Ettlyn

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Mir war der Gedanke gekommen, dass sich das Putzen mit ein wenig magischer Hilfe sicher schneller und einfacher erledigen ließe. Doch kaum hatte ich diesen Gedanken gedacht, hatte Herr Fenas mich angebrummt: „Regel Nummer vier: Strafarbeiten werden ohne Magie erledigt."

So hatte ich, als die Sonne unterging, gerade mal zwei Drittel der Regale geschafft.

„Du kannst morgen weitermachen", meinte Herr
Fenas.

Erleichtert kletterte ich die Leiter hinunter, über die ich gerade nahezu bis zur Decke eines der Bücherregale hinaufgestiegen war. Auf dem Boden angekommen, klopfte ich mir den Staub von Hemd und Händen. Meine Arme schmerzten vom Schleppen der meist dicken, schweren Bücher. Ich war erschöpft und müde.

„Schließlich muss ich dich noch Theodor bekannt machen. Er ist zuständig für unsere Schülerschlafsäle. Der wird nicht die ganze Nacht durchmachen." Herr Fenas erhob sich von seinem Schreibtisch. „Komm mit mir!"

Ich warf den Lappen in den Putzeimer und wollte ihn gerade aufheben, da sagte Herr Fenas: „Du kannst den morgen wegräumen. Du wirst ihn eh noch brauchen."

Also ließ ich den Eimer in einer Ecke neben den Bücherregalen stehen und folgte Herrn Fenas aus seinem Arbeitszimmer. Wir schritten den Gang weiter hinunter, entfernten uns weiter vom großen Eingangssaal. Wir brauchten an keine Tür klopfen – der Verwalter der Schlafsäle kam uns auf dem Flur entgegen. Im Gegensatz zu den anderen Hochelfen, denen ich bisher begegnet war, kam er mit seinem schlichten, grauen Hemd recht leger daher. Sein schütteres, helles Haar wehte hinter ihm her, als er auf uns zu eilte.

„Halt!", rief Herr Fenas und hob eine Hand, um Theodor zu stoppen.

Der hagere Mann blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Warum hältst du mich ständig davon ab, Feierabend zu machen, Rún?"

„Nicht ich halte dich davon ab. Er hier tut es", entgegnete Herr Fenas und deute mit dem Daumen auf mich. „Zeig unserem Neuzugang sein Zimmer.

Theodor musterte mich von oben bis unten. „Machst du Witze?"

„Leider nein", antwortete Herr Fenas ruhig. „Nevin ist ab heute Schüler dieser Akademie."

„Er ist ein Waldelf."

Ich verzog genervt das Gesicht. Gut erkannt. Und du bist heute nicht der Erste, dem das auffällt.

„Und es ist mitten im Semester!", fuhr Theodor fort.

Herr Fenas ignorierte Theodors Entsetzen. „Zeig dem Jungen sein Zimmer."

„Du meinst ein Zimmer der Ettlyn?", fragte Theodor.

Herr Fenas verdrehte die Augen. „Natürlich kommt er zu den Ettlyn! Und beauftrage einen der Schüler, den Neuen morgen früh mit in den Unterricht zu nehmen." Der Akademieleiter wandte sich an mich. „Und nach dem Unterricht kommst du zu mir und säuberst die Regale zu Ende." Dann machte er auf dem Absatz kehrt und stapfte davon.

Es war nur eine Ahnung, aber ich hatte das Gefühl, dass Herr Fenas froh war, mich endlich los zu sein.

Theodor blickte skeptisch auf mich herab. „Hast du Schulkleidung?"

Ich schüttelte den Kopf.

Theodor seufzte. „Komm." Er lief an mir vorbei und ich ging ihm hinterher. Wir stiegen die Treppe hinunter in den großen Saal, durchquerten den Raum und stiegen eine andere Treppe wieder hinauf. Vor einer der vielen Türen blieben wir stehen und er begutachtete mich erneut abschätzend. „Warte hier", wies er mich an und verschwand hinter der Tür.

Der Waldelf - Der Baum des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt