Kapitel 5

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Diese Woche ist vergangen wie im Flug und jetzt stehe ich hier vor dem Spiegel und habe keine Ahnung was ich mit meinen Haaren machen soll. Verzweiflung steigt in mir auf, panisch fällt mein Blick auf die Uhr, ich habe noch knapp 1 Stunde Zeit und war bis jetzt nur duschen. Selbst heute bleibt mir der Haushalt nicht erspart, deswegen muss ich mich beeilen. Schließlich entscheide ich mich dazu erst mit dem Make Up zu beginne, zuerst etwas Concealer dann Puder und zum Schluss noch etwas Wimperntusche. Erstens ist Make Up total überbewertet, zweitens tragen wir ohnehin Masken und somit ist mein halbes Gesicht verdeckt. Doch jetzt stehe ich am selben Punkt wie vor 15 Minuten, meinen Haaren. Da fällt mir ein, dass ich vor 3 Jahren das alte Glätteisen von Vee geschenkt bekommen habe. Eilig mache ich die Schublade auf und finde es dort vor und stecke es gleich an der Steckdose an. Als es schließlich die richtige Temperatur erreicht hat, versuche ich gutmöglich meine Haare zu glätten. Bis auf ein halb verbranntes Ohr sind meine Haare jetzt einigermaßen glatt. Um meinen Look zu perfektionieren schlüpfe ich in das Kleid. Zusätzlich streife ich mir meine Schuhe über, die passenden Accessoires dürfen natürlich nicht fehlen und zum Schluss trage ich noch etwas Parfum auf. Als ich schließlich fertig bin sehe ich, dass ich noch 5 Minuten habe bevor uns ein Coiffeur abholt. Flüchtig blicke ich noch in den Spiegel, bleibe aber wie angewurzelt davorstehen. Der Anblick von mir im Spiegel ist sehr ungewohnt, normalerweise habe ich meine Haare stets zusammengebunden, außerdem trage ich nie Kleider. Ich sehe ungewohnt erwachsen aus, Mom wäre jetzt bestimmt stolz auf mich, aber ich trage sie immer nahe am Herzen.

Leider kann ich nicht länger vor dem Spiegel verweilen, denn ich möchte nicht, dass sie ohne mich fahren. Doch bevor ich mein Zimmer verlasse, packe ich noch die Maske in meine Tasche. Anschließend begebe ich mich in unseren Eingangsbereich und warte auf sie. Mit etwas Verspätung treffen Dad, Kathrin und Cindy ein. Ohne ein Wort zu verlieren steigen wir in die Limousine, die Stimmung ist etwas angespannt. Dad hat sich bereits einen Scotch eingeschenkt, vermutlich ist dies auch nicht sein erster, er würdigt mich keines Blickes, selbst jetzt tut mir seine Distanz weh. Cindy ist damit beschäftigt andauernd Fotos von sich zu machen und auf Instagram zu posten. Katrin frischt ihr Make Up auf und ich schaue wie immer aus dem Fenster. Die Fahrt zieht sich in die Länge, obwohl wir nur knapp 25 Minuten fahren. Ich fühle mich sehr unangenehm in dieser Situation und ich kann es kaum erwarten aus dem stickigen Auto auszusteigen. Endlich werden meine Gebete erhört und wir biegen zum Galagelände ein. Der Fahrer bleibt stehen und gibt uns das Zeichen auszusteigen. Doch bevor wir aussteigen ziehen wir uns noch die Masken über, Cindy beschwert sich schon wieder, denn durch die „blöde" Maske kann man ihr Make Up nicht sehen. Solche Probleme hätte ich auch gerne. Als wir es schließlich geschafft haben auszusteigen, werden wir schon von Fotografen empfangen. Ein redliches Blitzgewitter startet, Dad scheint dies nicht zu interessieren und geht zielstrebig auf den Eingang zu, ich tue es ihm gleich. Jedoch Katrin und Cindy scheinen beinahe um die Aufmerksamkeit der Fotografen zu betteln. Sie posieren vor ihnen und setzen sich in Szene.

„Kommt jetzt!", ruft Dad. Ich zucke zusammen, denn er hat die gesamte Autofahrt Stillschweigen gehalten. Die beiden hören augenblicklich auf und eilen die Treppen hinauf. Als wir die Gala betreten kann ich erst einmal richtig durchatmen, jedoch bleibt mir nicht viel Pause zum Erholen. Dort kommt sofort ein Kellner auf uns zu und drücken uns ein Glas Champagner in die Hand. Wenige Sekunden später ist Dad auch schon in ein Gespräch verwickelt, Katrin steht daneben und hört aufmerksam zu und gibt ihr Outfit zum Besten. Cindy ist wie immer am Handy und ich nippe erst einmal an meinem Glas. Ich verziehe mein Gesicht als die Flüssigkeit meinen Gaumen berührt, wie können reiche Menschen dieses Gesöff nur mögen. Das Gesprächsthema handelt wie immer von der Arbeit, gelangweilt wende ich mich ab und nehme die Räumlichkeiten etwas genauer unter die Lupe. Der Saal ist festlich geschmückt und alle um uns herum tragen wunderschöne Kleider. Da fühle ich mich etwas unwohl in meinem schlichten Kleid, aber dies war vermutlich ohnehin meine letzte Gala, denn ich bin nicht für diese Welt geschaffen. Ich nehme einen weiteren Schluck von meinem Glas, mein nüchterner Magen rebelliert. Hoffentlich gibt es bald etwas zu Essen. Doch dieser Wunsch sei mir nicht erfüllt, bereits eine Stunde sind wir hier und es hat noch nicht einmal Häppchen gegeben. Schließlich entschuldige ich mich für einen Moment und gehe mich auf die Toilette frisch machen. Als ich schließlich meine Hände gewaschen habe und mir etwas Wasser ins Gesicht gespritzt habe, gehe ich wieder zurück. Jedoch kann ich keinen von meiner Familie auffinden, der Saal ist voller Menschen und ich kann niemanden erkennen. Nachdem ich keinen gefunden habe, entscheide ich mich dafür einen Abstecher bei der Bar zu machen. Dort setze ich mich auf einen Barhocker und augenblicklich kommt ein freundlicher Mitarbeiter auf mich zu.

„Darf ich Ihnen einen Champagner anbieten?", fragt mich der dort arbeitende Kellner.

„Ich brauch etwas Härteres.", gebe ich von mir, denn ohne Alkohol überstehe ich diesen Abend bestimmt nicht. Selbst wenn mein nüchterner Magen davon nicht begeistert ist.

„Da bin ich Ihrer Meinung, geben Sie uns bitte zwei Vodka Shots.", sagt plötzlich eine Stimme neben mir. Der Kellner nickt und wendet sich zu den Flaschen und Gläsern zu. Verwundert drehe ich mich zu der Stimme. Neben mich hat sich ein junger Mann gesellt, er blickt mich freundlich unter der Maske an. Er dürfte ein paar Jahre älter sein wie ich, aber durch die Maske kann ich es nur schwer erkennen. Außerdem bin ich mir nicht sicher ob ich sein Gesicht schon einmal gesehen habe oder ob mich seine Maske nur täuscht. Aber eines steht fest er ist sehr attraktiv, obwohl ich nur wenig von seinem Gesicht sehe. Wenige Sekunden später stehen zwei Shotgläser vor unserer Nase. Der Fremde reicht mir das Glas und wir stoßen an. In Null Komma nichts kippe ich den Vodka herunter, dieser brennt angenehm in meiner Kehle und mein Bauch beginnt zu kribbeln. Das war jetzt genau was ich gebraucht habe. Als wir die Gläser abgestellt haben, wendet sich der Unbekannt zu mir.

„Lass mich raten, du hasst es genau so wie ich, auf Galas zu gehen.", fällt er mit der Tür ins Haus.

„Wie kommst du denn da drauf?", frage ich ihn sarkastisch. Über meine Aussage müssen wir beide lachen.

„Es ist schrecklich, die unbequeme Kleidung, der unangenehme Smalltalk und am schlimmsten ist, dass man die ganze Zeit Lachen muss. Mein Gesicht schmerzt schon ganz davon." Symbolisch greife ich mir an meine Wangen und massiere diese. Er stimmt mir mit einem Lachen zu.

„Das ist aber noch nichts gegen die Tänze, die schlechte Musik und die betrunkenen Menschen.", fügt er hinzu.

„Stimmt da hast du recht. Traurig, dass es bei solch einer Veranstaltung nur um das Aussehen geht und nicht eigentlich um den eigentlichen Zweck."

Er wollte noch etwas hinzufügen, aber wir werden durch eine Ansprache unterbrochen.

„Liebe Gäste danke für Ihr Kommen, wir danken Ihnen von ganzen Herzen. Doch bevor dieser Abend erst so richtig in Schwung kommt, starten wir mit einem köstlichen Festmahl, dafür bitte ich Sie zu ihren zugewiesenen Plätzen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.", beendet die Frau auf der Bühne ihre Ansprache. Alle Leute im Saal, suchen sich ihre Plätze und ich beschließe mich ihnen anzuschließen. Ich stehe auf und wollte mich gerade auf den Weg machen, da hält mich eine Hand zurück.

„Wir sehen uns doch noch einmal?"

„Bestimmt." Ich wende mich ab und suche in der Menge irgendjemand den ich kenne. 

Eine etwas andere Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt