Haylee In den darauffolgenden Tagen hatte ich nichts vom Prinzen, oder Hathaway, wie ich ihn nennen sollte, gehört. Weder Besuche noch Briefe. Nichts. Nada. Nicht dass er mir je einen Brief geschrieben hätte...
Zufrieden lächelnd betrachtete ich mein, zugegeben wirklich umwerfendes Spiegelbild. Der Maskenball, der zu Ehren des Geburtstages der Königin gegeben wurde, würde in wenigen Stunden stattfinden. Das schwarze Kleid, das ich trug, lag obenherum eng an und wurde ab der Taille breiter. Es war aus Spitze und hatte einen leichten Unterrock aus Tüll. Mein Gesicht wurde halb von einer silbernen Maske verdeckt. Sie sah göttlich aus. Die filigranen Verzierungen lagen kühl auf meiner Haut. Meine Haare wurden mit ebenfalls silbernen Spangen hochgesteckt. Dazu passend trug ich die Ringe des Prinzen. Ich wusste, er würde dort sein. Eine kleine Provokation an einem Ort, wo wir keine Szene veranstalten konnten. Perfekt.
„Miss", zwei maskierte Bedienstete öffneten mir die gewaltige weiße Eingangspforte. Staunend betrat ich die riesige Halle, die sich jetzt vor mir auftat. Bei jedem Schritt hallte es gespenstisch durch den Raum. Eine von dicken Säulen gesäumte Treppe führte vor mir nach oben. Daneben befand sich ein großer Durchgang, hinter dem sich der Ball befand. Unglaublich viele Männer und Frauen waren zusehen. Meistens in Zweierpaaren, vermutlich fand kaum jemand einander, da keiner durch die Masken zu erkennen war. Zumindest von weitem. Gelächter, undeutliches Gerede und das Geräusch vieler Füße, die sich im Takt zur Musik, die von einem Orchester eine Etage höher gespielt wurde, schwappten mir beim Überschreiten der Türschwelle entgegen. Ich lief in die Halle. Eine Lady mit Hasenmaske und weißem Kleid ging lachend vor mir vorbei, einen Mann an ihrer Hand. Geschmackloses Outfit.
„Milady", ein Mann mittleren Alters verbeugte sich vor mir und hielt mir seine zum Tanzen auffordernd ausgestreckte Hand hin. „Nicht interessiert", sagte ich kalt und ließ den überrumpelten Mann zurück. „Warum so kalt?", fragte eine bekannte Stimme hinter mir. Ich drehte mich grinsend herum. „Maddy" Sie breitete ihre Arme aus und zog mich in eine stürmische Umarmung. Überrascht stand ich da, unfähig mich zu bewegen. Nicht nur, da sie meine Arme an meinen Körper quetschte, sondern auch, weil ich das letzte Mal vermutlich vor fünf Jahren umarmt worden war. Von meiner Mutter. „Ja, alles gut", ich löste mich sanft aus der Umarmung und tätschelte ihr dabei auf den Oberarm.
Die Menschenmenge hatte sich vor einem kleinen Podium versammelt. In wenigen Sekunden würde dort die Königin erscheinen und eine Rede halten, aber Maddy und ich waren so in unser Gespräch vertieft, dass wir davon kaum etwas mitbekamen. „Du glaubst sie wird dafür bezahlt?" „Nein, wohl kaum", murmelte Maddy. „Ouhhh, die neue Perücke der Königin", ich schnaubte, abgelenkt vom Eintreten der Majestät. „Welch eine Schönheit", sarkastischer hätte sie nicht klingen können. Übertrieben rollte sie die Augen. Ein Raunen ging durch die Menge. Ein Tuscheln und bevor uns wirklich klar wurde was gerade passiert war, nämlich dass jeder, die Königin eingeschlossen, unser Gespräch aufgrund der plötzlich eintretenden Stille, mitgehört hatte, durchschnitt eine Stimme den Raum. „Interessant, interessant. Ich denke, von ihnen Beiden haben wir noch kaum etwas erfahren", Amüsement lag in der Stimme der Königin. „Ich denke, sie", dramatisch deutete sie auf uns, „werden die unausgesprochene Ehre haben, den Ball offiziell zu eröffnen" Normalerweise war das etwas Gutes hierfür ausgewählt zu werden. Aber nicht das. Das war keine Ehre. Das war eine öffentliche Blamage. Sie stellte uns vor allen Bürgern zur Schau.
Die restlichen Teilnehmer des ehrenhaften offiziellen Eröffnungstanzes waren ausgewählt worden und wir stellten uns in einer Reihe auf. Neben uns drei weitere Frauen und fünf Männer. Also zehn Personen und fünf Pärchen.
