Der beste Freund meines Bruders - Kapitel 1

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Dröhnende Musik drang mir an die Ohren und riss mich aus einem unruhigen Traum. Die Wände schienen beinahe zu erzittern, als der Bass durch die Lautsprecher des Zimmers nebenan dröhnte. Es war eine Fehlentscheidung gewesen, hierher zu kommen, aber etwas anderes war mir nicht übriggeblieben. Ich hatte die Wahl gehabt, zwischen dem Haus meiner Eltern und der kleinen Wohnung meines Bruders und obwohl ich gewusst hatte, dass es schwer werden würde mit Gordon unter einem Dach zu wohnen, hatte ich mich für ihn entschieden.

Ich hatte gewusst, dass meine Eltern ihrer alten Leier treu bleiben und mir die Schuld an der Trennung geben würde, so wie sie es immer taten, aber diesmal war es anders gewesen. Es schmerzte immer noch ein wenig, mich an das Bild zurückzuerinnern, dass sich mir geboten hatte, nachdem ich aus dem Urlaub zurückgekommen war. Zwischen Niall und mir war es vorher schon nicht mehr so gut gelaufen, aber meinen Verlobten mit einer anderen im Bett zu entdecken hatte mich dennoch aus den Socken gehauen. Mit Panik im Blick hatte ich ihn und die Brünette zwei Sekunden lang angestarrt, ohne dass sie mich überhaupt bemerkt hatten und dann hatte ich auf dem Absatz kehrt gemacht und war aus unserer Wohnung geflohen. Von diesem Moment an hatte irgendetwas in meinem Gehirn aufgehört zu arbeiten.

Blind vor Wut und Schmerz , hatte ich meinen Koffer im Appartement stehen lassen und war ohne Gepäck, nur mit meiner Handtasche, in ein Taxi gestiegen und zum Flughafen gefahren. Alles war von selbst gegangen, ohne dass ich meine Entscheidungen hätte kontrollieren können. Von New York war ich nach London geflogen und hatte einige Stunden später müde und hungrig vor der Türe meines Bruders gestanden, der nichts gesagt und mich nur in den Arm genommen hatte, bei dem mitleiderregendem Anblick.

Ich schluckte bei der Erinnerung daran und drückte mir gleichzeitig das Kopfkissen auf die Ohren, um die laute Musik aus dem Nebenzimmer auszublenden. Ich wusste, dass ich Gordon dankbar sein musste – und das war ich, war ich wirklich-, aber manchmal wollte ich ihn einfach nur anschreien. Besonders jetzt gerade, wo ich kaum Luft durch die Nase bekam und mich fiebrig warm fühlte. In den letzten Tagen musste ich mir irgendetwas eingefangen haben. Meine Glieder schmerzten höllisch bei jeder Bewegung.

Als mir klar wurde, dass ich mit der lärmenden Musik wohl kein Auge zumachen konnte, setzte ich mich verärgert auf und kletterte aus dem Bett. Mir wurde einen Augenblick schwindelig und mein Kopf pochte schmerzhaft, aber mit tapsenden Schritten tastete ich mich an der Wand entlang zur Zimmertüre. Das helle Licht im Flur ließ meine Augen stechen und ich blinzelte mehr oder weniger erblindet. Dann schwankte ich weiter zu der Türe des Zimmers, aus dem die Laute Musik drang.

„Gordon, kannst du die Musik bitte...", fing ich an, während ich die Tür öffnete und ins Zimmer lugte, erstarrte aber, als ich erkannte, dass Gordon gar nicht in seinem Zimmer war. Stattdessen saß auf dem Sofa jedoch ein anderer Kerl und dieser blickte mir mit unverschämt schönen blauen Augen entgegen.

Ich blinzelte mehrmals und versuchte den Schwindel in meinem Kopf zu vertreiben, während ich ihn anstarrte. Seine Haare waren hellbraun und sein Gesicht sehr markant. Er sah verboten gut aus und die Tattoos, die sich unter seinem Shirtkragen den Hals hinauf schlängelten verliehen ihm ein draufgängerisches aussehen. Ich schluckte.

„Entschuldige, ich...", fing ich an und verstummte erneut, als er aufstand und zu der Musikanlag hinüberschlenderte, um sie auszumachen. Die Musik verstummte und er drehte sich wieder zu mir um.

Seine blauen Augen wanderten über mein Gesicht und dann über meinen Körper, bis sie am Saum des T-Shirts hängen blieben, das ich mir von meinem Bruder geliehen hatte, weil ich keine eigenen Sachen besaß, außer den wenigen Dinge, die ich mir neu gekauft hatte.

Ich spürte wie ich rot wurde und mir wurde zusätzlich zu der fiebrigen Wärme noch heißer. Erneut überkam mich dieses leichte Schwindelgefühl.

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