~Eleanor~

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„Du kommst wirklich aus Indien?", fragte ich Neina, die mir gerade von sich erzählte.

„Ja, ich bin dort geboren. Genauer gesagt in Amritsar. Das liegt in Punjab. Woher kommst du eigentlich? Eleanor hört sich nicht gerade deutsch an."

Ich war ja auch gar nicht deutsch. Zumindest nicht ganz. Mein Erzeuger war Brite, der sich jedoch kurz nach meiner Geburt verpisste, weil er mit einem Kind nicht klar kam. Erst einige Jahre später kam er wieder. Er wollte nicht mehr nur Geld zahlen, sondern auch Zeit mit mir verbringen. Ein Vater wurde er trotzdem nie für mich. Das war nämlich der neue Mann von meiner Mutter. Alexej und meine Mutter kannten sich schon lange bevor sie meinen Erzeuger kennenlernte. Er war immer für uns da. Erst recht dann, als wir alleine waren. Alexej hat mich immer wie seine eigene Tochter behandelt und mich großgezogen. Er war bei meinen ersten Schritten, bei meiner Einschulung, bei Elternabenden, bei meinen geliebten Basketballspielen und so vieles mehr dabei. Eine Vater-Tochter Beziehung werde ich mit meinem Erzeuger niemals aufbauen. Er ist mehr sowas wie ein Familienfreund, auch wenn meine Mutter und ich ihm noch nicht wirklich so ganz verziehen haben. Vielleicht werden wir ihn irgendwann verzeihen. Aber jetzt ist noch nicht soweit.

Ich erzählte Neina die kurze Version davon. Unser Gespräch wurde von der Schulklingel unterbrochen. Neina ging zu ihrem Biokurs. Leider hatte ich vergessen sie zu fragen wo OS7 ist. Ich ging ins Sekretariat und ließ mir den Weg erklären, was leider nicht half, da das Gebäude so groß war, dass ich mich im Keller verlief. Schließlich fand ich den Raum doch noch und kam zehn Minuten zu spät zu Psychologie. Glücklicherweise fand meine Lehrerin, dass es in Ordnung sei, wenn man das erste mal zu spät kommt.

Der Unterricht gefiel mir sehr. Psychologie war etwas was mich schon immer interessiert hatte. Leider gab es dieses Fach nicht auf meiner alten Schule. Umso mehr habe ich mich darüber gefreut, als ich es hier wählen konnte. Sogar als Leistungskurs. Ich konnte mir auch gut vorstellen später im als Beruf, etwas in diese Richtung zu machen. Ob meine Faulheit da mitmachen würde stand in den Sternen. Psychologie war das einzige Fach in dem ich aktiv mitmachte. Am Ende der Stunde wurde ich sogar von der Lehrerin für meine Arbeitsbereitschaft gelobt.

„Eleanor, für deinen ersten Tag warst du sehr gut. Hattest du Psychologie auch in deiner alten Schule?", fragte sie mich, bevor ich aus dem Unterrichtsraum gehen konnte.

„Nein. Leider gab es das dort nicht... Aber ich interessiere mich schon sehr lange dafür. Ich hab mir vieles zuhause beigebracht. Mit dem Internet oder Büchern.", erklärte ich ihr.

Als ich noch etwas jünger war bin ich, sobald ich Taschengeld bekam, direkt in die nächste Buchhandlung gerannt und habe mir ein neues Buch zum Thema Psychologie gekauft. Meine Eltern unterstützen mich dabei auch immer. Wahrscheinlich ist das auch der Grund warum sie sich so sehr darum bemühten, mir eine neue Schule für eine zweite Chance zu finden.

„Find ich super. Gut, dass du den Lk gewählt hast. Ich denke, du passt hier richtig gut hin." Damit entließ mich meine Lehrerin. Mich freute es, dass sie mich schon nach der ersten Stunde zu mögen schien und wirklich dachte, dass ich eine gute Schülerin bin. Mal sehen wie lange es dauert, bis auch sie mich nervig finden wird. So wie alle Lehrer an meiner alten Schule.

-

Erst in der letzten Stunde traf ich Neina wieder. Wir hatten Philosophie zusammen. Im Raum suchten wir uns zwei Plätze ganz hinten. Kurz vor Unterrichtsbeginn kam ein Mädchen, dass mir bekannt vorkam, direkt auf uns zu und setzte sich neben Neina hin. Sie begrüßten sich mit einem Kuss auf die Lippen und mir wurde klar, dass sie ihre Freundin sein musste.

„Eleanor, ich hab dir Anya noch gar nicht vorgestellt. Tut mir leid.",stellte Neina fest. Ich erkannte Anya. Wir hatten in der fünften Stunde zusammen Biologie. Wahrscheinlich bin ich zu schnell im urteilen, aber wirklich sympathisch fand ich sie nicht. In Bio wollte ich mich neben ihr setzen. Statt eine nette Begrüßung, wurde ich dumm von ihr angemacht. Ihre beste Freundin würde da sitzen und ich sollte ja wissen, dass sie immer zusammen sitzen. Ich denke ihr ist entgangen, dass ich neu bin. Dementsprechend auch keine Ahnung hatte, wer mit wem immer zusammen saß. Wenn Neina jedoch mit ihr zusammen war, müsste sie doch eigentlich ganz in Ordnung sein. Außer ich irrte mich in Neina selbst.

„Das ist Eleanor. Sie ist neu hier an der Schule. Wir haben uns heute in der ersten Stunde kennengelernt.", sagte Neina an Anya gewandt, die mich von oben bis unten musterte.

„Hay...warst du nicht die, die sich in Bio neben mir setzen wollte?"

Oh wow... sie erinnerte sich daran.

„Jap. Genau die war ich.", sagte ich.

Sie nickte. Kurz darauf kam die Lehrerin rein und fing mit dem Unterricht an. Zugegeben war es schon ein wenig nervig neben einem Pärchen zu sitzen. Die beiden redeten pausenlos miteinander. Wann immer Neina versuchte mich mit ins Gespräch einzubringen änderte Anya das Thema zu einem, bei dem ich nicht mitreden konnte oder sah mich verurteilend an. Ich verstand nicht warum sie das tat. Sie kannte mich ja nicht einmal. Sie hatte keinen Grund mir gegenüber so abwertend zu sein. Zu allen übel war der Unterricht mit dieser Lehrerin auch noch tot langweilig. Als es klingelte atmete ich erleichtert auf. Endlich konnte ich nachhause gehen.

„Wartet bitte noch. Ich würde euch gerne die Hausaufgaben zu morgen geben."

Will die mich verarschen?

Genervt holte ich mein Heft wieder raus und schrieb mir die Aufgaben, die ich eh nicht machen werde, auf. Bevor ich ging, verabschiedete ich mich noch von Neina und ihrer Freundin.

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Ich hoffe ihr hattet alle einen guten Start ins neue Jahr! :)

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