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» sam smith ft. john legend - lay me down

Ich liege im Aufenthaltsraum der Wache und schalte durch die Fernsehprogramme, als ich auf CSI Miami stoße und zufrieden die Fernbedienung bei Seite lege. Es ist 3 Uhr morgens und die Sterne glitzerten am Himmel.

Ich habe oft gesagt bekommen, dass man sich an die Arbeitszeiten gewöhnt. Alles mit der Zeit, alles kommt wie es kommen soll. Aber das ist völliger Schwachsinn. Der Körper gewöhnt sich nicht daran, zwölf Stunden lang nachts am Stück zu arbeiten und er gewöhnt sich nicht daran, erst mittags den Schlaf nachzuholen. Zumindest meiner nicht, was mich ziemlich nervt, da ich so gut wie immer mit meiner Müdigkeit zu kämpfen habe. Auch jetzt fallen mir meine Augen das ein oder andere Mal zu, jedoch hasse ich es, während einer Schicht zu schlafen. Ich habe Angst, einen Notfall zu verpassen.

Anders sieht es bei Denis aus, denn dieser liegt in einer Decke eingewickelt neben mir und schnarcht vor sich hin. Seine Schuhe hat er unter den Tisch gekickt und sein Handy lag direkt auf seinem Bauch, da er um die Uhrzeit des Öfteren eine Nachricht an seine Freundin schickt, damit sie beim Aufstehen weiß, dass er bald heil nach Hause kommen wird.

Auf mich wartet niemand, wenn ich nach Hause komme. Nichts und niemand außer meine leere, kalte Wohnung, die ich in der Zeit immer noch nicht vollständig eingerichtet habe, da mit einfach die Lust dazu fehlt. Es fühlt sich nicht an wie mein Zuhause und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt ein Zuhause habe.

Ich stöhne auf, als mich der laute Piepser aus den Gedanken reißt. Manchmal verstehe ich meine Angst vor dem Verschlafen nicht, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Höllending alle im Umkreis von 5 Kilometern aus den Schlaf reißt. Auch Denis springt wie von einer Tarantel gestochen auf und schmeißt die Decke von sich.

„Verdammt", flucht er und greift hektisch nach seinen Schuhen.

„Und? Was meinst du? Einen Schlaganfall hatten wir schon lange nicht mehr", tippe ich und stehe auf, nachdem ich den Fernseher ausgeschalten haben.

„Ich hoffe bloß, dass es nichts stressiges ist", antwortet er und wir laufen zügig runter zum Wagen. Ich reiße die Wagentür auf und springe auf den Fahrersitz. Während Denis noch seine Jacke holt, gehe ich die Informationen durch, die uns von der Leitstelle gegeben wurden.

„Ohnmächtige Person", sage ich Denis und er nickt. Und so fahren wir los in das Ungewisse.

Laut Leitstelle befindet sich die Person draußen mit einer Bekannten, weshalb ich, bei der Adresse angekommen, Ausschau nach einer Person auf dem Boden halte.

„Da vorne sitzt jemand", meint Denis schließlich und auch ich entdecke die zwei weiblichen Personen, die am Straßenrand zu sehen sind. Eine davon läuft hektisch hin und her, während die andere auf dem Bürgersteig sitzt.

Ich bremse scharf vor ihnen ab und springe aus dem Wagen. Beide Frauen blicken mich hilflos an, als ich auf sie zutrete. Sie scheinen jung zu sein, nicht unbedingt älter als ich. Der Uhrzeit und den Outfits nach zu urteilen könnten sie auf dem Weg nach Hause von einer Party sein.

„Habt ihr den Rettungsdienst gerufen?", frage ich die beiden per Du.

Eine der beiden nickt heftig und deutet auf ihre sitzende Freundin. „Sie ist einfach ohnmächtig geworden. Einfach umgefallen. Sie blutet auch, weil sie sich gestoßen hat. Außerdem ist sie total warm", meint sie panisch, weshalb Denis und ich uns kurz einen Blick zu werden. Unsere Rollenverteilung ist klar - ich widme mich der Patientin und er beruhigt die Begleitperson. Ich bücke mich, um auf Augenhöhe mit dem vor mir sitzenden Mädchen zu sein.

„Hey. Ist alles in Ordnung soweit? Kannst du stehen?", frage ich sie und sie blickt mich genervt an.

„Ja, passt alles. Das passiert mir öfter. Ich habe ihr gesagt, sie soll keinen Arzt rufen, aber sie hat nicht auf mich gehört", meint sie und ich nicke wissend.

„Ich würde dich trotzdem gerne einmal im Rettungswagen untersuchen. Kannst du soweit laufen oder soll ich die Trage holen?"

Ohne mit eine Antwort zu geben steht sie auf und läuft etwas wackelig auf den Wagen zu. Da es mir zu unsicher aussieht, helfe ich ihr die Stufen zu erklimmen und deute ihr schließlich, sich auf die Trage zu setzen, was sie schließlich tut.

„Ich bräuchte zunächst deinen Namen und dann würde ich gerne wissen, was genau passiert ist", sage ich und greife nach meinem Tablet, um die Patienteninformationen einzutragen.

„Esther. Mein Geldbeutel ist in der Tasche von Lynn, da finden Sie auch meine Krankenkarte. Wir waren auf den Heimweg, als mir plötzlich schwarz vor Augen geworden ist. Wie gesagt, passiert mir öfters", antwortet sie stumpf und ich mustere sie.

„Irgendwelche Vorbefunde?"

Sie nickt langsam. „Ich habe ein Lungenkarzinom. Behandlung seit zwei Jahren", meint sie und ich atme zischend die Luft aus.

„Ich brauche einmal EKG, Blutdruck und deine Zuckerwerte. Davor müsste ich wissen, ob du schwanger bist", meine ich und sie schüttelt lachend den Kopf. „Hoffentlich nicht", sagt sie und greift nach dem Blutdruckmessgerät, welches sie sich problemlos umschnallt und schließlich das EKG-Gerät anschaltet. Erstaunt blicke ich sie an.

„Ich bin Krankenschwester", meint sie trocken und ich hebe die Augenbraue. Denis betritt den Wagen und ich gebe ihm die Aufgabe, die Patienteninformationen vollständig auszufüllen.

„Seit wann ist der Krebs bekannt?", frage ich, während ich ihr einen Zugang lege und schließlich nach dem Fieberthermometer greife, da sie sich wirklich sehr warm anfühlt.

„Seit zweieinhalb Jahren", meint sie achselzuckend und ich betrachte ihre erhöhte Temperatur. Ihre weiteren Werte scheinen in Ordnung zu sein, jedoch sollte man sich nicht zu voreilig davon täuschen lassen.

„Atemnot auch gehabt?"

Sie schüttelt fest den Kopf. „Zum Glück nicht."

Ich seufze. „Wir werden dich ins Krankenhaus bringen. Das muss mal abgecheckt werden. Eventuell müssen deine Medikamente angepasst werden. Es ist sehr fahrlässig, sich nicht untersuchen zu lassen, wenn du das öfters hast", tadele ich sie und sie zuckt mit den Schultern.

„Ich erhalte eine palliative Therapie. Da interessiert mich die ein oder andere Tablette mehr oder weniger auch nicht mehr", antwortet sie und ich verkneife mir einen mitleidigen Blick.

„Wieso wird jemand, der sowieso schon mit Krankenhausbesuchen gestraft ist, Krankenschwester?", frage ich sie, während Denis die Wagentür zuzieht und sich in die Fahrerkabine setzt, um loszufahren.

Sie zuckt mit den Schultern und lacht. „Jeder hat so seine Geheimnisse", meint sie und ich lächele leicht.

Was war dein Geheimnis, Savannah?

AustinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt