das Telefonat

54 11 4
                                    

Kurz nach den Rettungskräften war auch die Polizei eigetroffen und hatte das Gelände um die U-Bahn Station gesperrt. Nachdem die beiden vermummten Männer verhaftet worden waren, hatten die Beamten sämtlich Zeugen befragt, die schildern konnten, was geschehen war, so auch mich. Bereitwillig hatte ich alle Fragen beantwortet, froh darüber mich mitteilen zu können. Ich hatte auch meine Handynummer hinterlegt, für den Fall, dass noch weitere Fragen aufkommen sollten. Anschließend war ich entlassen worden und geradewegs nach Hause gegangen.

Jetzt sitze ich einen Tee fest in den Händen haltend auf meinem Sofa und beobachte die Stadtlichter durch das Wohnzimmerfenster. Noch immer blitzt vor meinem inneren Auge ein ums andere mal ein Erinnerungsfetzten von heute Abend auf, ich kämpfe aber vehement dagegen an. Nutzen tut es jedoch nichts. Ich kann die Bilder nicht vertreiben. Auch wenn es jetzt einige Stunden her ist, schaffe ich es nicht vollends mich davon loszureißen und ich fürchte mich fast davor schlafen zu gehen. Denn dann werden die Ereignisse der vergangenen Stunden gewiss auf mich einprasseln.

Wieder richte ich meine Aufmerksamkeit auf die Stadt außerhalb meiner Wohnung, die ruhig daliegt und nichts von dem Aufruhr in meinem Inneren mitbekommt. Jetzt bedaure ich es zutiefst, nicht spazieren gegangen zu sein. Ich erinnere mich wieder an das Gespräch mit dem Polizisten. Vielleicht sollte ich mit jemandem darüber reden. Ich schaue zur Uhr auf, die neben dem Fenster auf einem Regal steht. Es ist schon zwei Uhr morgens. Das heißt, dass es bei Mia momentan 17:00 Uhr sein sollte. Gut möglich, dass sie gerade von der Arbeit nach Hause gekommen ist. Kurzer Hand greife ich nach meinem Handy und wähle ihre Nummer. Es dauert eine Moment, bis die Verbindung aufgebaut ist und das erste Tuten erklingt. Als sie abnimmt meldet sie sich mich "Hannah, was für eine Überraschung. Ich freue mich riesig, dass du anrufst! Aber hey, ist alles in Ordnung bei dir? Du rufst sonst doch nie unter der Woche an." Ihre Stimme klingt alarmiert und trotzdem fühle ich mich bei ihren Klang gleich viel besser. Anstatt zu antworten, stelle ich meiner besten Freundin eine Gegenfrage "Bist du schon wieder zu Hause?" "Ja, ich bin eben durch die Tür gekommen." Ich höre das Klimpern von Schlüsseln und das ein lautes "MAMA!" in Hintergrund. "Hallo meine Süße, ist der Papa schon zu Hause?" Ein leises Ächzen ertönt und dann antwortet die Kinderstimme viel lauter "Ja, Papa macht essen." Stolz fügt sie hinzu "und ich habe geholfen und den Tisch gedeckt!" "Ich bin stolz auf dich, das hast du toll gemacht!" 

Auf meinen Lippen bildete sich ein feines Lächeln, während ich zuhören wie Mia ihre Tochter, Emma, lobt. Vor fünf Jahren hatten Mia und Dean geheiratet und kurz darauf war Emma zur Welt gekommen. In den drei Jahren vor ihrer Heirat waren sie so ein liebevolles Paar geworden, die einander achten und schätzen. Und ich hatte mich riesig für sie gefreut, als sie mir von der Heirat erzählten. Erst als ich sie besucht hatte, kurz nachdem Emma auf die Welt gekommen war, realisierte ich, dass auch ich mir eine Familie wünsche, aber dafür bräuchte ich jetzt erst einmal den richtigen Mann und mit meinen 28 Jahren bin ich fast auch schon zu spät dran dafür. 

"Sag Tante Hannah hallo." reißt Mia mich aus meinen Gedanken. "Hallo Tante Hannah" ertöt es sogleich aus dem Hörer. "Hallo mein Engel" entgegne ich. Emma ist einfach das niedlichste Kind, dass ich kenne und ich liebe sie wirklich von Herzen. Wann immer ich kann, besuche ich meine beste Freundin und unternehme etwas mit ihr und ihrer Familie. "Wann kommst du uns wieder besuchen? Ich habe neue Spielsachen bekommen. Die muss ich dir alle zeigen!" fügt Emma hinzu. "Bald. Ich muss noch ein bissen arbeiten, aber wenn ich wieder frei habe, komme ich und dann kannst du mir alles zeigen, abgemacht?" "JA!" ruft sie freudig aus. "Aber mach schnell!"

Wieder höre ich Mias Stimme, wie sie Emma aufträgt zu ihren Vater zu laufen und ihm zu sagen, dass sie zu Hause ist, aber kurz mit mir, Hannah, telefonieren muss. "Tschüss Tante Hannah." verabschiedet sich die Fünfjährige von mir, ehe sich Mia wieder an mich richtet. 

Dancing in the SunlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt