Niemand braucht einen Morgen danach

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Aber warum? Was hatte ich erwartet? Naja, ein paar nette Worte und ein bisschen Kuscheln vielleicht. Irgendwie machte ich mir schon wieder viel zu viele Gedanken. So unsicher zu sein, fühlte sich ungewohnt und scheiße an. Ich legte die Decke um mich und kauerte zusammen. Wenig später erschien Nico wieder im Raum und legte sich erneut zu mir. Umarmte mich von hinten. Küsste meinen Nacken.
"Wie gehts dir?", fragte er leise. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Eben gings mir noch gut, jetzt machte sich so ein flaues Gefühl in mir breit. Als ich nicht antwortete fuhr er fort: "Falls du irgendwas nicht wolltest... hättest du mir das sagen können. Ich wollte dich zu nichts zwingen..." , "Nein...", meinte ich daraufhin gedehnt. "Ich fands sehr schön."

Ziemlich erleichtert atmete er auf. Dann drehte ich mich zu ihm, um ihm wieder in die großen blauen Augen zu schauen. "Ich fands auch schön."
Wir küssten uns kurz, dann sahen wir wieder einander an. Als wir uns lösten mussten wir beide unbeholfen lachen. "Fuck. Das ist gerade echt passiert. Was machen wir denn jetzt, Nico?"
"Lass uns da heute nicht mehr drüber nachdenken.", sagte er entschlossen und ich nickte. Obwohl ich das Gefühl hatte, dass die nächsten Tage unerträglich werden könnten. Dann sollten wir zumindest noch diese restliche gemeinsame Nacht zusammen genießen. Zögerlich legte ich meinen Kopf auf seiner Brust ab, er kraulte meinen Kopf und machte mit der anderen Hand wieder das Licht aus. Ich liebte es, so bei ihm zu liegen. Es dauerte nicht lange, da waren wir auch schon eingeschlafen.

Bis sich schlagartig die Tür öffnete und plötzlich das Licht anging. Ich kniff meine Augen zusammen. Es war ziemlich grell. Doch dann hörte ich Tareks aufgebrachte, betrunkene Stimme.
"Was geht denn hier ab?!", brüllte er nahezu entsetzt. Scheiße. Nico und ich teilten uns ja gar nicht ein Zimmer. Das war das Zimmer von ihm und Tarek. Und wir lagen zusammen kuschelnd im Bett. Nackt. Unsere Klamotten auf dem Boden verteilt.    
Das schien auch nun Tarek mitbekommen zu haben. Erschrocken hatten wir uns beide aufgesetzt, unwissend, wie wir jetzt reagieren sollten. Die Decke provisorisch noch ein wenig weiter über uns gezogen. Tareks Augen folgten der Klamottenspur, bis sie bei den Boxershorts angekommen waren.
"Das ist nicht euer Scheißernst? Ich wollte in dem Bett noch pennen!"
Kopfschüttelnd ging er im Raum auf und ab. Am liebsten hätte ich "Tarek, es ist nicht so wie es aussieht.", gesagt. Aber das wäre dann doch zu klischeehaft gewesen. Und es war nun mal das, wonach es aussah.

Nico und ich mussten wohl noch immer total bescheuert aus der Wäsche geguckt haben, denn Tarek meinte schließlich: "Auch cool, dass ihr nichts dazu zu sagen habt."
"Tarek..", setzte Nico schließlich an, doch der Angesprochene fiel ihm direkt ins Wort.
"Ach, macht doch, was ihr wollt. Ich penn bei Sil-Yan.", lachte er nahezu zynisch.
Dass er so reagierte, traf mich ziemlich. Nico schien auch nicht gerade angetan von Tareks Ausraster zu sein. Mit einem Rums fiel die Tür zu und wir beide zuckten zusammen, lachten dann aber doch erleichtert auf, als wir wieder alleine waren.

"Scheiße.", sagte er nur. "Der hat locker irgendwas genommen. Sonst wäre der bestimmt nicht so ausgerastet.", ließ ich Nico an meiner Vermutung teilhaben. Er nickte nur schwach.       
"Wir sollten morgen nochmal mit ihm darüber reden...", sagte ich dann zögerlich.
"Vielleicht hat er das ja morgen auch schon wieder vergessen...?", fragte Nico daraufhin hoffnungsvoll.
"Als ob. Der wird schon wissen, warum er in nem anderen Zimmer aufwacht."

Der nächste morgen kam leider viel zu schnell. Ich wachte mit dem Arm um Nico geschlungen auf. Ich betrachtete seinen Rücken, fuhr mit den Fingerspitzen sachte sein Tattoo nach. Mit dem Gedanken an letzte Nacht. Ich musste lächeln, aber mein Inneres war mit einer komischen Melancholie erfüllt. Dann ging ich kurz ins Bad. Als ich in den Spiegel sah erschrak ich. Ein Knutschfleck. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Das hatte ich gestern zwischen Lust und Eifer gar nicht mitbekommen. Grummelnd klatschte ich mir Wasser ins Gesicht und machte mich wieder auf den Weg zurück ins Schlafzimmer. Nico saß mittlerweile aufrecht im Bett und sah auf sein Handy. Als er zu mir aufblickte, war irgendetwas Komisches in seinen Augen zu erkennen, was ich nicht deuten konnte. Es fühlte sich auf jeden Fall beschissen an, ihn so zu sehen.

"Gut geschlafen?", fragte ich ihn und hob die Shorts vom Boden auf, um sie wieder anzuziehen. Er kratze sich ein wenig verwirrt am Kopf.
"Ja, wie man's nimmt, nä...", sagte er dann leise. "Fuck man. Wir hätten das nicht tun sollen.", fuhr er plötzlich fort. In mir zog sich alles zusammen. Seine Worte taten weh. Und Wut kochte in mir hoch.
"Sorry, aber du warst doch derjenige, der mich gestern unbedingt ins Bett kriegen wollte.", wurde ich direkt lauter.
"Da gehören immer zwei dazu.", sagte er ernst.
"Ja, schon. Aber wer hat mir die ganze Zeit vorgeschwafelt, wie viel Lust er doch auf mich hat, hm?"
"Mann, wir waren besoffen, okay? Da sagt man sowas manchmal."
"Ist das dein verdammter Ernst?! Ich wollte sogar noch zurück in mein Zimmer gehen. Du kannst mir nicht sagen, dass du das nicht mal ansatzweise wolltest! Vielen Dank auch.", fuhr ich ihn an. Es fiel mir verdammt schwer meine Emotionen zu kontrollieren und ruhig zu bleiben. Niemals hätte ich mir solch ein Szenario erträumt. Scheiße, es tat so weh. Ich fühlte mich einfach nur benutzt. Von meinem besten Freund. Dem ich blind vertraut hatte.

"Es hat dich niemand zum Ficken gezwungen. Du hättest jeder Zeit nein sagen können."
"Scheiße, Nico. Dich hat auch niemand gezwungen mit mir ins Bett zu gehen. Denk da mal drüber nach... Lass mich bitte einfach in Ruhe heute.", brachte ich noch verbissen hervor, bis ich mich komplett angezogen hatte und meinen Weg aus dem Zimmer machte. Ein dicker Kloß im Hals schnürte mir die Kehle zu. Das war die schlimmste Abfuhr, die ich je bekommen hatte. Gerade weil wir uns so gut kannten. Ich musste erstmal nach draußen. Raus aus diesem Hotel. Erstmal ne Kippe rauchen. Ans Frühstücken konnte ich gerade gar nicht denken.    

Mit zittrigen Händen zündete ich die Zigarette an. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Meine Gedanken waren voller Reue. Was für ein beschissener Tag. Die Tour war noch über zwei Wochen im Gange. Wie sollten wir das bloß überstehen? Ich hätte ihn niemals küssen sollen. Schon bei unserem ersten Kuss vor einigen Jahren, der nur zum Spaß diente, war mir klar gewesen, dass ich diese Lippen öfter küssen wollte. Oh verdammt. Bloß hatte ich da eine Freundin gehabt. Die habe ich auch wirklich geliebt. Aber vielleicht war sie auch der Grund gewesen, weshalb es nie mehr aus mir und Nico geworden ist? Verdammte scheiße. Wenn ich mit Natalie diese Familie gegründet hätte, wäre das alles nicht passiert.       

Wutentbrannt, ohne mich beruhigt zu haben, ging ich schnellen Schrittes wieder zurück ins Hotel. Vielleicht waren die anderen ja schon wach, damit ich zurück in mein Zimmer konnte. Ich wollte duschen, Zähne putzen und vor allem allein sein. Letzteres sollte allerdings schwierig werden, da ja heute Abend schon das nächste Konzert stattfinden würde. Als ich gerade die Lobby des Hotels betrat fingen mich schon Nico und Tarek ab, welche es sich dort auf irgendwelchen Sesseln gemütlich gemacht hatten.

"Hey Maxim, setz dich doch eben kurz zu uns.", rief Tarek mir zu. Seufzend begab ich mich in die Sitzecke und nahm gegenüber von beiden Platz.
"Nico und ich haben schon ein bisschen geredet. Das letzte Nacht ist jetzt passiert und ich tu jetzt einfach mal so, als hätte ich das nicht gesehen. Tut mir leid, dass ich so überreagiert habe... das war nunmal.. ein Anblick mit dem ich nicht gerechnet hatte. Ich vergesse das jetzt einfach. Aber bitte denk daran, was alles auf dem Spiel steht.."
"Ja...Klar.", meinte ich nur schwach. Die letzten Wochen waren schon ziemlich viel gewesen, ich war emotional einfach total am Ende. "Wird nicht nochmal vorkommen. Das war nur ein besoffener Ausrutscher.", fuhr ich nach einem kurzen Moment Stille fort. Nico und Tarek nickten nahezu synchron.
"Ich hab Sil-Yan nichts davon erzählt und ich werde ihm auch nichts erzählen. Der ist glaube ich schon beim Frühstück. Wo ich jetzt auch hingehen werde.", meinte Tarek dann und stand auf, wobei er mich und Nico vielsagend ansah, aber schließlich von dannen zog.

Nun saßen Nico und ich uns gegenüber und sahen auf unsere Füße. Mein bescheuertes Herz wollte auch nicht aufhören wie wild zu schlagen. Warum saß ich hier eigentlich noch, wenn wir uns eh nur anschwiegen? Ich räusperte mich kurz und machte gerade Anstalten aufzustehen, da ergriff Nico plötzlich das Wort.

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Mir tut es irgendwie schon jetzt Leid, dass Nico in dem Kapitel so ein Arschloch ist... In echt würde er sowas natürlich nie tun ;) Also vergebt mir bitte :D

Couchsurfing mit Folgen (Nico und Maxim K.I.Z) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt