XV.VIII.MMXV - 23 monate vor dem tod
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» birdy - not about angelsAls ich sie das zweite Mal sah, stellte er sie mir vor.
Es war ein regnerischer Tag und dunkle Wolkenschauer hingen über dem Himmel. Es passte zu meiner Stimmung, denn seitdem Mom weg ist, fühle ich mich leer und kalt.
Er klopfte an meine Tür und ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, denn das tat er nie. Er mied den Kontakt und erst recht mied er mein Zimmer.
„Savannah? Hättest du einen Moment Zeit? Ich muss mit dir etwas besprechen", sagte er mit fester Stimme und ich wusste, dass er keinen Widerstand duldete. Ich nickte leicht, legte meinen Stift bei Seite und verdeckte meine Zeichnung, an der ich arbeitete. Sie war für Chloe, meiner besten Freundin, die sich zum Geburtstag unbedingt ein Portrait von sich wünschte.
Ich stand auf und folgte ihm durch den langen Flur zum Treppenhaus und schließlich ins Wohnzimmer. Seitdem Mom weg ist, fühlt es sich nicht mehr wie Zuhause an.
Als ich das Wohnzimmer betrat, sah ich sie auf dem Sofa sitzen. Sie war schick gekleidet, in einem Kostüm und mit perfekt frisierten Haaren. Ich hielt dir Luft an, denn ich wusste, was jetzt kommen würde.
„Savannah, ich würde dir gerne jemanden vorstellen", sagte mein Vater und ich könnte fast meinen, ich hätte eine Spur von Freude und Stolz in seiner Stimme gehört, was sonst nie der Fall ist.
Als die Frau mich bemerkte, erhob sie sich und zupfte sich unprofessionell den Rock zurecht, der ihr viel zu kurz war. Sie räusperte sich und lief auf mich zu, während sie die Hand ausstreckte. Ihr starkes Parfüm schlug mir entgegen, als sie vor mir stand. Sie wirkte nicht unbedingt alt, eventuell Anfang dreißig und man merkte ihr an, dass sie sich sehr um ihr Aussehen sorgte. Jede einzelne Bewegung, jede Gestik und Mimik kam mir vor, als hätte sie es bereits tausende Male vor dem Spiegel geprobt.
„Hallo, Savannah. Es freut mich, dich endlich kennen zu lernen. Ich habe so vieles über dich gehört. Ich bin Courtney Whinston", sagte sie überfreundlich und lächelte, doch ihr Lächeln kommt nicht bei den Augen an.
Ich griff nach ihrer kalten Hand und schüttelte diese. Ich kenne Sie, würde ich am liebsten sagen. Ich habe Sie auf der Beerdigung meiner Mutter gesehen, auf der Sie sich in der Küche versteckt haben. Und ich habe sie gehört, jeden Abend, als Sie um kurz vor Mitternacht unser Haus betraten und morgens in aller Frühe wieder gingen. Ich habe Sie mit meinem Vater gehört, Sie Miststück.
Doch ich nickte nur und zwang mir wortlos ein Lächeln auf.
„Du weißt, dass die Welt sich weiterdreht und das Leben weitergeführt werden muss, egal welche Hindernisse es uns in den Weg stellt. Courtney ist ab heute Teil unserer Familie und ich verlange von dir, dass du das akzeptierst", meinte mein Vater strikt und ich blickte ihn an. Seine Stirn stand in Falten und seine Krawatte hing ein wenig schief. Auf dem Hemd erkannte ich leichte Falten. Das passierte häufig, seitdem Mom weg war.
Wieder nickte ich nur stumm und schenkte Courtney ein Lächeln. Doch am liebsten würde ich sie erwürgen. Am liebsten würde ich meinen Vater erwürgen.
Seit der Beerdigung hatte ich die Tatsache verdrängt, dass er meine Mutter einfach ersetzt hat, in kürzester Zeit und ohne mit der Wimpern zu zucken. Währenddessen lag ich nachts immer noch von Albträumen verfolgt in meinem Bett und versuchte zu verarbeiten, dass sie nie wieder kommen würde.
Sie würde nie wieder nachts um drei Uhr in der Küche stehen, um Spätmitternachtsessen zu kochen oder bei einer ihrer kitschigen Liebesserien heulend im Wohnzimmer sitzen. Sie würde nie wieder fluchend die Waschmaschine ausräumen, weil sie sie wieder zu heiß gestellt hat und meinen Vater dafür anschreien, dass sie keine Haushaltshilfe will. Sie würde nie wieder nachts in mein Zimmer kommen, wenn wir alleine zuhause waren und sich zu mir ins Bett legen, um auf andere Gedanken zu kommen.
Niemals würde sie wiederkommen und ich werde niemals wieder die Chance haben, auch nur eine Minute mit ihr zu verbringen.
„Herzlich willkommen in der Familie", presste ich an Courtney gewand hervor und zwang mir ein Lächeln auf. Ich wollte mir nicht vorstellen, was es für Konsequenzen für mich geben würde, wenn ich mich gegen sie stelle.
Erfreut blickte sie mich an und griff dann nach der Hand meines Vaters, um diese zu drücken und ihn verliebt anzublicken.
„Das ist ja schön. Dann sind wir fast wie eine richtige Familie", meinte sie und strahlte mich dabei an. Ich zwinge mich dazu, es ebenfalls zu erwidern.
„Ich werde sofort meine Wohnung kündigen. Meine Möbel überlasse ich dem Mieter, ihr habt ja sowieso alles, was meinst du Baby?", fragte sie meinen Vater und er nickte bekräftigend.
„Ich werde so schnell wie möglich deinen Umzug vereinbaren", antwortete er ihr und mein Herz zog sich zusammen. Dieses Haus war nicht bereit für eine neue Frau und ich war es auch nicht.
„Das ist alles so schön. Besser, als ich es mir je erträumt habe", meinte sie und blickte sich verträumt in unserem geräumigen Wohnzimmer um, ehe sie sich an mich wandte. „Dann kannst du mich ab heute Mom nennen", sagte sie grinsend und in mir gefror mir das Blut in meinen Adern.
Diese rücksichtslose Schlampe wollte mir ernsthaft vermitteln, dass sie die Absichten hatte, meine Mutter zu ersetzen.
Doch ich nickte nur und schenkte ihr ein weiteres, unehrliches Lächeln, ehe ich das Wohnzimmer verließ und die Tränen auf dem Weg zu meinem Zimmer versuchte zu unterdrücken.
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Austin
Teen FictionAustin ist verzweifelt, auf Kriegsfuß mit seiner Mutter, aber vorallem ist er einsam. Verdammt Savannah, wird er dich jemals aus dem Kopf bekommen? - P A R T 2