1.David Blum

78 1 0
                                    

Vorwort:

Ich möchte mit dieser Geschichte keines Wegs unsensibel oder respektlos gegenüber den unzählige Opfern einer kranken Zeit und eines gestörten Verrückten sein. Das Thema ging mir immer sehr nah. Ich möchte einfach nur meine künstlerische Freiheit nutzen, um eine Idee die ich schon lange hatte umzusetzen. Ich versuche zeitlich so akkurat wie möglich zu sein. Meine Recherche stammt aus dem Internet und Erinnerungen aus meiner Schulzeit. Ich möchte mein Beileid und Mitgefühl für alle Opfer und ihre Hinterblieben aussprechen.

David Blum

Paul Schneider lief durch die Straßen Berlins. Es war ein warmer Sommertag. Die Vögel sangen in den Bäumen und der Wind wehte sanft durch die Baumwimpfel. Man hätte nicht erahnen können, welch Schrecken über der Stadt, ja dem ganzen Land, lag. Auch seine persönlichen Probleme quälten ihn. In wenigen Wochen sollte er Anna Friedrich heiraten, doch er liebte sie nicht. Sein Vater wollte die Hochzeit erzwingen, weil er wusste, dass sein Sohn sich zu Männern hingezogen fühlte. Sie hatten den ein oder anderen Streit darüber geführt, beim dem Paul stets den kürzeren zog. Sein Vater war ein strenger, hartherziger Mann, der absoluten Gehorsam und Disziplin forderte. Er hielt es für ein ekelhaftes Gelüst. Dabei ging es hier nicht allein um körperliche Freuden. Paul sehnte sich nach Liebe, der Liebe eines anderen Mannes. Sein Vater würde es nie verstehen. Mit dieser Schande sollte Paul seiner Meinung nach nicht leben müssen. Diese Meinung vertrat er und er würde nicht von ihr abweichen. Plötzlich sah er einen jungen Mann mit dunkelbraunem Haar, der sofort sein Interesse weckte und ihn aus seinen düsteren Gedanken riss. An der Fassade der Hauswand, aus dem der hübsche junge Mann aus dem Fenster sah, lehnte eine Holzleiter, die bis zum ersten Stock herauf reichte. Er liess einen anderen Mann aus seinem Fenster klettern. ,, Schnell verschwinde ", flüsterte er dem anderen Mann zu, der bereits auf den ersten Sprossen der Leiter stand. Er lehnte sich noch einmal hinein und küsste den schönen Fremden. ,, Julian mein Vater kommt gleich nach
Hause ", sagte er hektisch. ,, Bis dann, David ", hauchte er dem liebevoll lächelnden Mann am Fenster zu. Julian kletterte die Leiter hinab. Er grinste Paul frech an und ging davon. David sah Paul giftig an. ,, Was hast du für ein Problem?", rief er erbost. Paul ging auf ihn zu. ,, Ich habe kein Problem ", sagte er beschwichtigend.
,, Oh, du weißt es nicht?", sagte er belustigt. ,, Was meinst du, das du schwul bist?", fragte er unsicher.
,, Nein, das ich ein Ju
.... lass mich in ruhe ", sagte er kalt.
,, Tut mir leid ", erwiderte er sanft und lächelte. ,, Was willst du von mir?", fragte David irritiert. ,, War das dein Freund?", erwiderte Paul neugierig. ,, Was geht dich das an?", fragte er misstrauisch. ,, Ist schon gut, ich hab's verstanden. Ich soll verschwinden. Du gefällst mir halt ", sagte er amüsiert. ,, Tja, du mir nicht." Er schloss das Fenster. Paul bliebt noch einen Moment grinsend stehen und starrte zum verschlossenen Fenster hinauf. Allerdings verdeckte eine Gardine ihm den Blick. Er setzte sich langsam in Bewegung.
David wollte Paul nicht aus dem Kopf gehen. Irgendetwas zog Paul zu ihm. Er hatte diese bezaubernden rehbraunen Augen, die tief und traurig wirkten. Als hätten sie schon zu viel Leid gesehen. Und dieses umwerfende Lächeln erst. Wie konnte man einen Fremden so sehr vermissen. Er schlenderte durchs die Straßen und träumte vor sich hin. Seit langem war er wieder einmal fröhlich. Er fühlte sich leicht und glücklich. Lächelnd übertrat er die Schwelle zu seinem Zuhause, doch
seine Laune wurde sofort getrübt. Anna saß im Wohnzimmer mit ihrer Mutter und seinem Vater zusammen. Sie tranken Tee. ,, Was machst du hier?", fragte er genervt. Sie lächelte.
,, Wir reden über die Hochzeit." Richard sah seinen Sohn strafenden an. ,, Setz dich Paul ", sagte er streng. Paul setzte sich widerwillig. Frau Friedrich lächelte. ,, Ihr werdet so wunderschöne Kinder haben." Paul dachte darüber nach, dass es ihm wohl kaum gelingen würde, Kinder mit ihr zu zeugen. Alles sträubte sich in ihm. Er fand sie nicht anziehen, keine Frau. Davids Gesicht huschte wieder durch seinen Kopf. ,, Verzeiht mir bitte, ich hab etwas dringendes vergessen." ,, Paul!", rief sein Vater ihm wutentbrannt nach. Doch er liess sich nicht beirren. Er stand auf und ging aus der Tür. Er lief eine Weile umher, plötzlich stiess er unsanft mit jemandem zusammen. ,, Verfolgst du mich?", fragte David misstrauisch. Paul sah auf und erneut in seine wunderschönen Augen. Paul lächelte charmant. ,, Warum kannst du mich nicht leiden?", fragte er amüsiert. David sah ihn stur an. ,, Ich wette du bist in der Partei. Die haben gern so Leute wie dich, mit deinem hellbraunen Haar und deinen grünen Augen ", erwiderte er bitter.
,, Meinst du die NSDAP?", fragte er ratlos. ,, Ja was denn sonst?, fragte er trotzig. ,, Wieso bist du Jude?", fragte Paul amüsiert. Er hatte nicht darüber nachgedacht, dass es ihn wohlmöglich verletzten könnte. ,, Ich hasse dich, lass mich in Ruhe ", schrie David ihm entgegen. Paul hielt David am Arm fest und hob beschwichtigend seine andere Hand. ,, Ich hab nichts gegen Juden, ich bin auch nicht in der Partei und ausserdem mögen sie es lieber blond und blauäugig ", erwiderte er beschämt. David schnaubte verächtlich. ,, Das haben auch andere schon behauptet." David wollte sich losreißen und gehen, als Paul ihn in seinen Arm zog und küsste. David starrte Paul lange an. ,, Du bist verrückt ", David lächelte versöhnlich. Eine starke elektrisierende Anziehung lag zwischen ihnen in der Luft. ,, Was ist mit Julian?", hauchte er David zu und sah ihn fragend an. ,, Spaß, vielleicht würde er mehr wollen, doch das kann ich ihm nicht antun. Vielleicht begegnet man sich nochmal
Fremder ", sagte David sanft und ging.
,, Paul, ich heiße Paul!", rief er David hinterher. ,, Auf wiedersehen, Paul ", erwiderte er mit einem vielsagenden Lächeln.

Der Mann der einen Juden liebteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt