„Seht gut zu!", sagte ich zu den beiden jungen Waldelfen, einem kleinen Mädchen und einem Jungen, die aufgeregt mit erwartungsvollen Augen vor mir standen. Ich krempelte die Ärmel meines grünen Leinenhemdes hoch, legte eine silberne Münze auf meine Handfläche und schloss diese. „Ihr habt gesehen, dass ich hier in meiner Hand die Münze halte?"
Die Kinder nickten.„Dann passt auf." Ich ließ meine andere Hand über meine Faust kreisen und sah meine Zuschauer dabei verheißungsvoll an. Dann öffnete ich meine Hand wieder. Die Münze war verschwunden.
Die Augen der Kinder weiteten sich verblüfft. Ich liebte diesen Moment: Es gab nichts Schöneres, als die Augen von Kindern zum Leuchten zu bringen. Natürlich galt das auch für die der Erwachsenen, die ließen sich nur leider nicht mehr so leicht beeindrucken und meine Tricks waren unter den Waldelfen nicht besonders angesehen. Zugegeben war ich allgemein unter den Waldelfen nicht besonders angesehen.
Als ich im nächsten Moment die Münze hinter dem Ohr der kleinen Waldelfe hervorzog, wurde die Begeisterung noch größer.
„Wie machst du das?", wollte der Junge wissen und hüpfte begeistert vor mir auf und ab.
Ich beugte mich zu dem Jungen herunter. „Ein wahrer Magier verrät seine Zaubertricks nicht", antwortete ich und zwinkerte dem Kleinen zu.
„Bitte!", bettelte nun auch das Mädchen. „Wir erzählen es auch niemandem weiter."
Ich legte Zeigefinger und Daumen an mein Kinn und tat, als würde ich überlegen. „Ich habe eine Idee", sagte ich schließlich. „Bringt mir ein Brot und den köstlichen Apfelkuchen aus Naels Backstube und als Dank verrate ich euch den Trick."
Die Kinder sahen sich freudig an und nickten mir gleichzeitig aufgeregt zu.
„Nevin Ciallmhar." Eine forsche Frauenstimme donnerte durch den Wald. Ich merkte, wie sich ein Schatten über meinen Kopf legte und als ich mich wieder aufrichtete und aufsah, blickte ich einem erbosten Paar dunkelgrüner Augen entgegen. Hinter den Kindern stand Brianna. Die große, athletisch gebaute Waldelfe war im gesamten Wald bekannt für ihren Mut und ihre Stärke. Es gab vermutlich keine Waffe, mit der sie nicht umgehen konnte, sei es das Schwert, der Dolch, die Armbrust oder Pfeil und Bogen. Doch auch in unbewaffneten Zustand tat man besser daran, sie nicht herauszufordern. „Was erlaubst du dir, unschuldige Kinder mit deinen albernen Zaubertricks zu betören?"
Ich deutete eine höfliche Verbeugung an. „Freut mich auch, dich zu sehen, Brianna. Ich verdiene lediglich auf ehrliche Weise mein täglich Brot."
„Ehrliche Weise?", giftete Brianna zurück. „Dass du überhaupt wagst, das Wort ehrlich in den Mund zu nehmen. Statt kleine Kinder anzuheuern, dir Brot zu kaufen, solltest du mal versuchen, selbst täglich von früh bis spät in der Backstube zu stehen. Du magst dich für etwas Besseres halten, weil du die Kunst der Magie beherrschst, aber..." Plötzlich riss Brianna die Augen vor Entsetzen auf, fasste sich mit beiden Händen an den Hals und fing zu würgen an.
„Na nu? Hast du etwa einen Frosch im Hals?" Ich lächelte. „Kinder, willkommen zum Höhepunkt des Zauberspektakels."
Die kleinen Waldelfen blickten verstört zu der mittlerweile rot angelaufenen Brianna und wichen zurück.
„Du hast recht", sagte ich gelassen. „Ich beherrsche die Kunst der Magie. Aber ich halte mich bestimmt nicht für etwas Besseres."
Brianna sah mich hasserfüllt an, während sie sich verzweifelt auf die Brust schlug und weiter würgte. Im nächsten Moment hüpfte mit einem aufgeregten Quark ein grüner Frosch aus ihrem Mund. Brianna schnappte erleichtert nach Luft.
Mein Lächeln breitete sich zu einem zufriedenen Grinsen aus. In dem Moment griff Brianna zu dem ledernen Messerhalter an ihrem Gürtel. Überraschung breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie in die Leere fasste.
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Der Waldelf - Der Baum des Lebens
FantasyNevin ist anders als die anderen Waldelfen: Er kann zaubern. Denn durch seine Adern fließt das Blut eines Hochelfen. Das Blut eines der eitlen Geschöpfe, die im Norden in den Sonnenbergen Grias leben. Seine Magie bringt ihm unter den Waldelfen jedoc...