Kapitel 56

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Ellies P.O.V.:

Es hat nicht lange gedauert, bis die Rettung gekommen ist und uns abgeholt hat. Felix fährt bei mir mit und Elisabeth fährt mit ihrem Auto hinterher. Die Sanitäter erheben Messwerte und flüstern die ganze Zeit irgendwelche Werte, damit ich sie nicht hören kann. Sie müssen wohl mitbekommen haben, dass ich Hebamme bin und dass mich die Werte vermutlich noch nervöser machen würden – wahrscheinlich hat Felix ihnen das gesagt. „Alles gut, mein Schatz. Wir sind bald da.", sagt er und streichelt mir sanft über den Kopf. „Ok, wir würden schon mal einen Zugang legen, damit die Ärzte im Krankenhaus dann gleich die Narkose einleiten können, ja?" „Oh Gott, keine Nadeln." „Ellie bitte, das ist jetzt wichtig. Sei vernünftig und denk an unser Kind. Du musst deine Angst jetzt hinten anstellen." „Ja, ich weiß", sage ich und spüre schon, wie mir die ersten Tränen runterlaufen. Felix schaut mich mitleidig an, aber nickt dem Sani, der schon alles bereithält, kurz zu, um ihm zu signalisieren, dass er starten kann. „Ich habe Angst", flüstere ich und drücke Felix Hand so fest ich nur kann. „Schh, ist gleich vorbei. Ich bin ja hier und passe auf dich auf." Der Sanitäter wirkt leicht nervös, was mich noch nervöser macht. Kann er überhaupt stechen? Bitte sag mir, dass es kein frisch ausgebildeter Notfallsani ist.

„So Frau Steiner, ich werde Ihnen jetzt den Zugang legen, ja? Hand mal ganz lockerlassen, dann ist es auch schnell wieder vorbei", sagt er und versucht wohl ziemlich ruhig zu klingen, aber ich sehe ihm irgendwie an, dass er noch nicht oft Zugänge gelegt hat. Felix sieht das anscheinend auch, da er den Sani unterbricht. „Meine Freundin hat große Angst vor Nadeln und ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber könnte ich ihr den Zugang vielleicht legen? Ich bin Notarzt, also kann ich das und bei mir hat sie vermutlich weniger Angst." Aha, er tut so, als würde er den Zugang legen wollen, weil ich bei ihm weniger Angst davor hätte – sehr clever. So ist der Sani nicht wütend und lässt es Felix vermutlich machen. „Ja, ist ok.", sagt er und zieht sich ein wenig zurück. Felix beugt sich über mich und zwinkert mir zu. „So, Augen zu", flüstert er und streichelt mir nochmal über die Wange. „Kurzer Piks", sagt er, bevor ich einen Stich in meinem Handgelenk spüre. „Aua!", schreie ich kurz auf, aber mehr vor Überraschung, als vor dem Schmerz, wenn ich ehrlich bin. Felix kann wirklich gut stechen – ich bin sehr froh, dass er das gemacht hat. „Ist schon vorbei. Jetzt ist das schon mal geschafft", sagt er und setzt sich wieder neben mich. „Ich bin so müde Felix.", jammere ich und will meine Augen wieder zumachen. „Dann schlaf ein bisschen, mein Schatz.", erwidert er und streichelt mir durchs Haar. Ich mache die Augen zu, da ich es sowieso fast nicht mehr schaffe, sie offenzuhalten. Ich bin einfach viel zu müde und viel zu erschöpft.

Als ich wieder aufwache, liege ich im Krankenhausbett und Felix sitzt neben mir. Aber als ich genauer hinsehe, bemerke ich, dass auf seinem Oberkörper ein kleines Wesen liegt. Mir laufen sofort Tränen die Wangen runter und ich betrachte die beiden einfach. Anscheinend habe ich beim Weinen Geräusche gemacht, da Felix nun auch die Augen öffnet. „Hallo, mein Schatz.", sagt er mit einem großen Strahlen, steht auf und kommt auf mich zu. „Oh Gott, er ist gesund", sage ich und kann nun nicht mehr aufhören zu weinen – ich bin so unfassbar erleichtert. „Willst du ihn mal halten?"  Ich nicke, worauf Felix ihn mir ganz vorsichtig gibt und sich danach über uns beugt wie unser großer Beschützer. Wow, das ist das schönste Gefühl, dass ich in meinem Leben je spüren durfte. „Ich hab gar nichts mehr von der Narkose mitbekommen." „Ja, du hast tief und fest geschlafen, als der Anästhesist dir die Medikamente verabreicht hat. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Angst wie heute  - um dich und unseren kleinen Schatz.", sagt er und nun sehe auch ich Tränen in seinen Augen. „Hey, jetzt ist ja alles gut", versuche ich ihn zu trösten. Er nickt und lächelt mich an. „Abruptio placentae?" Er nickt. „Das habe ich vermutet" Er nickt wieder. Es war so viel Blut, da habe ich als Erstes an eine frühzeitige Plazentaablösung gedacht. „Dieser Moment war so unfassbar schlimm", sagt Felix traurig. „Oh ja, es war so viel Blut – ich hatte echt Angst." „Wem sagst du das. Aber es ist ja zum Glück gut ausgegangen. Elisabeth holt sich gerade einen Kaffee – sie müsste bald wieder hier sein." „Ah ok, den hat sie sich jetzt aber auch definitiv verdient." „Oh ja", sagt Felix und lächelt mir wieder zu. Es wird ruhig im Raum und er lehnt sich erneut über uns. Ich würde diesen Moment gerne nie enden lassen. Es fühlt sich so schön an, hier mit Felix und meinem kleinen Mann zu liegen und einfach nur zu kuscheln.

Warum ausgerechnet meine Geburt? (Teil3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt