16. Kapitel

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Elabriel:

Am Abend, jedenfalls müsste die Sonne gerade untergehen, hielten wir an einer Weggabelung an, hier hatten wir mehr Platz zum schlafen als in einem der Tunnel. Strategisch gesehen war es sicher nicht besonders günstig aber wer sollte uns auch schon angreifen? Ein paar Ratten? Vor denen hatten die Menschen ja hoffentlich keine Angst.

Nach einigen Stunden Schlaf brachen wir wieder auf. Der Tag verlief genau so wie der erste, wir gingen immer weiter den Tunnel entlang. Doch das Gefühl kaum voran zu kommen wurde immer stärker und ich wurde zunehmend unruhiger. Hoffentlich würden wir die feindliche Armee in diesem Schneckentempo nicht verpassen. Mein Volk hatte Jahrhunderte wenn nicht sogar Jahrtausende gebraucht um das Gesamte Gebirge zu durchkämmen und zu kartieren. Das Gebirge war weitläufig und es gab in den hohen Berge viele natürliche Höhlen und Gänge und eben auch die von meinem Volk angelegten Tunnel. Hinzu kamen unzählige Täler, Schluchten und Pässe. Sie hatten unzählige Möglichkeiten wie sie zur Burg vordringen könnten. Doch all diese Wege und Pässe die in die Nähe der Burg führten liefen an einem einzigen Punkt zusammen ehe sie sich wieder aufteilten. Und genau an diesem Punkt werden wir zuschlagen. Beim Fallenden Fluss von Alinea.

Nach langen Stunden des Marschierens ließ ich sie halt machen. Mit dem kleinen Unterschied das wir dieses mal nicht an einer Weggabelung oder einem Gang lagerten sondern an den Ufern eines großen unterirdischen Sees. Dieser lag in einer gewaltigen Höhle deren Decke man nur erahnen konnte. Ich war schon oft hier gewesen und unter normalen Umständen hätte ich die Strecke bis hierher an einem einzigen Tag zurückgelegt. Aber mit den Menschen und dann auch noch mit der lahmen Geschwindigkeit? Wir haben sicher doppelt so lange gebraucht, doch ich sehe ihnen an das sie allesamt müde sind und sich ausruhen müssen. Heute würden wir sicher nicht mehr weit kommen, außerdem lag am Ufer des Sees eine große weite Fläche, wo sich die 30 Soldaten sammeln konnten.

Ich schuf erneut einige Lichtkugeln und lies sie über den Köpfen der Soldaten schweben. Das Licht war gerade ausreichend um erkennen zu können wohin man seine Füße setzte. Ansonsten spendeten ein paar Lagerfeuer, welche die Soldaten angezündet hatten, genug Licht. Vor allem aber vertrieben sie die Kälte die hier unten herrschte. Auch wenn es bei weitem nicht so kalt war wie an der Oberfläche. Der See war nicht einmal zugefroren, und der Atem bildete auch keine Wolken.

Ich setzte mich abseits der anderen an das Ufer des Sees und blickte über die weite Oberfläche hinweg. Das Wasser wirkte pechschwarz und das andere Ende des Sees ließ sich nicht einmal erahnen. Doch ich wusste, auf der anderen Seite war nichts außer dunklem Fels. Die Oberfläche des Sees war nicht besonders weit, die wahre Größe verbarg sich darunter. Der See war unglaublich tief und schnitt  ein gutes Stück unter der Oberfläche weit in den Fels hinein. Ich blickte mich um, doch keiner schien sich für mich zu interessieren. Sie alle waren viel zu sehr damit beschäftigt ihr Lager auf zu bauen. Ich legte meinen Rucksack neben mir ab und setzte mich dann im Schneidersitz ans Ufer. Mit geschlossenen Augen begann ich mich auf meine übrigen Sinne zu konzentrieren. Ehe ich sie nach einander ausblendete. Die lauten und vielzähligen Geräusche der Soldaten hinter mir ignorierte ich und richtete mein feines Gehör zur Gänze auf den See. Er lag fast ganz ruhig da, nur ein paar kleine träge Wellen schlugen leise am Ufer auf. Der Boden unter mir war kalt aber auch das blendete ich aus und konzentrierte mich auf meine Atmung. Das hatte ich schon so lange nicht mehr gemacht. Es tat gut sich einmal wieder entspannen und los lassen zu können. Es war ganz ruhig, langsam löste ich meinen Geist vom Körper und wurde eins mit meiner Umgebung.

Ich fühlte das Leben m mich herum sowohl die Menschen hinter mir als auch die Lebewesen in den Tiefen des dunklenGewässers. Es ist schwer zu beschreiben wie man das Leben anderer wahrnimmt. Es ist eine Art Gefühl oder auch ein Instinkt. Wenn ich es in Worte fassen müsste würde ich es als Licht beschreiben. Jedes Lebewesen stellt einen kleinen Lichtpunkt dar, manche etwas größer andere winzig klein. Je nachdem ob sie Magie in sich tragen oder nicht. Die Magie ist ein Teil des Lebens, vom Leben kommt die Magie und von der Magie das Leben, es ist ein einziger, ewiger Kreislauf. Mein Volk hatte dies schon früh erkannt und den nachkommenden Generationen gelehrt. Und so hatte auch ich in der Schule gelernt diese Magie in mir zu verstehen und mir zu Nutze zu machen.

Seher (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt