Kapitel 3: Lügen

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Nicht, dass sie Aliks Prognose wirklich anzweifelte, Kyara war noch nie so richtig normal gewesen, allerdings zweifelte sie an diesem ganzen Märchen, das Helena ihr eben aufgetischt hatte. Sie war keinesfalls eine von ihnen. „Na klasse, ich werde von gift-triefenden Monstern im Wald angegriffen, werde fast entführt, fast gefressen, fast zu Tode gebissen und erfahre jetzt, dass ich angeblich nicht normal bin. Und ich dachte mein Leben wäre früher schon eine Katastrophe gewesen." 

Kurz kniff Alik die Augen zusammen. Kyara dachte, er wäre jetzt sauer, aber das war er nicht. „Was meinst du mit fast entführt?", fragte er. Sein Gesichtsausdruck war ernst. „Oh, na ja", redete sie gespielt fröhlich weiter. „Das Monster hat mir praktisch in mein Gehirn gezischt, dass es mich irgendeinem Patrick ausliefern muss. Es hat sich dann aber doch dafür entschieden, mich sofort aufzufressen!" Sie blickte in zwei schockierte Gesichter.

Stille.

„Meinst du es könnte der Patrick sein?", fragte Alik schließlich. Die Frage war offensichtlich nicht an Kyara gerichtet, da sie zum wiederholten Mal den Inhalt nicht verstand. Sie sah zu Helena, die angestrengt grübelte. „Das wäre möglich, aber was will er von ihr? Und wenn sie eine Dämonin ist?", meinte sie und warf einen misstrauischen Blick in Kyaras Richtung. „Dann hätte die lichte Magie sie extrem geschädigt, ich hab sie schließlich auch geheilt. Das ist unwahrscheinlich."

„Wie jetzt, der Patrick? Gibt es da einen bestimmten?", fragte sie. Kyara verstand zwar nicht mal ansatzweise worum es ging, aber da sie mal wieder über sie sprachen, fühlte sie sich irgendwie dazu verpflichtet, auch etwas zu sagen. „Alle Lichten haben eine kleine Menge Engelsblut in ihrem eigenen. Es gibt aber auch welche, die außer dem auch noch Dämonenblut in sich haben", erklärte Alik. Na klar! Das macht natürlich Sinn! Wieder zog sie eine Augenbraue hoch. „Es macht sie manisch, verrückt. Patrick hat sogar mehr Dämonenblut als Engelsblut in seinen Adern. Er ist berüchtigt und ziemlich brutal."

„Ich glaube euch immer noch nicht", sagte sie so beiläufig als würden sie darüber reden was es heute zum Mittagessen gab. „Dann werde ich es dir beweisen, Kyara." Langsam nervte sie die ganze Situation und sie begann sich zu wünschen, dass sie Zuhause wäre. Und das wollte mal etwas heißen. Alik warf noch einen kurzen prüfenden Blick zu seiner Mutter, bevor er den Stab aus der Tasche seiner Lederjacke holte, mit dem sie sofort einen markanten, brennenden Schmerz assoziierte. Vorsichtshalber wich sie einen Schritt zurück. Er machte eine kleine ausladende Bewegung mit dem Stab und plötzlich entstand aus seiner Spitze etwas, mit dem sie wirklich nicht gerechnet hätte.

Ein blaues Licht. Es formte sich innerhalb einer kurzen Sekunde zu einem kleinen, leuchtenden Vogel. Als Alik ihn mit dem Finger antippte flog er zu ihr. Kyara ließ ihn zögerlich auf ihrem Finger landen, bevor er in hunderte von blauen Funken zerfiel. Verblüfft sah sie rüber zu Alik, der sie jetzt angrinste, weil er ganz genau wusste wie beeindruckt sie war und das Gefühl hatte, dass das nicht allzu oft vorkam. „Wow. Wie hast du das gemacht?", fragte sie. „Mit Magie", sagte er schlicht. „Moment mal, woher soll ich wissen, dass das nicht einfach irgendein dummer Zaubertrick war?"

„Hast du denn schon mal so einen Zaubertrick gesehen?", fragte Alik. Sie schüttelte den Kopf. „Aber wie-"

„Ich erkläre dir alles nachher, aber vielleicht solltest du langsam mal deine Familie anrufen. Die machen sich sicher schon Sorgen um dich." Kyara nickte abwesend. Er hatte Recht, vor allem Gene war sicherlich nicht besonders gut auf sie zu sprechen. „Aber was soll ich ihnen erzählen?"

„Dass du heute Abend wieder kommst. Den Rest klären wir später. Wenn Patrick hinter dir her ist, aus welchem Grund auch immer, dann kannst du nicht einfach so in der Gegend herum rennen. Schon gar nicht, wenn die Dämonen neuerdings durch das Tor kommen."

HalbengelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt