„Wieso trainiere ich überhaupt mit dir? Du hilfst mir doch sowieso nicht!", platzte es aus mir heraus.
Dilan sah mich belustigt an.
„Natürlich helfe ich dir, ich gebe dir Tipps, was du verbessern musst. Was erwartest du denn?"
„Ein Kampf alleine macht wenig Sinn, findest du nicht?" Ich verdrehte genervt die Augen.
Seine Gesichtsmuskeln spannten sich unwillkürlich an und sein Kiefer sah aus, als würde er gleich zerspringen.
„Ich bringe es dir nur bei, aber kämpfen werde ich nicht mit dir!"
„Das ist totaler Irrsinn! Wie soll ich dann bitteschön lernen mit jemandem zu kämpfen, wenn ich immer mit mir alleine kämpfe?"
Er begriff es einfach nicht!
Lange sah er nachdenklich an.
„Also schön, du hast recht!", meinte er schließlich. Dilan kam langsam näher, kurz flammte Unsicherheit in seinem Gesicht auf, doch dann war er wieder ganz der Alte, der niemals eine Gefühlsregung zeigte.
„Ich bringe dir heute Krav Maga bei. Das ist eine israelische Nahkampftechnik." Er stellte sich direkt vor mich und nahm eine Abwehrhaltung mit seinen Armen ein.
„Stell dich genau so hin, wie ich!", wies er mich an. Ich versuchte seine Position zu imitieren.
„Nimm die Ellenbogen ein bisschen weiter runter!" Dilans Hand legte sich leicht auf meine Arme und drückte sie sanft hinunter. Es war nur eine federleichte Berührung, doch ich spürte trotzdem ein kribbeln auf meiner Haut, erst nur an meinen Armen, dann am ganzen Körper.
„Ist dir kalt?", fragte Dilan stirnrunzelnd und deutete auf die Gänsehaut auf meinen Armen. Ich versuchte nicht rot zu werden, doch ich scheiterte kläglich.
„Ähm... nein..."
Dilan zog spöttisch eine Augenbraue hoch und grinste wissend. Kein Zweifel, er hatte verstanden, warum ich eine Gänsehaut bekommen hatte. Peinlich!
Zum Glück verlief der Rest der Stunde, abgesehen von meinen kleinen, peinlichen Missgeschicken zwischendurch, recht gut.
„Warum isst du fast nie im Speisesaal mit den anderen?", fragte mich Dilan nachdenklich, als der Kampfunterricht zu Ende war. Ich zog ein wenig den Kopf ein, um mich unsichtbarer zu machen. Das hatte ich schon früher immer getan, wenn ich in Ruhe gelassen werden wollte, doch Dilan sah nicht so aus, als würde er locker lassen. Er sah mich einfach nur abwartend an.
„Ich... verstehe mich nicht sonderlich gut mit den anderen.", gestand ich schließlich kleinlaut. Dilan musterte mich mit zusam- mengekniffenen Augen.
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Das verschollene Medallion
Romantizm"Hast du keine Augen im Kopf?", schimpfte eine dunkle, aber dennoch weiche Stimme. "Tschuldigung...", murmelte ich und sah nach oben. Vor mir stand ein riesiger, breit gebauter Typ mit dunkelbraunen, kurzen Haaren und dunklen, fast schwarzen Augen...