Alles in mir sträubte sich hier ruhig an der Stelle stehen zu bleiben. Jeder starrte uns an. Meine Haut schien unter den Blicken der Menge zu brennen. Meine Hände wurden feucht und ich biss auf meiner Lippe herum, hoffend ein Wunder würde geschehen und mir die Chance geben aus dem Rampenlicht zu verschwinden. Nervös fummelte ich an den Ringen herum, die in Vielzahl um meine schlanken Finger steckten. Die Königin trat mit ihrem Schutz-Gefolge vor uns. „Ich meine, wir haben dieses Jahr die interessantesten Kandidaten und Kandidatinnen", stolz nickte die Königin und lief an uns vorbei. „Sie", sie deutete auf mich, „sie waren nicht einmal bei der Vorstellung" Ich schluckte. Meine Augen huschten nach einem Ausgang suchend durch den Saal. Wann endete dieser Alptraum?
Ich nickte leicht und sah der Königin dann kalt entgegen. Keine Schwäche. „Nein, ich hielt es für...", ich räusperte mich, „überflüssig, dort zu erscheinen" Die Königin begann leise zu lachen. „Sie sind lustig" „Danke, schätze ich?", ich sah verwirrt zu meiner Freundin. „Und sie", sie deutete auf Madelyn, „Man hört interessante Dinge über sie", sie schnipste zweimal und ließ einen Bediensteten mit einem Monokel und einen mit einem Blatt herkommen. Das Blatt stellte sich als das Schreiben Lady Whistledowns heraus. Sie hielt sich das Monokel ans Auge; ich war mir nicht sicher, ob sie es wirklich zum Lesen brauchte, oder ob sie nur ihr unglaublich wertvolles Monokel präsentieren wollte; und begann mit bedeutungsschwerer Stimme vorzulesen: „Zudem sah man Miss Bassett, die sich nach Einbruch der Dunkelheit bei jemandem allein herumtrieb. Und dieser jemand war niemand geringeres als Anthony Bridgerton" Sie nickte anerkennend. „Ja, ja, äußerst interessant" Ein Tuscheln breitete sich um uns herum aus. Ich sog scharf die Luft ein. Ich sah Maddys panischen Blick zu ihrem Bruder wandern, der innerlich zu kochen schien. Ich presste die Lippen aufeinander. Ich hatte rechtgehabt. Das war die öffentliche Blamage. „Hm, wie auch immer", sie klatschte, die Diener verzogen sich und sie stellte sich an den Rand der Tanzfläche, „Musik" Wie auf Geheiß setzte der langsame Walzer ein. Mein Gegenüber schritt langsam auf mich zu.
Widerstrebend ließ ich mich von dem Fremden führen. „Miss Johnson, richtig?", fragte der Mann plötzlich. „warum interessiert sie das- oh, Lord Bridgerton. Welch eine Freude", ich grinste und erinnerte mich an unser Letztes Treffen. „Die Freude ist ganz meinerseits", er drehte mich im Kreis und zog mich dann an seine Brust, so wie es der Tanz vorschrieb. „Ich weiß, sie stehen Madelyn sehr nahe", begann er. „Ach, tun sie das?", ich hob skeptisch eine Augenbraue an. „Ja, das tue ich" „Oh. Wie wundervoll für sie", säuselte ich. „Ich weiß, dass sie Bescheid wissen", murmelte er. Ich stockte. „Woher..." „Unwichtig", unterbrach er mich. „Ich bin mir sicher, ihnen liegt das Wohl Madelyns am Herzen, deswegen müssen sie mir einen kleinen Gefalle tun" „Ah, und der wäre?", fragte ich. „Legen sie bei ihr ein Gutes Wort für mich ein und sagen sie, dass ich mich gerne Unterhalten wollen würde"
Zur gleichen Zeit wirbelte ein Paar neben uns vorbei. Madelyn und dunkelhaariger, großer Mann, der mich wütend anstarrte. Ouh. Hathaway. Ich grinste, bei dem Gedanken daran, jetzt mit ihm zu Tanzen. Ihm zuzusehen, wie er sich aufregte, dass er mir nicht jeden Ring von meiner Hand reißen konnte. Madelyn nickte auf ihren Tanzpartner und dann auf mich. „Wechseln?", formte ich lautlos mit den Lippen und sie nickte. Ich vermutete, sie hatte sich meinen Partner nicht genauer angesehen, andererseits hätte sie den Partnerwechsel wohl kaum vorgeschlagen. Anthony sah mich immer noch abwartend an. Ich antwortete nicht, sondern wartete bis kurz vor dem Wechsel. „Ich denke, sie sagen ihr das selbst", ich grinste mein ‚böses' und ‚nicht lady-likes' Grinsen, wie mein Vater es zu nennen pflegte. Und mit diesen Worten übergab ich Maddy ihrem neunen Partner.
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Twisted Love (Bridgerton ff)
FanfictionHaylee wünscht sich nichts mehr, als selbstständig zu sein. Aber das ist im 19. Jahrhundert für eine Frau nur schwer möglich. Mit Taschendiebstählen hält sie sich über Wasser und versucht einer kriminellen Bande ihre Dienste anzubieten. Doch ihre Pl...