Kapitel 11

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In dieser Woche ist Sandra allerdings gar nicht in der Schule. Es sorgt für wilde Diskussionen unter uns dreien, wo sie wohl ist, ob ein neuer Angriff bevorsteht oder ob sie versucht, Leclerc aufzuspüren.
Ich für meinen Teil habe aber mit dem Unterreicht genug zu tun. In jeder freien Sekunde treffe ich mich mit Christine und Gabriel in der Bibliothek, um den Stoff aus den Vormittagsklassen durchzugehen. Ich frage mich, wie das jemals alles in meinen Schädel gehen soll, aber die beiden sind mir eine große Hilfe.
Nachmittags versuche ich die Klassen zu bewältige. Am Dienstag stehe ich etwas abseits des restlichen Kurses vor dem Raum, in dem Kyrokinese stattfindet. Ich betrachte die fröhlich plappernden Mitschüler. Es sind ungefähr zwanzig Schüler. Animi aeri scheint es in unserem Jahrgang noch mehr zu geben. Gestern war die Klasse größer. Ich frage mich, wie sich das mit den anderen verhält.
Die Frau, die jetzt zur Gruppe hinzustößt und die Tür ohne einen Schlüssel öffnet, heißt Farah. Sie muss ungefähr in Anouks Alter sein. Wir nennen hier alle Lehrer, abgesehen von Beauvilliers, beim Vornamen. Farah ist wunderschön, hat karamellfarbene Haut und seidige schwarze Haare, die ihr bis zu den Hüften reichen.
Auch hier beginnen wir mit einer gemeinsamen Phase der Konzentration. Wenn ich an Wasser denke, fällt mir das viel leichter. Es ist als würde ich eins damit werden. Ich kann es jederzeit spüren und verändern und ich fühle mich so wohl wie noch nie, wenn ich mit Wasser arbeite.
Farah führt uns durch eine Meditation, in der wir gemeinsam das Wasser aus den Schüsseln vor uns bearbeiten. Wir lassen einen großen Tropfen aufsteigen, teilen ihn, lenken viele kleine Tropfen und lassen sie wieder zusammenströmen.
Danach beginnt der eigentliche Unterricht. Wir finden uns in Gruppen an massiven runden Holztischen wieder, die jeweils eine Schale Wasser in ihrer Mitte eingelassen haben.
Farah erklärt uns, dass wir den Aggregatzustand des Wassers beeinflussen können, wenn wir uns mit den einzelnen Molekülen verbinden. Das Wasser wird wärmer, je mehr Energie wir in die Moleküle strömen lassen und kälter, je weniger Bewegung sie vollführen.
Zunächst tut sich bei mir überhaupt nichts. Ich nehme das Wasser als Ganzes, als Element wahr, ich habe mich noch nie mit seinen Molekülen beschäftigt.
Bei dem Jungen neben mir, einem gut gebauten, dunkelhäutigen Streber mit kurzen schwarzen Haaren, klappt es auf Anhieb. Sein Wassertropfen verdampft augenblicklich. Offenbar hat er meinen neidischen Blick gesehen. Immerhin schaffe ich es zeitgleich noch, meinen Wassertropfen über der Tischplatte schweben zu lassen.
„Du musst dich mit den Molekülen verbinden", erklärt er, „Stell dir vor, hier im Raum sind keine Luft, kein Wasser mehr, sondern nur noch ihre Bestandteile und dann siehst du, wie sie sich bewegen und das musst du beeinflussen."
Ich nicke und atme einmal tief durch. Dann schließe ich die Augen und begebe mich in meine Traumwelt. Hier ist alles leichter. Mit dem Bild, das er mir gegeben hat, wird die Luft in meiner Traumwelt sichtbar. Es ist, als könnte ich die Schemen der Moleküle als durchscheinende Punkte sehen. Und das gleiche passiert mit dem Wassertropfen, der über meinem Brunnen schwebt. Die Kontur, die Wasser und Luft voneinander trennt, verschwimmt und ich sehe seine Bestandteile. Ich sehe, wie sie sich langsam bewegen.
Ich bin eins mit dem Wasser und nehme diesen Zustand höchster Konzentration wieder mit in die große Kapelle. Ich blende alles um mich herum aus und konzentriere mich nur noch auf die Moleküle. Es scheint, als käme die Energie tief aus meinem Inneren. Ich spüre ein Kribbeln in meiner Magengegend und dann beschleunigt sich die Bewegung der Teilchen. So lange, bis die ersten sich trennen und in die Luft übergehen.
Als der Tropfen sich aufgelöst hat, kehre ich gedanklich zurück ins Klassenzimmer.
„Gut gemacht", lobt Farah mich, die plötzlich hinter mir steht.
„Du bist doch die neue, oder?", fragt der Junge neben mir, „Aurélie?"
Ich nicke.
„Das war echt beeindruckend."
Ich zucke mit den Schultern, weil ich keine Ahnung habe, was ich erwidern sollte.
„Ich bin übrigens Basim."
Ich nicke nur. Ist es jetzt gut, dass ich so schnell lerne, weil ich dann aufhole oder sollte es nicht alles länger dauern, weil es nicht normal ist, dass es so schnell geht?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 06, 2021 ⏰

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