Haylee In den nächsten Tagen dachte ich viel über mich und meine Zukunft nach. Aus irgendeinem Grund hatte mich das Treffen von Maddy und Bridgerton nachdenklich gemacht. Warum wusste ich selbst nicht. Aber irgendwann wurde mir klar, dass sie genau das hatten, was ich niemals haben wollen würde. Eine Beziehung, wenn auch eine eher schlechte, die über das Freundschaftliche hinausging. Liebe war etwas für Schwache. Liebe war Schwäche. Ich wollte nicht schwach sein. Ich wollte mich nicht verlieben. So wie meine Mutter. Denn sie wäre beinahe von Liebe ruiniert worden. Oder eher von dem Mann den sie geliebt hatte.
Nach schlaflosen Nächten und endlosen Gedankengängen, wo ich mir unendlich viele Szenarien ausmalte, bei denen ich selbständig und unabhängig war. Szenarien, bei denen ich einen Job hatte. Ein Job mit dem ich ordentlich Geld verdiente. Nur leider endeten alle Szenarien damit, dass ich gefeuert wurde und dann als Putzfrau oder Bedienstete endete. Nichts gegen diese Jobs, aber... Nein. Einfach nein. Letztendlich redete ich mir ein, dass ich in allen Jobs sowieso schlecht sein würde, weshalb ich zu dem Schluss kam, es wäre am besten tiefer ins kriminelle Leben einzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt schien mir das die einzige logische Lösung, doch im Nachhinein bereute ich es einfach nur noch.
Ich hatte den Standort einer der gefährlichsten Verbrecher-Gangs ganz Londons ausfindig gemacht. Allein das gab mir ein ungeheureres Selbstbewusstsein und die Sicherheit, die Richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ich wusste nicht was mich erwarten würde, weshalb ich mir zwei Dolche in den Schaft meiner Stiefel gesteckt hatte. Ich trug ein unscheinbares dunkles Kleid, das dem vom Box Club glich. Meine langen schwarzen Haare waren zu einem unordentlichen Dutt hochgesteckt. Es machte den Anschein, als wäre ich eine unschuldige Bauersfrau. Wie sehr der Anschein doch trügen konnte... Ich betrat das Gebäude. Totenstille schlug mir entgegen und für einen kurzen Moment zweifelte ich, dass ich am Richtigen Ort war. Ein kräftiger, glatzköpfiger Mann löste sich aus den Schatten und baute sich vor mir auf. „Hast du dich verlaufen, Schätzchen?", sein schmieriges Grinsen widerte mich an. „Ich will zum Boss", sagte ich. Meine Stimme klang so dominant und kalt, dass ich sie kaum wiedererkannte. Der Muskelberg vor mir schien auch überrascht zu sein, da mein Aussehen einfach nicht mit meinem Benehmen zusammenpassen wollte. „Du hast Glück, dass er gerade hier in London ist. Aber du kannst hier nicht ohne Audienz rein", schnaubte er und packte mich unsanft an den Schultern. „Ich will meine Dienste anbieten", wütend schlug ich gegen seine Arme. Zwecklos. Er schob mich weiter nach draußen. „Als Prostituierte? Danke. Da gehen wir einfach ins Bordell" Hätte ich meine Dolche doch nur nicht an so unerreichbaren Stellen versteckt. Ich hätte ihm am liebsten die Klingen so tief in die Seiten getrieben, wie es nur ging. Dass ich das Licht in seinen Augen langsam hätte, erlöschen sehen können. „Lassen sie mich los oder ich bringe sie um, verdammt!", fluchte ich zornig. „Lassen sie mich wenigstens mit dem Boss sprechen! Wenn er mich dann persönlich rauswirft, akzeptiere ich das, aber dass ich nur weil ich eine Frau bin", -ich vermutete zumindest das das der Grund war-, „nicht mal am Wachhund vorbeikomme, ist absolut inakzeptabel" Ich hatte es endlich geschafft meine Arme loszureißen. Unbemerkt hatte ich dabei sein Revolver entwendet. Verzweifelt tastete er nach der Waffe. Ich nutzte die wenigen Sekunden, um einen Dolch hervorzuziehen. In der einen Hand den Revolver in der anderen mein Messer. Endlich schien er einzusehen, dass ich es absolut ernst meinte. Ich deutete mit der Waffe auf seine Brust und sah, wie er schluckte. Hah! Triumphierend grinsend trieb ich ihn vor mir her und brachte ihn dazu mich zum Boss zu bringen. Hoffentlich ist der nicht auch so ein Kotzbrocken, dachte ich.
Tja. Hätte ich gewusst, auf wen ich mich hier einließ, hätte ich dieses verdammte Gebäude nie betreten. Ich wäre ihm nicht mal im Traum nähergekommen.
Der Türsteher stieß erniedrigt die Türe auf und trat in das düstere Zimmer. „Los gehen sie weiter", zischte ich. Er schnaubte und deutete anklagend auf mich. „Sie ist ohne Erlaubnis hier eingedrungen" „Oh, und sie lassen sich von einer kleinen Prostituierten", ich malte bei dem Wort Prostituierten Gänsefüßchen in die Luft, „überlisten?" Ich wedelte mit der Waffe vor seinem Gesicht herum und deutete dann mit dem Lauf zwischen seine Augen. Ich war zu dem Zeitpunkt so auf den Scheißkerl vor mir fixiert, dass ich den zweiten Mann im Raum gar nicht wahrnahm. „Ich denke das reicht jetzt, Haylee", ich wirbelte herum. Geschockt, dass er meinen Namen kannte. Geschockt, dass ich die Stimme, die meinen Namen da aussprach, kannte. „Prinz", meine Stimme machte einen überraschten Hüpfer, für den ich mich in diesem Moment Ohrfeigen hätte können. Er stand vor mir. Ganz in schwarz gekleidet wie immer. Die Haare nach hinten gekämmt. Einzig ein paar Strähnen fielen ihm in die Stirn. Verdammt. Wieso sah das so gut aus? „Hathaway reicht, denke ich", einen Scheiß gebe ich auf was sie denken, sie Arsch, „Was machen sie hier?", seine raue Stimme klang genervt. Ich straffte meine Schultern. Ich würde jetzt keinen Rückzieher machen. Ich war hier um meiner Zukunft Willen. „Ich will einen Job, einen Auftrag- egal was ich werde es für sie tun. Hauptsache sie bezahlen mich gut"
„Und wie genau stellen sie sich das vor? Wollen sie in ihren erbärmlichen Bauernkleidern", er wedelte mit seiner mit Ringen besetzten Hand zu meiner Verkleidung, „durch die Straßen ziehen und kleine Taschendiebin spielen?" „Entschuldigung? Haben sie mich gerade erbärmlich genannt?", fragte ich bedrohlich leise. Der Mann hinter mir machte einen Schritt in meine Richtung, aber ich entlud die Waffe und hielt sie an seinen Kopf. „Raus" zischte ich. Der Mann regte sich nicht. Er dachte gar nicht daran auf mich zu hören. Vermutlich glaubte er ich hätte nicht den Mumm, die Waffe zu verwenden. Tja. Falsch gedacht, schätze ich mal. Ich richtete den Revolver auf seinen Fuß und drückte den Abzug. Ein lauter Knall gefolgt von einem jämmerlichen Kreischen. „Ich sagte: Raus" Der Muskelberg beklagte sich über das Loch in seinem Fuß und humpelte eine Blutspur hinter sich herziehend aus dem Zimmer. „Ich sag ihnen mal was erbärmlich ist. Ihr beschissener Angestellter da", ich stürmte auf ihn zu, zog meinen Dolch und drückte ihn an seine Kehle. Ich wollte es zumindest...
Jaden Ich sah den Angriff kommen. Ich packte sie an den Handgelenken und drückte sie gegen die hinter mir liegende Wand. Sie keuchte auf und presste dabei aus Versehen die Klinge etwas zu fest an meinen Hals. Ich spürte warmes Blut an meiner Kehle herunterlaufen. Ich musste zugeben, sie hatte mich überrascht. Nicht nur mit der Tatsache, dass sie unseren Standort hatte ausfindig machen können, sondern, dass sie es geschafft hatte meinen Türsteher zu überlisten. Er war der Beste, den ich gefunden hatte. „Hab ich den Job, oder was?", sie grinste überlegen, als hätte sie bereits alles erreicht, was sie sich hier vorgenommen hatte. Und das gefiel mir ganz und gar nicht. „Nein. Sie denken, ich stelle sie ein? Sie haben es nicht einmal geschafft, mich zu bestehlen. Verschwinden sie", ich packte ihren Hals und drückte sie fester gegen die Mauer. Sie stöhnte schmerzerfüllt auf, doch dann breitete sich ein diabolisches Grinsen auf ihrem Gesicht aus. „Ach nein?", sie hob eine Augenbraue, riss sich von mir los und verschwand aus dem Raum. Die gähnende Leere, die sie in dem Zimmer hinterließ, bedrückte mich seltsamerweise. Ich strich mir nachdenklich über die Hand, als würde ich ihre Nähe dadurch noch spüren können. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Wie lächerlich! Doch dann stockte ich. Etwas fühlte sich anders an. Es war, als fehle etwas.
Die Ringe! Alle, bis auf die an den Mittelfingern fehlten. Wollte sie mich verarschen?! Ich tastete meine Taschen ab. Revolver- weg. Brieftasche- weg. Alles weg! „Ah, du verdammte Schlampe!", brüllte ich. Wutentbrannt stieß ich den Tisch um und fuhr mir durch die Haare. Ich sah aus dem Fenster. Haylee verschwand im regen Treiben der Menge vor der Tür. Nicht ohne mir ihre, mit meinen Ringen besetzten, Mittelfinger zu zeigen. Ich musste zugeben, die Kleine hatte es wirklich drauf. Und das gefiel mir alles andere als gut.
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Twisted Love (Bridgerton ff)
FanficHaylee wünscht sich nichts mehr, als selbstständig zu sein. Aber das ist im 19. Jahrhundert für eine Frau nur schwer möglich. Mit Taschendiebstählen hält sie sich über Wasser und versucht einer kriminellen Bande ihre Dienste anzubieten. Doch ihre Pl...