» freya - lost without you
Grummelnd drehe ich mich auf die linke Seite und halte mir die Ohren zu, um meinen nervigen Klingelton überdecken zu können. Ein paar vereinzelte Lichtstrahlen der Sonne scheinen durch meine Jalousinen hindurch und ich ärgere mich über mich selbst, dass ich am Vorabend nicht darauf geachtet habe, sie vollständig herunterzulassen. Ich denke darüber nach, ob ich heute zu irgendeiner Schicht muss und überlege, warum ich mir den Wecker gestellt habe.
Ein kurzer Blick auf mein Smartphone verrät mir jedoch, dass es garnicht mein Wecker ist, der mich aus dem Schlaf gerissen hat, sondern meine Mutter, die penetrant seit Minuten die Leitung blockiert. Ich wäge ab, was sinnvoller wäre: Abzuwarten, bis sie auflegt oder ranzugehen und ein kurzes Gespräch für mein Gewissen mit ihr zu führen. Ich komme zu dem Entschluss, dass meine Mutter wahrscheinlich keine Hemmungen davor hat, solange anzurufen, bis ich rangehe und entscheide mich dazu, das unangenehme Mutter-Sohn Gespräch gleich hinter mich zu bringen.
„Ja?", gummele ich mit dem Handy am Ohr und verdecke meine Augen mit meinem Kissen, um sie vor dem grellen Sonnenlicht zu schützen.
„Na endlich, ich dachte schon, du möchtest niemals rangehen. Sag mal, schläfst du etwa noch? Laut meinen Berechnungen müsste es bei dir bereits 16 Uhr haben", höre ich die vorwurfsvolle Stimme meiner Mutter. Ich blicke kurz auf das Display meines Handys und stelle fest, dass sie garnicht so Unrecht hat.
„Ich hatte Nachtschicht", lüge ich, denn ich hatte gestern einen freien Tag. „Du weißt doch, diese Schichtarbeit." Ich glaube mir meine Worte fast selbst, doch ich weiß, dass es nicht nur an meiner Arbeit liegt: Es ist meine fehlende Motivation zum Aufstehen, die mich immer wieder ans Bett fesselt.
„Meine Güte, du hast dir da wirklich was ausgesucht. Ich rate dir Austin, hör auf damit. Du machst dich nur selbst kaputt", meint sie vorwurfsvoll und ich seufze. Meine Arbeit hilft mir, denn ohne sie würde ich wahrscheinlich nicht mal aus dem Bett kommen und den ganzen Tag vor mich hinvegetieren.
„Du weißt doch, dass es mir Spaß macht", meine ich und sie seufzt. „Ja, klar. Wie geht es dir? Du hast dich lange nicht mehr gemeldet."
„Mir geht es gut. Ich habe nur viel zu tun in letzter Zeit", lüge ich erneut und es tut mir augenblicklich leid, dass ich kaum noch ehrlich bin zu meiner Mutter.
„Das freut mich zu hören, Schatz. Du fehlst zuhause, weißt du." Ich lächele leicht und verspüre einen kleinen Stich im Herzen. Aber tief in mir drin weiß ich, dass es eine gute Entscheidung war, meine Heimat zu verlassen.
„Ich habe bald Urlaub. Vielleicht kann ich mir ja ein Flugticket organisieren, wenn es genügend Tage sind", schlage ich vor und kann mir ihr breites Grinsen nur zu gut vorstellen. „Das wäre schön!"
Wir unterhalten uns eine Weile, bis ich mich verabschiede und sie nahezu abwürge. Oftmals habe ich das Gefühl, dass meine Mutter ein komplett falsches Bild von meinem Leben hat. Und es gefällt mir, denn ich möchte auf keinen Fall, dass sie mitbekommt, was für ein Loser ich eigentlich bin. Es ist schon anstrengend genug, dass ich meinem Vater an Wochenendtreffen, die wir mindestens einmal im Monat planen, abwimmeln muss, weil auch er langsam versteht, dass irgendwas mit mir nicht stimmt.
Ich setze mich in meinem Bett auf und blicke mich im kleinen Schlafzimmer um. Meine benutzen Klamotten liegen quer auf dem Boden verteilt und ich beäuge sie kritisch. Morgen mache ich einen Waschtag, nehme ich mir fest vor. Ich schlurfe in die Küche und stelle den viel zu lauten Kaffeevollautomaten an, der wohl alle Nachbarn um mich herum mitteilt, dass ich nun Kaffee trinken werde.
Nachdenklich beobachte ich dabei den Stapel an verschlossenen, nicht versendeten Briefen, die auf meinem Schreibtisch liegen und erinnere mich verschwommen an die Idee des Tattoos, das ich hatte. Vielleicht sollte ich es wirklich wagen und mit tattoowieren lassen. Was meinst du, Savannah?
Meine Gedanken schweifen jedoch ab und bleiben bei einer anderen Person hängen: zu Esther. Wie bestreitet jemand seinen Tag, der nicht weiß, ob es vielleicht sein letzter ist?
Wieso nimmt man diesem jungen Menschen die Chance auf Leben, während andere es wegschmeißen? Hm, Savannah?
Ich nehme mir vor, bei meiner nächsten Schicht am Abend in Klinikum nachzufragen, wie es ihr geht.
Mit meinem Kaffee in der Hand setze ich mich an meinen Schreibtisch und starre mit leerem Blick auf die Briefe vor mir. Schön verpackt und ordentlich gestapelt, jedoch nicht adressiert. Ich überlege, wie viele Worte insgesamt dort verfasst sind. Wie viele Worte ich schon verschwendet habe an eine Person, die sie nicht lesen wird, weil sie mich alleine gelassen hat. Dich zu lieben ist die härteste Form der Selbstzerstörung, Savannah. War das dein Ziel? Wolltest du, dass ich so kaputt werde wie du?
Doch dann denke ich über meine eigenen Gedanken nach und bemerke, dass es nie ihr Ziel war. So weit hat sie garnicht gedacht, denn hätte sie auch nur einen Gedanken an mich verschwendet, wäre sie noch da. Ihr war es egal und deswegen hat sie mich alleine gelassen.
Ruckartig stehe ich auf und gehe mit meinem halbvollen Kaffeebecher Richtung Schlafzimmer. Ich kann es nicht mehr sehen. Ich möchte es nicht mehr sehen. Ich kann und möchte garnichts mehr sehen.
Heute ist ein guter Tag, um den ganzen Tag im Bett zu bleiben.
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huhu meine süßen, na, wer ist denn da von den toten auferstanden? mal sehen, wie lange es anhältbtw, das angefangene buch „intrigue" habe ich ebenfalls geupdatet schaut vorbei
austins sicht fällt mir immer schwerer, dafür freue ich mich umso mehr, savannah sprechen zu lassen
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Austin
Teen FictionAustin ist verzweifelt, auf Kriegsfuß mit seiner Mutter, aber vorallem ist er einsam. Verdammt Savannah, wird er dich jemals aus dem Kopf bekommen? - P A R T 2