Alles zu viel

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Es ist bereits später Abend. Ein großer Spiegel hängt in meinem Zimmer. In diesem Spiegel kann ich mich bis zum Oberkörper sehen.Ich habe diesen Spiegel seid meine Mutter gestorben ist. Das ist auch der einzige Grund warum dieser Spiegel nicht schon längst zerschlagen wurde. Es ist nicht der Spiegel der mich stört, sondern das was ich im Spiegel sehe:

Mein Gesicht, mit zwei feinen kleinen Narben, die man fast nicht sieht. Nur wenn mir jetzt komplett nahe käme. Die selben eisblauen Augen die ich schon seit Ewigkeiten im Spiegel sehe sehen mich an. Das selbe weißblonde, lange Haar das ich schon so lange kenne liegt flach auf meinem Kopf und umrandet mein Gesicht. Ich ziehe mich gerade um. Vorsichtig lege ich mein Hemd ab sowie die Tunika und mein freier Oberkörper kommt zum Vorschein. Und das ist was mich stört:

Ich sehe schrecklich aus. Auf meiner Brust ist eine lange, feine Narbe zu erkennen und auch auf dem Rest meines Körpers zu sehen. Die schlimmste Verletzung ist die Narbe über meinem Bauch. Die Narbe an meinem Knöchel ist wohl das geringste Problem. Bis auf die Narben deutet nichts darauf hin, das ich vor knapp 2 Monaten noch verletzt im Krankenzimmer lag. Ich fahre mit meinen Fingerspitzen über das Spiegelbild. So werde ich bis zu meinem Lebensende aussehen. Vernarbt an mein ganzer Oberkörper. Ich bin froh das ich es überlebt habe, aber mir gefällt nicht wie die Leute mich ansehen: Sie sehen mich an als ob ich ein schutzbedürftiger Krüppel wäre. Ihre Sorge ist unbegründet denn ich bin gesund. Plötzlich höre ich Schritte und mein Vater steht in der Tür und hat freien Blick auf mich. Ich zwinge mich in seine Augen zu sehen. Er sieht erst erschrocken aus. Dann schaut er mir in meine Augen. „ Es ist alles in Ordnung. Mir fehlt nichts.", presse ich hervor und beiße mir auf meine Unterlippe. Schließlich greife ich nah dem einfachem Leinenhemd welches ich immer zum schlafen trage. „ Narben sind kein Grund zum Scham, Legolas.", meint er und sieht mich weiterhin an. Ich antworte nicht. Ich setzte mich auf mein Bett. Er setzt sich neben mich. „ Gibt es da etwas worüber du mit mir reden möchtest?", fragt er mich. Ich starre den Boden an. Vorsichtig legt er seinen Arm um meine Schultern. „ Schau mich an. Und dann erklär mir was du siehst.", fordere ich und stell mich hin. „ Ich sehe dich, Legolas. Meinen Sohn.", antwortet er. „ Ja, so siehst du mich. Das bin ich, aber jeder hier sieht mich an als ob ich schwer krank bin und jede Sekunde sterben könnte. Dabei geht es mir gut.", erkläre ich ihm. „ Ich hab das Gefühl als ob nicht mehr dazu gehöre. Als ob ich jemand ganz anderes wäre. Das Gefühl ist fürchterlich.", ich setze mich neben meinen Vater. „ Versuch die Leute zu verstehen Legolas. Sie machen sich Sorgen um dich. Sie haben dich lange nicht gesehen. Du warst Jahre fort und dann hören sie dass ihr Prinz um ein Haar gestorben wäre. Sie mögen dich. Und jetzt sind sie auch besorgt. Verstehst du?", fragt er. Ja das kann ich schon nachvollziehen. Ich nicke mit dem Kopf. Mein Vater verschwindet wieder. Ich klappe die Bettdecke zur Seite und versuche zu schlafen. Doch ich bin innerlich so aufgewühlt dass ich nicht zur Ruhe komme. Ich wälze mich hin und her und finde erst spät Schlaf.

Ich träume schlecht: In meinem Traum trage ich kein Oberteil und jeder zeigt auf meine Narben, die sich plötzlich wieder in die Schnittwunden verwandeln. Mein Kopf schmerzt und auf einmal faulen die Schnitte und ich habe wieder dieses Wundfieber. Alle reden lauter und lauter...

Nass geschwitzt schrecke ich hoch. Es ist tiefe Nacht. Wie aus Reflex fasse ich mir unter das Hemd. Als ob ich erwarte blutige Hände zu haben: Alles in Ordnung. Ich weiß dass die Narben eigentlich nicht mehr aufgehen können, aber beim letzten Alptraum der so heftig und lebhaft war, hat nicht viel gutes mit sich gebracht. Mein Puls rast. Ich trinke einen Schluck Wasser. Mein Bett ist nass geschwitzt. Weg. Ich muss hier weg. Ich nehme meine Klamotten und ziehe diese an. Zur Sicherheit, nehme ich zumindest meine Elbenmesser mit. Ich gehe raus auf meinen Balkon und ziehe mir die Kapuze des Umhangs über den Kopf und springe runter. Ich lande auf meinen Füßen. Nichts passiert. Vor mir liegt der Wald. Ich mache mich auf dem Weg...

Vater und SohnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt