9. Kapitel

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Tristan:

Wir ritten Richtung Wald, in die Richtung in die der Elf geflohen war. Doch wir kamen nur schwer voran, ich fragte mich wie er so schnell hatte laufen könnte. Wir waren immerhin zu Pferd und doch wurde der Abstand zu ihm immer größer, bis er in der Ferne im Dickicht des Waldes verschwunden war. "Na warte, wenn ich dich zu fassen krieg. Du landest im tiefsten Kerker den die Burg zu bieten hat. Darauf kannst du dich verlassen!", knurrte ich vor mich hin. Ich war verdammt sauer auf diesen Elf, wegen dem ich jetzt in der eiseskälte herumreiten musste, Aber ich war auch sauer auf michselbst, weil ich ihn überhaupt erst hate entkommen lassen. Ich hätte viel schneller reagieren müssen, doch es war so erschreckend gewesen, er hatte die Wachen nur am Arm gepackt und die waren einfach bewusstlos umgekippt. Und wie er mich erst hoch gehoben hat. Mir lief schon ein kalter Schauer über den Rücken wenn ich nur daran dachte, wie er mich mit nur einer Hand quer durch den ganzen Raum geschleudert hatte. Dieser Elf war wirklich stark und ein mächtiger Magier dazu. Ich hätte ihn besser gleich töten sollen. Doch die Gelegenheit hatte ich verpasst und es brachte mir auch nichts wenn ich mich jetzt darüber aufregte.

"Da, ich hab seine Spur wieder gefunden, sie führt direkt in den Wald hinein.", rief einer der Soldaten. Ich schaute hoch, "worauf warten wir noch? Auf gehts." Ich gab dem Pferd die Sporen und preschte den anderen voran zum Wald. Doch am Waldrand verloren wir seine Spur wieder, die Abdrücke waren einfach nicht tief genug. "Männer, ich glaube es ist besser wir teilen uns auf. Aber niemand greift ihn alleine an. Verstanden?"

"Verstanden", kam es kurz angebunden zurück.

Die Soldaten preschten in verschiedene Richtungen davon. Auch ich gab meinem Pferd das Zeichen zu einem leichten Trab. Ich beugte mich etwas hinunter und betrachtete den Boden. Irgendwann musste seine Spur ja wieder auftauchen.

Ich wusste nicht wie lange ich schon so dahin ritt, doch endlich hatte ich seine Spur gefunden. Ich stieg vom Pferd ab und folgte ihr. Nochmal wollte ich sie nicht verlieren. Wie kommt der eigentlich auf die Idee, dass er ohne Schuhe und mit der dünnen Kleidung hier draußen überleben könnte. Dem müssten längst alle Zehen abgefrohren sein. Ich schüttelte den Kopf, dieser Elf wurde mir mehr und mehr zu einem Rätsel.

Enttäuscht stöhnte ich auf, seine Spur verlor sich schon wieder und ich hatte keine Ahnung in welche Richtung er sich gewandt haben könnte. Denn seine Spur endete vor einer kahlen Felswand am Fuße des Berges, direkt vor einer immergrünen Efeuranke. Aber was war das? Ich glaub ich spinne, dort liegt das Schwert, dass er einem der Wächter abgenommen hatte. Es ragte aus einem Schneehaufen weiter über mir an einem Felsvorsprung. Beinahe konnte man es nicht mehr erkennen. Ob dies etwas zu bedeuten hat? Kurzerhand band ich das Pferd an einem Baum fest und begann die Felswand hoch zu klettern. Beim Schwert angekommen entdeckte ich einen schmalen Spalt in der Felswand denn man nur von hier aus erkennen konnte.

Als ich vorsichtig hindurch kroch, blieb ich mitten in dem Durchgang stehn und was ich dann sah war ebenso überraschend wie traurig zugleich.

Elabriels p.o.v.

Ich bin durch den ganzen Wald gerannt, ich hatte keine Ahnung wie spät es war, und die Sonne versteckte sich hinter den Wolken. Irgendwann, als ich am Fuße des Berges angelangt war, blieb ich stehen. Erst jetzt wurde mir bewusst wohin mich meine Füße eigentlich trugen. Wie es schien hatte das Schicksal mich hier her geführt. Ich habe diesen Ort all die Jahre gemieden und wollte doch stets hier her zurück kehren. Doch ich hatte nie die Kraft dazu gehabt.

Ich machte mich daran die Felswand empor zu klettern, hinauf zu dem Felsvorsprung der den Eingang verdeckte. Vom Boden aus gesehen war er nicht zu erkenen. Ich steckte das Schwert in einen Schneehaufen. Sie hatte mir verboten diesen Ort auch nur mit einer einzigen Waffe zu betreten. Selbst jetzt hielt ich mich noch daran, obwohl sie es nie erfahren würde können. Dann kletterte ich durch den Spalt und bereitete mich auf das vor, was mich dahinter erwarten würde. Doch das was ich dann sah, ließ mich alle meine Mauern fallen. Die Erinnerungen erschlugen mich fast, so schnell stürmten sie gleichzeitig auf mich ein. Ich wankte wie betäubt einige Schritte vor, ehe ich unter der Last der Erinnerungen zusammen brach und auf die Knie sank. Die Taubheit, die sich in meinem Körper breit gemacht hatte verschwand und machte einem Schmerz platz der gewaltiger war, als alles was man sich nur vorstellen konnte. Ich begann zu schluchzen und ich vergrub meine Finger im Schnee. Da lag ich nun, vor einem mit Schnee bedeckten Hügel, der kein Hügel war. Es war ein Grab, ihr Grab.

Ich war nicht mehr hier gewesen seit ich sie vor so langer Zeit zu Grabe getragen hatte. So wie es sicherlich ihr Wunsch gewesen wäre.

Oh, wie sehr hatte sie diesen Ort geliebt. Wie oft hatten wir als kleine Kinder hier gespielt, fern ab von allen andern ungestört, nur wir beide.. Hier in diesem Tal, einer grünen Insel mitten im Meer aus grauem Fels und Stein, hatten wir viel gelacht und uns auch oft gestritten, doch am Ende hatten wir uns stets wieder vertragen. Wie viele sorglose Tage hatten sie hier schon verbracht. Sie hatte diesen Ort geliebt und in ihr Herz geschlossen, und ich mit ihr.

Erneut wurde mein Körper von einer Welle der Trauer und des Schmerzes gepackt. Laute Schluchzer drangen aus meiner Kehle. Ich fühlte mich genau so verzweifelt wie damals. Von wegen die Zeit heilt alle Wunden. Sie liegt hier schon so viele Jahre unter der Erde begraben und in all der Zeit habe ich mich nicht getraut hier her zu kommen. Ich wollte nicht an ihren Tod erinnert werden, wollte nicht das alles wieder hoch kam, so wie jetzt. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, hatte nicht den Mut dazu...

"Warum, warum, warum...? ." Diese Frage stellte ich mir seit ihrem Tod immer und immer wieder. Ich fühlte mich schuldig daran, ich hätte nur schneller sein müssen, hätte gar nicht erst mit ihr in den Wald gehen dürfen... Hätte ich einfach nur besser auf sie aufgepasst, dann wäre es nie dazu gekommen...

Wenn ich doch nur einfach alles anders gemacht hätte, aber das Schicksal hatte es so gewollt und dafür verfluche ich es.

Ich hielt den Kopf gesenkt und langsam verklangen die Schluchzer.

Sanft legte sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter. Ich blickte hoch, es war der Prinz. Ich hatte gar nicht bemerkt das er sich genähert hatte. Mitgefühl spiegelte sich in seinen Zügen wieder. Ich brauchte sein Mitleid nicht, er konnte ohnehin nicht verstehen wie ich mich gerade fühlte. Dennoch schob ich seine Hand nicht weg. Irgendwie tat es gut zu wissen das jemand da war, auch wenn ich nicht wusste warum. Ich blickte wieder auf das Grab und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

"Wer?", fragte er leise, so das selbst ich es kaum verstehen konnte. Wahrheitsgemäß antwortete ich ihm.

"Sie... war meine Schwester,... meine Zwillingsschwester."

Der Druck auf meiner Schulter verstärkte sich kurz, ehe er ganz verschwand.

Ich stand auf und wischte mir noch einmal mit dem Ärmel des Gewandes über die Augen wärend ich auf das Hügelgrab hinab blickte.

"Ich werde wieder kommen Schwester, dass verspreche ich dir." Dann drehte ich mnich endgültig um und ging weg. Ohne mich noch einmal um zu drehen kletterte ich aus dem Spalt. Draußen steckten im Schnee zwei Schwerter, selbst der Prinz hatte seine Waffe abgelegt. Irgendwie war ich ihm dankbar dafür, meiner Schwester hätte es sicher nicht gefallen wenn jemand mit einem Schwert in der Hand an ihr Grab getreten wäre. Sie war so eine friedliebende, gutmütige Elfin gewesen. Das exakte Gegenteil von mir und dennoch standen wir uns so nahe wie es unter Geschwistern überhaupt möglich war.

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Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen auch wenn es sehr traurig ist.

Also schreibt mir doch einen Kommi, wie es euch gefallen oder auch nicht gefallen hat. Jede Rückmeldung ist willkommen!

glg Firelight93

Seher (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt