Wir spielen Brettspiele, so wie wir es früher häufig zusammen gemacht haben, als Liam etwas einfällt.
"Was ist wenn man irgendetwas mit allen Zeitreisenden zusammen macht?", schlägt er nach langer, konzentrierter Stille vor. "Man könnte das Blut von allen sammeln und auf eure Ringe gießen, oder sowas.", meint Niall halbernst. "Das ist gar nicht so schlecht.", überlegt Harry.
"Es gibt fast 40 Zeitreisende, nicht jeder wird uns freiwillig sein Blut geben."-"Wir müssen es wenigstens probieren, Louis.", sagt Niall und ich nicke.
"Vielleicht sollten wir damit schon morgen anfangen, umso früher desto besser.", meint Liam unsicher, Harry und mich vielleicht noch nicht wieder auseinander reißen wollend. "Ja, vielleicht sollten wir das.", meine ich Harry anguckend.
"Könnt ihr uns noch 5 Minuten geben?", frage ich Liam und Niall, nachdem sie Harry schon in eine Gruppenumarmung geschlossen haben, die das mit einem "Natürlich." beantworten.
Sobald die beiden aus dem Wohnzimmer verschwinden, schließe ich Harry ein weiteres Mal in meine Arme. "Ich vermisse dich so.", flüstere ich, die Fassade meines ständigen Verdrängens nicht mehr aufrecht halten könnend. Es tut so so weh. Und wer weiß schon, wie es ist wenn wir es überhaupt schaffen. Niemand weiß was passiert. Ob wir überhaupt noch geboren werden, wenn Blut oder was auch immer miteinander reagiert?
"Les die Briefe, okay?", bittet mich Harry, mein Harry. Stumm weinend nicke ich an seiner Schulter. Ich hab es so statt zu weinen, ich will nicht mehr.
"Kannst du mir noch deine Festnetznummer geben, damit ich dich auf dem Laufenden halten kann?" Genau das tut er einige Sekunden später.
Es fühlt sich komisch an, seinen holprigen Schritten hinterherzugucken oder sein graues Haar zu sehen, doch als er sich zu mir umdreht schwacht das ab. Dann sind da die gleichen vertrauten Augen und eine Person, die ich schon ewig kenne.
Ich verliere mich in dem Moment und drücke einen kurzen Kuss auf seine raue Lippen. Ein einfacher Kuss, so einer wie vor jeder Reise, vor jedem Tschüss und nach jedem Hallo. "Ich komme wieder sobald ich kann.", verabschiede ich mich schnell von seinem ruhigen Gesicht. Man könnte es mit einem Ozean vergleichen, sanft wie die Wellen die an den Strand gleiten und rau wie die wilden Wellen, die einen jederzeit verschlucken, aber doch gleichzeitig stehst zum Ziel tragen.
Schweratmend lasse ich mich hinter das Steuer plumpsen. Was zur Hölle ist in mich gefahren? Es ist so absurd, so falsch aber auch richtig zur gleichen Zeit. Dieser Harry war verheiratet, hat ein Kind. Er gehört nicht mehr mir. Aber dann ist er auch der Harry, der mal mir gehörte, den ich liebe, der mich geliebt hat.
"Hey, es ist in Ordnung.", meint Liam, vermutlich sich denken könnend was vorgefallen ist.
"Ich bin mir nicht sicher ob es das ist."
***
Liams Sicht
Schon auf der Fahrt planen Niall und ich unsere erste Reise nach 1561. Dort leben Helena und ihr Mann, beide Zeitreisende.
Damals herrschte eine komische Vorstellung von Mode. Es war ja nicht so, als hätte ich nicht schon die eigenartigsten Dinge tragen müssen, aber das 16. Jahrhundert war auch da noch immer speziell. Zudem war damals das Tragen einer Schamkapsel nicht unüblich, welches sagen wir, sein "bestes Stück" auf besondere Art hervorhob.
Am nächsten Tag starten Niall und ich pünktlich (mit Schamkapsel, über die wir uns erstmal 10 Minuten lustig gemacht haben), während Louis neben uns steht und nicht aufhören kann sich zu bedanken und darüber zu reden, wie sehr er in unserer Schuld steht. Bevor wir allerdings nie loskommen, gebe ich ein: "Gern geschehen.", von mir und steige ins Portal. Es dauert nicht lange, da lande ich in Paris, Frankreich 1561.
Neben mir taucht Niall nach einigen Sekunden auf dem großen Anwesen auf. "Komm lass uns gehen.", meine ich und genau das tuen wir. Empfangen werden wir von einem Hofdiener, der uns skeptisch ansieht. Alles was wir darauf jedoch tun müssen ist unsere Hände mit den Ringen zu zeigen, bevor er uns mit einem kleinen "Oh bien sûr." durchlässt.
Sicher finden Niall und ich unseren Weg zum Arbeitszimmer, da dort immer mindestens einer von den beiden ist. Nach einem einfachen Klopfen wird uns die Tür von Helena geöffnet. Sie müsste jetzt um die 30 sein (ziemlich alt für die damaligen Umstände), doch ihre Gesichtszüge sind noch immer frisch, als sie uns überrascht begrüßt.
Schnell kommen wir zum Punkt, nachdem sie auch ihren Mann mit einem "Clement!", herbeigerufen hat. "Wir brauchen etwas von eurem Blut. Zwei Freunde von uns können nicht mehr reisen, seitdem ihr Blut zusammengeflossen ist. Wir müssen einfach alles probieren."
Die beiden nicken verständnisvoll. "Dann lass uns ins Ärztezimmer gehen.", meint sie voller Tatendrang, doch ich unterbreche sie. "Wir haben alles dabei."
"Gut, wie viel braucht ihr?" Niall und ich werfen uns einen unsicheren Blick zu. "Ein paar Tropfen sollten reichen.", meint er dann und ich stimme ihm zu, weshalb ich nichts dagegen sage.
"Mein Finger sollte genug sein, bevor ich mich aus meiner ganzen Garderoben schäle.", kichert sie peinlich berührt und ich gebe ihr recht.
Niall zückt darauf auf übertriebene Art und Weise eine der Nadeln und der gesamte Raum fällt in verhaltenes Kichern. Zudem hole ich eine der Behälterchen raus, die wir vorher extra bei einem Sonderposten gekauft haben.
"Und wann findet der nächste Ball statt?", fragt Niall als Ablenkung, als er schon die Nadel in ihren Finger pikst. Äh...Au!", erschreckt sie, doch dann ist es auch schon vorbei und ein Tropfen Blut nach dem anderen fällt in das Gefäß. Liam drückt einen Plastikdeckel darauf und darauf wiederholen wir den Prozess bei Clement.
***
Am Ende des Tages haben wir 4 Zeitreisende, doch anders als bei Clement und Helena war es bei ihren Enkelkindern nicht so einfach. Sie hatten Angst vor den Nadelstichen und sahen anfangs sogar gar keinen Grund uns zu helfen.
Völlig erschöpft kommen wir wieder zu der Zeit in der wir losgereist sind an, dabei sind für uns schon einige Stunden vergangen, weshalb ich auf direktem Weg nach Hause fahre, um dort zu schlafen.
***
Louis Sicht
Schnell finde ich den Karton auf dem Harrys und mein Name steht und in dem unzählige Briefumschläge sind.
Sofort mache ich mich darauf zu Fuß auf den Weg zur Trauerweide hinter dem Port. Zu unserem Ort. Harry und ich haben hier früher verstecken gespielt und als wir älter waren hat er mich hier das erste Mal geküsst. Ich war damals 15 und Harry 13. Es ist einfach so passiert. Es war da, vielleicht schon vom ersten Moment an und Harrys Mut in diesem Moment war einfach nur der Startschuss.
Ich nehme den ersten Brief heraus, auf dem Umschlag das Datum vom 6. Juni 1955.
Hallo mein Herz,
Ich bin in 1955, in London. Ich habe keine Ahnung wo du bist, aber du bist jedenfalls zeitlich nicht vor mir, denn im Londoner Archiv steht noch nichts über dich. Ich bin vorhin zum Londoner Port gefahren. Ich kann nicht reisen. Ich habe so Angst, Louis. Was ist wenn ich nicht mehr zurück kann? Diese Leute hier, ich fühle mich wie in einer fremden Welt. Ich hab das Gefühl ich könnte hier niemals ein Zuhause finden. Denn du bist nicht hier, mi amor, oder wie die Londoner es sagen würden: my darling.
Auf das wir uns wiedersehen,
HarryBis früh in den morgen lese ich Brief nach Brief. Lese, wie Harry jeden Tag zum Portal fährt und probiert zu reisen, nur um wieder enttäuscht zu werden, wie er mich vermisst, wie er schmerzt, wie er einen Freund names Zayn kennenlernt, wie er sich eine Wohnung in der Nähe des Ports mietet, in der Hoffnung es sei nur vorübergehend, wie es ihm besser geht und dann wie er mich an meinem Geburtstag vermisst.
Wenig später höre ich auf und lege mich auf einem Sofa im Port schlafen.
[1291 Wörter, 23. Sep. 2021]
J
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Centuries Apart
Fanfiction"Vergangenheit ist für Harry und mich- und viele andere Zeitreisende Gegenwart, egal ob wir uns in der richtigen Gegenwart oder 200 Jahre davor befinden. Auch unser Ort ist unser Ort, egal ob wir dort ohne den anderen sein müssen. Und wir gefangen i...