Kapitel 1: Schmutziger Verkauf von Schicksalen

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Arabella 

(kursiv = Vergangenheit;  normal = Gegenwart)

Nur eine Minute. Von mir aus auch eine Millisekunde. Warum kann die Zeit nicht für eine Millisekunde stehen bleiben? Ich will wenigstens für eine Millisekunde alle meine Probleme vergessen. Ich möchte doch nur für eine Millisekunde normal atmen können und nicht ständig gegen die Zeit kämpfen zu müssen. Die Zeit rennt weg, als ob sie wie eine Schlinge um meinem Hals ist und sich immer fester zuschnürt, bis ich daran ersticke.

Die Zeit wartet nie, sagte mein Vater mir immer. Aber ich will doch nur eine Millisekunde, um von dieser schrecklichen Welt verschnaufen zu können.

Nur noch eine Woche bis die Schlinge mich erstickt. Nur noch eine Woche und ich bin die Aggressionsprobleme von meinem Stiefvater los. Weg von den Stimmungsschwankungen meiner Mutter. Weg von all dem, was ich so sehr verabscheue. Weg von den vier weißen Wänden, die ich schon seit Wochen endlos anstarre. Was kann ich auch besseres tun. Mein Stiefvater hat mich hier eingeschlossen als Vorsichtmaßnahme, dass ich nicht auf dumme Gedanken komme und abhaue. Ob ich nach dieser Woche wieder in Freiheit bin, ist fraglich.

Wobei ich muss zugeben, dass diese Vorsichtsmaßnahme ein sehr schlauer Zug war, weil ich wäre wirklich bei jeder Möglichkeit über alle Berge weggerannt. 

Renn nicht von deinen Problemen weg, dass hat mein Vater mir auch immer gesagt. Aber irgendwann ist man auch zu müde, um weiter mit seinen Problemen zu kämpfen. Es ist wie eine Schlacht, wenn du nicht mehr kannst, dann gibst du auf und fliehst weg.

Diese Vorsichtsmaßnahme war eigentlich nicht die Idee meines Stiefvaters, sondern eine Anordnung von Rodrigo. Denn laut meinem Stiefvater hätte er mich am liebsten egal unter welchen Umstände den ganzen Tag putzen lassen und niemals hätte er mich in meinem Zimmer hockend nichts tuend lassen. Jetzt muss er sich nämlich, um den Haushalt kümmern, was er nicht macht. Sondern meine erschöpfte Mutter, die vor kurzen ein Kinde gebären musste, muss diese Arbeit übernehmen. Um mich soll er sich eigentlich auch kümmern. Er soll nämlich mir nach den Anordnungen von Rodrigo immer genügend Essen geben. Manchmal vergisst er es, aber dafür gibt er mir bei der nächsten Mahlzeit eine Scheibe Brot mehr. Wie nett von ihm.

Diese Anordnungen sind eigentlich dazu da, dass ich jederzeit in Topform für IHN bin. Eigentlich hatte ich nichts gegen die Anordnungen, aber der Grund dahinter zerstört die gute Tat. Auch mein Stiefvater hasst diese Anordnungen, aber er tröstet sich ja jeden Abend mit meinem Preisgeld.

Auch wenn ich bei IHM eventuell auch nicht raus darf, bin ich wenigstens in einer anderen Umgebung. Neue Wände, die ich anstarren kann. Klingt doch sehr verlockend. Warum sitze ich dann hier heulend auf meinem Bett und bemitleide mich selber? Wie erbärmlich ich doch manchmal bin.

Aber was soll man sonst machen, wenn man an einer schicksalhaften Nacht an irgendeinen Typen, von den man den Namen bis jetzt immer noch nicht weißt, verkauft wird. An dieser Nacht sind so viele Schicksale aufgrund vom diesem Verkauf versiegelt worden. So viele Träume sind ruiniert worden. Ich denke, dass ich nicht die einzige bin, die an diesem Verkauf leidet. Mein zukünftiger Ehemann ist bestimmt genauso unzufrieden wie ich. Ich meine, ER hat sich nicht mal die Mühe gemacht sich mit mir zu treffen oder sich mal wenigstens kennenzulernen. Ich habe gar keine Ahnung, wie ER aussieht, wie ER heißt, wo ER wohnt und was ER gerne macht. Vielleicht ist es aber auch so ein Ding von Zwangsehen sich vorher nicht kennenzulernen und ich träume mal wieder zu viel von Liebe.

Das Einzige, was ich über IHN weiß, ist, dass ER kriminell ist. Ich meine Menschenhandel ist jetzt nicht das legalste. Was ER wohl als Beruf macht? Menschenhandel oder dealt ER lieber mit Drogen? Was ich aber über IHN ganz sicher weiß, ist, dass ER ein großes Arschloch ist. Ein sehr großes sogar. Aber nicht so ein großer wie meine Familie. Denn die toppen alles. Mein Stiefvater hasst mich aus irgendeinen Grund. Ich mag ihn auch nicht wegen viele Gründe. Meine Mutter liebt mich, seit sie schwanger wurde, auch nicht mehr so wie früher. Ich würde sogar sagen, dass sie mich verabscheut. Ich dachte erst es liegt an den Hormonen, aber sie hat mir öfters schon das Gegenteil bewiesen.

Testing With LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt