Kapitel 1

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,,Hallo?...Hallo, alles okay bei ihnen?"

...Ida spürte deutlich, wie sie jemand wachrüttelte. Verschlafen wollte sie sich auf die andere Seite drehen, als sie plötzlich den nassen, harten Boden an ihrer Wange spürte. 

Sofort schrak sie hoch. Sie schaute in das Gesicht eines älteren Herren, der erschrocken zurückwich. Ida war nass, ihre Klamotten waren durchnässt und dreckig, genauso wie ihre Hände. Peinlich berührt wischte sie sich den Dreck aus ihrem Gesicht. Ihre Wimperntusche war komplett verschmiert und ihr nasses Handy lag auf dem Bürgersteig, ein paar Meter von ihr entfernt. Geschockt griff sie nach dem Mobilgerät- Fehlanzeige, es ging nicht mehr an. 

„Ja, alles okay...ich habe wohl zu viel getrunken”.
Der Mann nickte verwirrt und ging weiter, ihr immer wieder komische Blicke zuwerfend.

Verschlafen rieb sie sich die Augen, was ihre Mascara noch mehr zum verschmieren brachte.

Langsam schien sie aufzuwachen. Sie erinnerte sich an gestern: an den Abschiedsbrief, den sie Sonja geschrieben hatte, an die Verfolgungsjagd quer durch die Stadt, an die schlimmen Beleidigungen die Sonja ihr währenddessen an den Kopf geworfen hatte und an das raue Wetter, an den Regen und an das Gefühl von Verzweiflung und einem Schock. Sie hätte niemals gedacht, dass eine Trennung so ein schlimmes Gefühl in ihr auslösen könnte. Bis jetzt hatte sie es verdrängt...

Als es Ida besser ging, entschied sie, sich fertig zu machen und ging zu den Toiletten. Als sie dort ihr Spiegelbild sah, erschrak sie: sie sah aus wie ein Monster. Die Frau wusch sich ihr Gesicht und ihre Hände, ihre Haare kämmte sie mit den Fingern durch und band diese mit einem Haargummi zusammen. Trotz aller Bemühungen sah ihr Zopf aber schrecklich aus und sie gab es auf. Ida trug auch eine schwarze Jeansjacke, die sie vorsichtig mit Toilettenpapier und Wasser säuberte. Ihre Baggy Jeans hatte inzwischen Löcher bekommen- dort, wo die Knie waren. Die Frau riss sie gekonnt noch mehr auf und war endlich zufrieden,so konnte sie raus gehen; wenn schon chaotisch, dann mit Style! 

Sie hatte heute noch vieles vor: Ihre nächste "Haltestelle" war ihr ehemaliger Klassenkamerad.

Kurz und knackig?...

Er hieß Robert.
Robert Habeck.

Vor einer Woche hatte sich Robert bei ihr gemeldet, um ihr einen Arbeitsplatz anzubieten: Ida war seine einzige Bekannte mit Politikstudium.

Robert Habeck wollte Ida als seine persönliche Assistentin haben, da er sie wirklich gut kannte. Deshalb hat sie sich auch vorgenommen, nun endlich abzuhauen -mit Erfolg.

Nun machte sich die 32-jährige also mit dem Bus auf dem Weg zum Reichstag. Der Himmel war viel klarer als gestern, es herrschte sehr schönes Wetter als Ida ausstieg. „Seidenmannstraße”- hier war sie genau richtig.

An der Haltestelle stand Robert, der schon auf sie wartete.

„Hast dir aber ordentlich Zeit gelassen”, lachte Robert.

„Entschuldige für die Verspätung, mein Handy ist kaputt. Ich konnte dir nicht schreiben”

„Kein Problem. Heute ist einer der wenigen Tage, an denen ich nicht so viel zu tun habe”

Ida und Robert machten sich gemeinsam auf den Weg zum Reichstag, die Frau musste staunen: das Gebäude sah auf den Bildern im Internet so viel kleiner aus!

Eine Gruppe von Jugendlichen sah Robert und fing an, ihn aus der Ferne zu beleidigen.

„Leider keine Seltenheit, mittlerweile”, sagte Robert. Seine Stimme klang wie eine Mischung aus Nervosität und und vorgespielter Souveränität.

„Robert, ich habe ein Anliegen”..., begann Ida zu reden. Sie erklärte ihrem Gegenüber gleich ihr Problem und bat ihn um Hilfe.
„Es tut mir leid...ich bin die nächsten drei Tage nicht da. Ich habe absolut keine Ahnung, wie ich dir helfen soll...”

Inzwischen waren die Beiden schon am Reichstag angelangt.

„Aber...wo soll ich schlafen?”, meinte sie verzweifelt. Ida hatte keine Wohnung, kein Geld, keinen anderen Bekannten in Berlin. Sie war sich so sicher, dass ihr Freund ihr helfen würde, dass sich die Wahrheit umso bitterer anhörte. Sie wollte nicht noch eine Nacht auf der Straße verbringen, und schon garnicht so lange bis sie einen Wohnort gefunden hatte!

Ida hörte Schritte hinter sich.

Robert zuckte mit den Schultern: „hast du keine Bekannten oder so was? Ich meine...ich könnte dir auch ein Hotelzimmer buchen a-”

„Hallöchen”, unterbrach eine freundliche Stimme ihren Freund.

Ida drehte sich um.

Anna-... Annalena Baerbock?

In echt?? Moment, jetzt Mal im Ernst, ist das ein Traum?

Träumte sie!?

„-h -Hallo”, sagte Ida verunsichert.

Die Frau schenkte ihr ein Lächeln. „Sie  sind Ida Schäfer, richtig?”
„Genau, die bin ich”
„Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich und Robert haben uns darauf geeinigt dass ich auch mitkomme, damit wir beide Ihnen hier alles ein bisschen zeigen können”
Ida nickte nur. Diese Frau kam ihr seit langem unglaublich symphatisch rüber.

„Robert, gibt es irgendwelche Probleme?”, fragte Baerbock.
„was meinst du?”
„Du sagst gerade so angespannt aus”, sagte sie besorgt.

Irgendwie süß.

„Hm... Annalena, ich habe eine Bekannte, die dringend einen Ort zum Wohnen braucht, in Berlin. Hast du Ideen?”

Annalena lachte. „die kann doch zu mir kommen, dann ist mir alleine nicht so langweilig!...”ihre Miene verfinsterte sich kurz, danach setzte sie wieder ihr übliches Lächeln auf. „egal, wo waren wir? Ach ja, die Wohnung! Sag ihr, sie kann zu mir kommen. Wer ist sie denn? Eine Arbeitskollegin?”

Ida würde in diesem Moment am liebsten tief im Erdboden versinken.

Robert schaute Ida kurz an. „Genau...eine Arbeitskollegin, seit genau...zwei Minuten”. Robert konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Verstehe”, lachte Frau Baerbock. „Kommen sie einfach heute um 19Uhr in mein Büro, Frau Schäfer. Das wird eine tolle Gelegenheit sein, uns ein bisschen besser kennenzulernen. Da ich und Robert ja sehr eng zusammen arbeiten, werden wir uns öfters über den Weg laufen”

Ida bedankte sich herzlich bei ihr und versicherte ihr, dass das nur für ein paar Tage der Fall sein wird. Frau Baerbock schenkte ihr ein Lächeln und wandte sich kurz an Robert.

Diese selbstbewusste Art dieser Frau würde sie noch in den Wahnsinn treiben. Moment, was hatte sie sich da gerade gedacht?

Während Robert und Frau Baerbock scheinbar tief in ihrem Gespräch verwickelt waren, nahm sich Ida erstmal Zeit, die Situation zu realisieren. Hat sie sich da wirklich mit einer Spitzenpolitikern, mit niemand anderem als Annalena Baerbock verabredet? Mit einer Kanzlerkandidatin, mit der Parteichefin der Grünen!?

Scheinbar war das Leben wirklich eine Simulation- anders konnte Ida sich das nicht erklären.



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Suprise suprise:)
Wie fandet ihr das erste Kapitel? Lasst es mich wissen!

let you go - Annalena Baerbock FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt