Happy Birthday

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"Nicht euer Ernst?", rief ich in die Runde und ging auf die Gäste zu, um alle in eine Umarmung zu ziehen. Zum Schluss widmete ich mich meinen drei Freunden.
"Wer hat das alles geplant?"
"Es war Nicos Idee, aber wir haben alle zusammen an der Umsetzung geholfen.", meinte Sil-Yan.
"Das ist echt Hammer, danke."
"Du sahst in letzter Zeit immer so traurig aus.", sagte Tarek und fügte dann hinzu: "Überraschungspartys gibts ja sonst immer nur in Filmen. Wir dachten, damit könnten wir dir echt mal ne Freude machen. Uns ist nämlich dieses Jahr auch keine Idee für ein Geschenk für dich eingefallen...", den letzten Satz hätte er geflüstert und so getan als hätte ich ihn nicht hören dürfen. Ich lachte, dann schob ich meine Jungs richtung Bar. Wir tranken einige Gläser zusammen, dann begann Sil-Yan aufzulegen. Schon praktisch einen DJ als Freund zu haben. Ich stellte mich an den Tisch mit dem kleinen Buffet und schnappte mir eine Brezel. Seit dem Frühstück hatte ich gar nicht mehr so richtig gegessen. Während ich kleine Stücke abriss und sie mir gedankenverloren in den Mund stopfte, ließ ich meinen Blick durch den etwas in die Jahre gekommenen Raum schweifen. So leicht ranzige Läden hatten doch immer ihren Charme. Basti gesellte sich kurze Zeit später neben mich.

"Hat das geklappt mit der Bude?"
"Hab sie mir gestern angesehen. Ich hoffe ich kriege die. Kann ja nicht ewig bei Nico wohnen.", antwortete ich ihm.
"Ich leg ein gutes Wörtchen für dich ein. Kenne den Vermieter auch über ein paar Ecken."
"Das wäre echt fett. Danke.", lächelte ich ihm entgegen und wir stießen mit unseren Bieren an.

Ich war die ganze Zeit damit beschäftigt mit allen Gästen zu quatschen und irgendwas zu trinken, sodass ich mittlerweile ziemlich besoffen war. Manche von ihnen hatte ich schon echt lange nicht mehr gesehen, umso mehr freute ich mich, dass sie alle gekommen waren.
Irgendwann wurde die Stimmung immer ausgelassener und alle begannen wie wild zu tanzen. Ich hasste Partys, auf denen immer alle nur mit einem Stock im Arsch in einer Ecke standen.Aber das war heute zum Glück nicht der Fall. Meine ganzen Zweifel, ob ich überhaupt in Feierlaune war, waren wir begraben. Diese Überraschungsparty zeigte mir einfach, dass ich die besten Freunde der Welt hatte. Ich hatte seit dem Betreten der Bar nicht einmal an meine Ex gedacht.

Irgendwann tanzten Nico und ich gegenüber von einander und ich wusste nicht wieso, aber mich überkam immer und immer mehr der Drang ihn jetzt zu küssen.
Wir hatten uns schon oft geküsst. Ich hatte es diesen Sommer ein paar mal auf diversen Festivals eingebaut. Immer wieder fielen da ein paar Küsse auf den Bühnen. Aber auch schon vorher gab es auf Partys oder so hier und da mal einen Kuss zwischen uns.

Mit ihm fiel mir das schon immer leicht. Aber an sich war ich ohnehin ziemlich offen was sowas anging. Es geht doch schließlich nichts über einen netten kleinen Bruderkuss. Aber mit Nico hatte ich irgendwie so eine besondere Chemie. Ich hatte schon viele meiner Freunde geküsst und mit niemanden fühlte es sich so gut an, wie mit ihm. Mir gefielen diese Küsse mehr als dass ich es zugeben wollte. Nico schienen die Küsse aber auch zu gefallen. Bei einem Konzert auf dem Oranienplatz diesen Sommer, hatte er auf der Bühne einen auf beleidigt gemacht, weil er einen Kuss wollte, was ich ziemlich lustig, aber auch ziemlich süß fand.

Wie dem auch war, eigentlich war das alles immer nur Spaß gewesen. Und um ein Zeichen zu setzen. Aber nicht, weil ich wirklich was von ihm wollte. Ich hatte zumindest noch nie vorher den Drang verspürt ihn jetzt unbedingt küssen zu wollen. Doch jetzt spürte ich ihn.

„Lass mal noch was saufen gehen!", brüllte ich in sein Ohr, um der lauten Musik entgegen zu kommen. Ich wollte irgendwie aus dieser komischen Tanzchemie, welche sich gerade prickelnd zwischen uns aufbaute, entfliehen. Wahrscheinlich spürte er diese nicht mal.

Wir gingen zur Bar und bestellten noch ein paar Longdrinks, dann setzten wir uns wieder an einen der beschmierten und mit Stickern vollgeklebten Tische in der Ecke des Raumes. „Danke nochmal für den Abend. Damit hätte ich echt nicht gerechnet."
„Ach, nichts zu danken. Ist ja nicht allein mein Verdienst gewesen.", sagte er achselzuckend und nahm einen großen Schluck von seiner Mische.
„Nicht nur das. Auch, dass ich bei dir unterkommen durfte. Wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte, Mann. Danke."
Ich hatte das große Bedürfnis einen besoffenen weißt-du-eigentlich-wie-wichtig-du-mir-bist Deep Talk zu führen und kam mir schon im nächsten Moment etwas lächerlich vor. Nico deutete nur breit grinsend mit seinem Finger auf seine Wange. Ich erwiderte sein Grinsen, dachte mir nichts großartiges dabei, beugte mich ein wenig vor und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Stelle, wo zuvor noch sein Finger lag. Er wiederum drehte schnell seinen Kopf, weshalb der Kuss auf seinem Mund landete. Der Klassiker. Fast schon unterirdisch darauf reinzufallen.

"Hey! So nicht, Freundchen. Kannst doch nicht einfach betrunkene Männer verarschen.", sagte ich lachend, nachdem wir uns voneinander lösten. Es war ein kurzer, überrumpelter Kuss. Ich hatte seine Lippen nicht richtig getroffen, sodass der Kuss eher auf seinem rechten Mundwinkel gelandet war. Und mein Bedürfnis ihn zu küssen, hatte es auch nicht befriedigt.
"Ich hab doch gesehen, wie du mich eben angeschaut hast...", raunte er mir zu, seine Stimme klang dabei irgendwie sexy, was verdammt verstörend war. Was zur Hölle. Ich schaute mich etwas hilflos im Raum um, mied Blickkontakt. Bis mich seine Hand, die gerade fest in meinen Oberschenkel griff, zum Zusammenzucken brachte. Mein Blick schnellte wieder zurück zu ihm. "Mach ich dich etwa nervös?"
Ich schluckte, unwissend was ich antworten sollte. Was wollte er jetzt von mir? Waren da ernsthaft gerade sexuelle Spannungen zwischen uns? Niemals. Nico brach in schallendes Gelächter aus.
"Du hättest eben mal dein Gesicht sehen sollen, Alter!", prustete er und bekam sich kaum noch wieder ein.
"Sehr witzig.", sagte ich vielleicht etwas zu patzig und rückte mit dem Stuhl zurück, was ein schrilles Geräusch erzeugte, das man auch trotz der lauten Musik hören konnte. Als ich nun da stand, wusste ich auch nicht, was ich jetzt mit mir anfangen sollte. Nico sah mich nur verwirrt an, ich ging zu Tarek rüber. Vielleicht hatte ich gerade doch ein wenig überreagiert.

"Was war das denn zwischen euch da gerade?", fragte er breit grinsend und drückte mir direkt irgendein Shotglas in die Hand. Synchron kippten wir uns den Pfeffi den Hals herunter. Ich schüttelte nur den Kopf. "Das Übliche halt. Du kennst ja Nico und mich", meinte ich vielsagend und versuchte ich den Kuss gerade herunterzuspielen. Aber Tarek fragte gar nicht mehr nach, sondern wechselte direkt das Thema: "Natalie wollte heute eigentlich auch kommen. Sie hat aber vorhin abgesagt."
Tarek schaffte es wirklich mit nur einem Satz die Stimmung zu zerstören. Ich sah auf den Boden. Wieso dachte er, dass es jetzt angebracht wäre meine Ex zu erwähnen.
"Ihr habt euch getrennt, oder?"
"Ja, vor zwei Tagen."
"Willst du drüber reden?", bei seinen Worten streichelte er mir über die Schulter.
"Jetzt? Ich will jetzt lieber saufen!", meine Stimme klang euphorischer als ich es war.
"Das kriegen wir auch hin, Bruder!"
Ich versuchte nicht weiter dran zu denken. Wunderte mich aber, warum sie erst vorhin abgesagt hatte. Vielleicht hatte sie sich ja noch erhofft, heute abend etwas zu retten. Aber ich war bei meinem Besuch heute nachmittag ziemlich ignorant ihr gegenüber gewesen. Egal. Nicht drüber nachdenken. Du wirst schon richtig gehandelt haben. Alles ist gut.

Ich war schon fast dabei mir das Hirn wegzusaufen, da sah ich Nico aus meinem Augenwinkel an mir vorbei gehen und packte reflexartig sein Handgelenk. Er sah verwundert auf, wehrte sich aber nicht. "Komm mit."
Wir gingen zusammen in den Toilettenbereich. Ich ließ sein Handgelenk los und wir standen uns gegenüber. Verwirrt sah er mich an.
"Was wollen wir hier? Traust du dich nicht mehr alleine aufs Klo? Musst du kotzen? Soll ich deine Haare halten?"
So ein Spinner. "Nein.", sagte ich ruhig. In meiner Stimme konnte man unverkennbar meinen Pegel heraushören. "Wenn du schon einen Kuss von mir willst, dann richtig.", fuhr ich fort. Fragte mich selber, was gerade in mich gefahren war. Er blickte immer noch verwirrt aus Wäsche und lachte dann aber. Mir gefiel diese Distanz zwischen uns gar nicht, also zog ihn wieder etwas zu mir heran und küsste ihn. Sanft und innig, aber für meinen Geschmack viel zu kurz. Nach fünf Sekunden war es schon wieder vorbei. Als wir uns lösten lächelte er mich an.
"Maxim, du brauchst mir nicht zu beweisen, dass du küssen kannst. Das weiß ich doch."
Er sah hellauf vergnügt aus, tätschelte meine Schulter und ging wieder zurück in den Bereich, wo alle anderen waren. Ich blieb, mit einem Durcheinander in meinem Kopf, zurück.

Der Alkohol steigt mir langsam zu Kopf, dachte ich nur. Fasste mir aber wie paralysiert über meine Lippen, die zuvor noch Nicos berührt hatte. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, aber als ich über sie leckte, hatte ich das Gefühl, ihn noch schmecken zu können. Ich beschloss also ins Bad zu gehen und mir kaltes Wasser in die Visage zu klatschen. Das würde bestimmt helfen. Ein wenig erfrischt, schwankte ich wieder zurück zur Party, welche noch voll im Gange war.

Couchsurfing mit Folgen (Nico und Maxim K.I.Z) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt