Kapitel 14

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Michis P.O.V.:

Leicht zitternd setzt sich das junge Mädchen vor mir auf den Stuhl – sie tut mir total leid. Ich sehe ihr an, dass sie wirklich nicht hier sein möchte und nur hier vor mir sitzt, weil ihre Mutter sie in die Klinik geschleppt hat. „Also, was ist denn passiert?", frage ich die junge Dame, bekomme jedoch eine Antwort von ihrer Mutter. „Elsa ist fünfzehn und hat ihre Periode immer noch nicht bekommen. Ich hatte sie schon mit elf und denke, dass es langsam wirklich an der Zeit wäre. Jetzt wollte ich hierherkommen, um abzuklären, ob mit ihr alles stimmt." Bei ihrer Wortwahl muss ich schlucken. Es ist doch total normal, dass nicht alle junge Frauen ihre Regel so früh bekommen. Manche sind einfach etwas später dran und das ist vollkommen ok.

Ich merke, dass dem Mädchen das alles total unangenehm ist und versuche ihr, mit einem warmen Lächeln, etwas die Angst zu nehmen. „Ok, das ist jetzt im Moment wirklich nichts Besorgniserregendes. Es gibt Frauen, die ihre Regel schon relativ früh bekommen, während der Körper anderer Frauen einfach ein bisschen länger braucht. Sie müssen sich wirklich keine Sorgen um ihre Tochter machen – mit ihr ist höchstwahrscheinlich alles in bester Ordnung. Man kann nicht sagen, wann die Regel kommt, das ist, wie gesagt, bei allen Frauen unterschiedlich. Daher schlage ich einfach vor, dass Sie noch ein paar Jährchen warten und du, wenn deine Regel mit achtzehn immer noch nicht da ist, erneut zum Frauenarzt gehst. Und zwar zum Frauenarzt oder der Frauenärztin deines Vertrauens, am besten in einer Praxis. Bis dahin ist es im völlig normalen Rahmen.", sage ich und versuche meine Worte so zu wählen, dass sie auch die Mutter etwas beruhigen. „Ja, aber jetzt sind wir ja schon hier – können Sie meine Tochter nicht einfach untersuchen?" „Ich denke nicht, dass das notwendig ist. Wie Sie wissen, ist eine gynäkologische Untersuchung nicht das Angenehmste, was man sich vorstellen kann. Das würde ich Ihrer Tochter gerne ersparen." „Ja, aber es ist doch wichtig nachzusehen, ob bei meiner Tochter alles in Ordnung ist." „Ich bin der Meinung, dass eine gynäkologische Untersuchung in diesem Fall wirklich nicht notwendig ist und appelliere an Sie, dass Sie Ihrer Tochter so ein unangenehmes Erlebnis ersparen, bis es tatsächlich notwendig ist.", sage ich ruhig, aber trotzdem bestimmt. „Aber mir wäre es recht, wenn Sie meine Tochter trotzdem untersuchen würden.", sagt sie mindestens genauso bestimmt wie ich.

Da ich merke, dass der jungen Frau die Anwesenheit ihrer Mutter bei diesem Gespräch mehr als unangenehm ist, beschließe ich, der Mutter einen Vorschlag zu machen. „Könnte ich vielleicht mit Ihrer Tochter alleine reden? Ich stelle ihr ein paar Fragen und wenn ich es für notwendig betrachte, sie zu untersuchen, werde ich das, natürlich mit dem Einverständnis ihrer Tochter, tun. Sie können mir wirklich vertrauen." „Ich werde mein Kind sicher nicht alleine lassen." „Mama, bitte geh", äußert sich nun auch die Tochter beschämt. Ich lag also mit meiner Vermutung, dass sie ihrer Mama nicht im Zimmer haben will, richtig. Sie schaut sichtlich überlegend zwischen ihrem Kind und mir hin und her, bis sie schließlich nachgibt und den Raum verlässt. „Na gut, Sie haben maximal zwanzig Minuten. Ich vertraue Ihnen, also missbrauchen Sie dieses Vertrauen nicht." „Keine Sorge, ich weiß, was ich tue", sage ich und lächle ihr beruhigend zu, auch wenn mich diese Frau eigentlich leicht wütend macht. Ich muss mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass sie einfach nur besorgt ist und sich deswegen so verhält.

Als die Mutter den Raum verlassen hat, sehe ich, dass sich ihre Tochter sichtlich entspannt. „So, jetzt sind wir ja unter uns. Bist du das erste Mal bei einem Frauenarzt?" Sie nickt schüchtern und sieht mir nur ab und zu in die Augen. „Ok, du sollst wissen, dass du mir vertrauen kannst und ich nichts gegen deinen Willen tun werde, ok? Außerdem habe ich Schweigepflicht, was heißt, dass ich deiner Mutter nichts erzählen werde, was du nicht möchtest, dass sie erfährt, ok?" „Sie wirkt von Minute zu Minute entspannter und sieht mir auch öfter in die Augen. „Ok, darf ich dir ein paar Fragen stellen?" Sie nickt und schaut wieder zu Boden. „Super, diese Fragen könntest du jetzt als ein bisschen peinlich wahrnehmen, aber es gibt nichts, wofür du dich vor mir schämen müsstest, ja? Ich habe schon alles gehört und wie gesagt, ich verrate deiner Mutter nicht, was du nicht willst." „Ok.", antwortet sie knapp – das wird eine schwierige Anamnese, aber zum Glück kann ich eigentlich ganz gut mit ängstlichen Patientinnen umgehen. Ich übe es ja schließlich auch oft genug mit meiner Frau.

Warum ausgerechnet meine Geburt? (Teil3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt