4. Benjamin und Franz

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Es war Zeit für das Abendessen im Haus der Familie Müller. Gerda stand am Herd und fragte sich wo ihr jüngster Sohn Franz abblieb. Er war ein neugieriges Kind, trieb sich oft rum und verspätete sich häufig. Oft war er mit seinem besten Freund Benjamin zusammen, doch das wollte ihr Ehemann Karl nicht mehr. Schließlich wusste man, dass er zu einer der jüdischen Familien der Gemeinde gehörte. Franz konnte dies überhaupt nicht verstehen, er hatte keine Ahnung davon was vor sich ging. Schließlich war er erst 9 Jahre alt. Benjamins Vater war ein Arzt gewesen und Karls bester Freund. Selbst das hielt ihn nicht davon ab sich von ihnen zu distanzieren. Seit Wochen stand ein rostiger Nägel an einer Schubladen heraus. Karl hatte so oft versprochen ihn zu entfernen. Er scherte sich nur noch ums saufen und seine Arbeit. Gerda hatte sich bereits daran geschnitten und der verdammte Husten wollte auch nicht weggehen. Doch sie versuchte es zu ignorieren. Plötzlich überkam sie ein heftiger Hustenanfall. Sie hielt sich ihr Stofftaschentuch vor den Mund, als sie hinein sah erschrak sie. Blut! Nur ein paar Tropfen bis jetzt, aber da war Blut. Doch sie konnte sich nicht lang damit beschäftigten. Franz kam fröhlich ins Haus gerannt. Sie erschrak und stieß gegen die Schublade. ,, Auuuuu!", schrie sie auf. Der tiefe Schnitt auf ihrer Handfläche öffnete sich erneut und blutete stark. Sie wickelte ein sauberes Geschirrtuch darum. Sie ging zur Tür. Er war über und über mit Matsch beschmiert und lachte lautstark. Gerda verzog missmutig das Gesicht.
,, Franz! Herrgott, wie sieht du wieder aus!" Sie wollte gerade auf ihrem Sohn zu gehen und die mit dem Geschirrtuch über ihrer Schulter das Gesicht ihres Sohnes abwischen, als sie Benjamin hinter ihm stehen sah.
,, Beni, wie geht's dir so? Hat dein Papa dich verhauen?" Er schüttelte seinen Kopf. Er war übel zu gerichtet worden. Seine Nase blutete und seine Lippe war aufgeplatzt. ,, Mama, die Jungs vom Hermann, die haben ihn verhauen! Ich hab Beni geholfen. Das hat niemand anders gemacht, nicht mal der Peter, der blöde Hund. Dabei war der mal unserer bester Freund."
,, Fluch nicht!", schallt ihn seine Mutter. Sie hatte große Angst, dass ihr Mann heim kommen und die Jungen zusammen sehen würde. Seit er in der Partei war, hatte er sich verändert. Oft trieb er sich rum und trank viel. Also würde er wohl nicht in der nächsten Zeit heimkehren. ,, Na kommt rein, Jungs." Sie liess den Kindern ein Bad ein und legte ihnen saubere Kleidung raus. Gerda steigen Tränen in die Augen, als sie die beiden zusammen planschen sah wie damals. Es war noch nicht so lang her. Sie zweifelte an allem was der Führer sagte, doch ihr Mann kämpfte mit seinen eigenen Dämonen und wollte nichts davon hören. Also lief er mit, wie ein Schaf seiner Erde hinterher. Es sei besser so, sagte er häufig. Es klopfte und klingelte wie verrückt. Gerda lief nach unten. Es war Ava Benjamins Mutter. ,, Hallo ", sagte sie unterkühlt, als Gerda öffnete. ,, Hast du mein Beni gesehen? Die Leute sagen, die Bälger vom Hermann haben ihn verdroschen und der Franz hat ihm geholfen und dann sind sie gemeinsam davon gelaufen. Manchmal verstehens die Kleinen besser als die Großen ", sagte sie giftig.
,, Ja, der Beni ist oben." Ava sah sie voll Schock an. ,, Hast du den Verstand verloren? Ist dein Mann daheim?" Gerda schüttelte den Kopf.
,, Wo denkst du hin. Er ist aus und säuft sich besinnungslos ", erwiderte sie gereizt. ,, Ava, meine liebe. Du weisst, dass ich nie zu lassen würde, dass er meinen oder auch deinem Kind was tut." Sie schob Gerda aus dem Weg. ,, Da bin ich mir nicht mehr sicher. Beni, Beni, wo bist du?" ,, Hier Mama ", rief er. Sie lief die Treppe hinauf. Die Jungen waren bereits aus der Wanne gestiegen und hatten sich angezogen. Ava kochte vor Wut.
Sie ohrfeigte Gerda. ,, Denkst du ich brauche deine Almosen. Dein verdammter Hurenbock von einem Mann hätte sich auch gegen Hilter aussprechen können, aber nein! Er wirft 20 Jahre Freundschaft weg und seine faulen Hintern zu retten und wie ein dummes Tier der Herde zu folgen. Wo ist Benis Kleidung?!"
,, Sie war dreckig und kaputt, weil die Jungs sich doch gerauft haben. Ava, ich hab's doch nicht so gemeint ", sagte sie unter Tränen. Sie hielt ihre schmerzende Wange. ,, Nun gut, ich werd's dir vor die Tür legen. Beni wir gehen." ,, Mama kann ich bei Franz essen? Ich hab so hunger und Franz hat gesagt ich soll bleiben." Er hatte oft bei den Müllers gegessen und zu Hause gab es nicht mehr viel seit sein Vater nicht mehr praktizieren durfte.
Ava schmerzte es sehr, dass sie streng sein müsste, aber besser er wurde sich jetzt von ihm trennen, als später. Es würde sicher nur schlimmer werden. ,, Nein Beni, heute nicht. Der Papa wartet auf uns." Beni sah sie trotzig an. ,, Ich hab aber so hunger und Frühstück hab ich auch nicht gehabt! Es gibt nur Suppe jeden Tag. Frau Müller hat Fleisch und Kartoffeln und Gemüse gekocht. Du kannst doch auch bleiben, Mama. Hast du keinen Hunger? Du isst doch manchmal gar nicht, wenn's nicht reicht." Ava liefen Tränen der Scham und des Mitleids ihrem Kind gegenüber über die Wangen, aber er sollte schweigen. Sie ohrfeigte ihn.
,, Sei still Benjamin! Es geht keinen was an. Die wollen uns nicht hier haben. Nur der Franz, der ist ein guter Junge. Wir gehen nach Hause!" Benjamin weinte. ,, Ich geh nicht", brüllte er seiner Mutter entgegen.
,, Komm oder es setzt was!", fuhr sie ihn an. ,, Sei froh, wenn ich es dem Papa nicht sag." ,, Seit Levi tot ist bist du nur blöd!", schrie Benjamin und rannte nach unten. Gerda war fassungslos. ,, Was ist denn passiert?!"
Levi war der älteste Sohn der Familie Rosenthal gewesen. Die älteste Tochter der Müllers, Lena und er waren sehr verliebt gewesen. Lena kam aus ihrem Zimmer gerannt. ,,Was hast du gesagt?! Das kann doch nicht wahr sein! Ich habe ihn überall schlecht gemacht, ich habe gedacht er hat mich verlassen!", schrie sie völlig hysterisch und brach weinend auf dem Boden zusammen.
Ava kniete sich zu ihr. ,, So Schweine wie dein Vater haben ihn getötet. Die haben die Synagoge angezündet, als noch Menschen drin waren. Levi war dabei und ist elendig verbrannt und hat gelitten. Er muss so gelitten haben. Die haben die Tür von außen versperrt und jeden der es irgendwie rausgeschafft hat erschossen. Da siehst du mal was du für einen tollen Vater hast, mein Mädchen!", zischte Ava wutendbrannt. ,, Aber ich hab ihn wirklich geliebt ", wimmerte Lena. Da tat es Ava schon wieder leid und sie umarmte das arme Mädchen, dass vielleicht ihre Schwiegertochter hatte werden können. ,, Sieh mal, der Ring gehörte meiner Mutter. Er wollte um deine Hand anhalten und war in der Synagoge, um nach Rat zu fragen. Aber es ist nicht deine Schuld, mein Kind. Hier nimm diesen Ring, erinnere dich an ihn und wenn du heiratest und....... wir dann noch da sind, dann bring ihn mir bitte zurück." Lena weinte unkontrolliert in Avas Armen. Sie nickte. ,, Ja, das mache ich. Vielen Dank, Frau Rosenthal." ,, Siehst du wie alle unsere Kinder leiden! Wegen Menschen wie deinem dummen Mann ", fauchte Ava. Sie drehte sich weg und wollte gerade nach nach unten gehen, als Gerda kaum hörbar und unter Tränen zischte:,, Glaubst du das weiß ich alles nicht! Das ist nicht mehr mein Mann. Mein Karl in den ich mich verliebt habe. Er ist nur noch ein versoffenes Monster, mir wird schlecht wenn ich ihn an seh. Wenn sich in der Nacht stinkend nach Bier auf mich legt. Aber auch wir wollen einfach nur überleben." Sie wollte Avas Schulter berühren, aber sie zog sie weg und zischte sarkastisch:,, Na dann hast du dich ja entschieden. Du armes Ding hast es ja so schwer." Sie lief die Treppe hinunter. Benjamin stand da und starrte seine Mutter wütend an. ,, Du bist so blöd und gemein!" Ava schnaubte wutentbrannt und ging zurück ins Haus, da die Tür immer noch offen stand. Sie ging in die Küche. Gerda kam gerade durch die Tür. Ava sah sie beschämt an. ,, Gib mir was zum Mitnehmen. Nur für den Jungen! Das schuldest du mir." Gerda packte etwas von dem Essen zusammen und reicht es Ava. ,, Danke." Gerda legte Ava ihre Hand auf die Schulter. ,, Du kannst gerne öfter vorbeikommen und euch etwas holen. Wir bekommen genug wegen der neuen Anstellung in Sachsenhau.......", sie schwieg. ,, Ich kann auf den Morderfrass verzichten! Nur mein Junge der kann es heute nicht." Ava ging nach Draußen, ohne sich noch einmal umzudrehen. ,, Beni, die Gerda hat mir was zu essen gegeben nur für dich." Benjamin weinte. ,, Ich wollte mit Franz essen!"
,, Beni, ich bin am Rand der Verzweifelung! Ich wollte nicht, dass sie uns Essen gibt, dass ist erniedrigend für mich, weil der Karl jetzt einer von dem bösen ist. Bitte, sei einmal lieb. Mama geht gar nicht gut, Beni und dem Papa erst Recht nicht. Verstehst du das nicht! Die werden uns umbringen, Beni! Sei nicht dumm!", schrie sie ihn an. Benjamin ging schweigend auf seine Mutter zu und nahm ihr die Schüssel ab. Er begann mit seinen Händen zu essen. Ava lächelte ihn an. ,, So ist Recht, mein Schatz, iss nur. Komm lass uns gehen." Benjamin ging los und aß weiter, während er lief.

Der Mann der einen Juden liebteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt