❄️5❄️

20 3 0
                                    

„Bitte was?", stammelte Jimin und rappelte sich leicht auf, ließ sich dann aber mit einem schmerzvollen Stöhnen zurück in den Schnee fallen.

„Wenn du immer wieder über den Schlot fährst, geht er kaputt. Und wenn du immer wieder auf den Boden krachst wie als wärst du der Kojote, der sich plötzlich daran erinnert, dass es ja sowas wie Schwerkraft gibt, geht dein Körper kaputt.
A propos Körper, du solltest lieber noch etwas liegen bleiben, so ein Sturz kann schwerwiegende Folgen haben, vor allem, wenn du ohnmächtig warst."

Völlig verständnislos blieb Jimin auf dem Boden liegen und starrte den Jungen an. Dieser starrte nur zurück.
Im Schneidersitz saß er da, weiße Schneeflocken auf seiner Mütze, unter der ihm pechschwarze Haare bis über die Augen hingen, und starrte einfach nur zurück.

„Wer bist du?"
Keine Antwort.
„Wie kommst du hier her?"
Keine Antwort.
„Weißt du, was diese Hütte ist?"
Keine Antwort.
„Hast du eine bestimmte Anzahl an Worten jeden Tag, die du sprechen darfst, und mit diesen drei Sätzen ist deine Tagesration verbraucht worden?"
Keine Antwort.

Mit vor Verblüffung - und eventuell auch etwas Verärgerung - offen stehendem Mund schaute Jimin sich um, so, als wäre um den nächsten Baum herum eine Kamera, die ihn filmte, damit ihn dann mehrere Tausend Menschen vor ihren Fernsehern Zuhause auslachen konnten.
Aber nein, keine Kameras weit und breit.
Abgesehen von dem Fakt, dass das auch sehr unwahrscheinlich und ziemlich großer Zufall wäre.

„Kannst du mir zumindest irgendetwas sagen?"
„Ja. Ich möchte nicht, dass du das Dach kaputt machst."
„Sehr charmant."
„Wie fühlst du dich?"
„Verärgert?"
Der Junge ihm gegenüber verdrehte die Augen. „Dein Sturz. Hast du Schmerzen? Kannst du wieder weggehen?"
„Und wieder: Sehr charmant."

Jimin versuchte, sich aufzusetzen und siehe da: Es funktionierte! Zwar hatte er einen pochenden Schmerz an der Seite - genau auf der anderen Seite als bei seinem Sturz zwei Tage zuvor - aber der fühlte sich nicht lebensgefährlich an.
Ein riesiger blauer Fleck?
Hundertprozentig.
Innere Blutungen?
Unwahrscheinlich, und wenn, dann könnte er ja am Abend zum Arzt gehen. Wenn sie aus dem Urlaub wieder da waren. Denn einen verkürzten Urlaub riskieren, nur wegen ein paar blauen Flecken?
Nein danke.

„Wird schon gehen."
Der andere musterte Jimin von oben bis unten und irgendwie veränderte sich die Atmosphäre zwischen ihnen.
„Willst du mir deinen Namen sagen?"

Eine lange Pause folgte.
„Nein."
Für Jimin wirkte das wie ein sehr zögerliches Nein.
Wie ein Nein, das eigentlich ein Ja sein wollte, aber dann hatte er sich an etwas anderes erinnert und sich dazu entschieden, seine Antwort zu ändern.

„Also... soll ich gehen?"
Der Junge drehte sich weg von Jimin und starrte in den mit weißen Wolken verhangenen Himmel. Dann flüsterte er irgendetwas, murmelte mit sich selbst, und es war unmöglich, zu verstehen, was er sagte. Dann drehte er sich zurück zu dem noch immer auf dem Boden sitzenden Jimin und zuckte dann mit den Schultern.
„Mach, was du willst."

Vollkommen sprachlos richtete Jimin sich auf, klopfte sich den Schnee von der Kleidung und meinte: „Gut, dann gehe ich."
Ohne den anderen Jungen nochmal anzuschauen begann er, sich fertig zu machen.
Erst, als er schon langsam anfing, den Berg nach unten zu fahren, der an dieser Stelle doch verhältnismäßig flach war, schaute er zurück.

Der schwarzhaarige Junge starrte ihm direkt ins Gesicht. Sie hielten den Augenkontakt für mehrere Sekunden, dann stolperte der andere ein paar Schritte vorwärts und hob leicht die Hand, als wolle er den Arm nach Jimin ausstrecken und ihn zurückrufen, würde sich aber doch dagegen entscheiden oder sich vor Jimins Reaktion fürchten.
Es fiel Jimin schwer, doch er riss sich von diesem Anblick fort und konzentrierte sich auf seine Fahrt.

Unten am Berg angekommen fand er heraus, dass es früher Nachmittag war, und wie von Zauberhand lief gerade Soyeon und ihre Truppe vorbei, der er sich kurzerhand anschloss.
Den Rest des Tages fuhr er mit Soyeon, wieder abseits der Pisten, aber auf der anderen Bergseite.
Am Abend war er wieder still am Tisch, und als Jimin am nächsten Morgen wieder verkündete, er wolle allein abseits der Pisten fahren, nickte Jin nur.

Bevor Jimin allerdings losfahren konnte, packte Jin ihn am Arm und sagte leise und eindringlich: „Aber wenn du mir heute Abend nicht verrätst, was mit dir los ist, dann wird dieser Urlaub kein Spaß für dich."
Es klang zwar sehr wie eine Drohung - und war im Grunde auch eine - aber Jimin wusste, dass der Ältere es nur gut meinte, deshalb nickte er ergeben.

Auf dem Weg zur Hütte überlegte er, ob der Junge wohl sehr böse auf ihn wäre, wenn er herausfand, dass Jimin schon wieder da war...

... aber dann sah er zwei kleine rote Fähnchen in den Boden gesteckt, und als er gewissenhaft daran vorbei fuhr, erkannte er, dass die Fähnchen die Kanten des Dachs markierten.

Und auf der Veranda vor der Hütte saß der schwarzhaarige Junge und blickte mit einem verträumten Lächeln in den Himmel.

Let Me Love You ~ YoonMinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt