Kapitel 5- Und jetzt?

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So schnell wie mein vorheriges Selbstbewusstsein, welches mich übrigens selbst verwundert hat, gekommen war, war es dann auch schon wieder in Luft aufgelöst. Ich nahm passiv wieder die schüchterne Haltung ein und ließ mich regelrecht von Jo durch die Straßen leiten.
Was mache ich eigentlich gerade? Ich fühle mich, als würde ich Ty gerade gnadenlos betrügen, obwohl ich ja nichts falsches mache, oder? Oder irgendwie doch?

Gerade als ich drohte in eine Tiefe Schlucht aus Gedanken und Selbstzweifeln zu stürzen, riss mich ein abrupter Ruck wieder zurück in die Realität. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich wirklich komplett abgeschaltet habe und mich von Jo komplett habe führen lassen.

„Willkommen zurück, Madame." sagte sie mit einem leichten grinsen, aber doch fast schon einfühlsam.
Ich gab nur ein leichtes, bedrücktes Lächeln von mir, löste meine Augen von Jo und betrachtete die Umgebung, in die ich geleitet wurde. Ich war selbst verwirrt, dass ich trotz dieser Nähe zu ihr so sehr ihre Anwesenheit und mein ganzes Dasein ausblenden konnte, aber irgendwie gab es mir auch ein Gefühl von Geborgenheit.

Letztendlich fand ich mich in einem Park wieder, welcher von einem weiten, grünen Rasen und vielen verschiedenen Bäumen geziert war. In die Ferne schauend sah er prachtvoll und wunderschön aus, doch bei genauerem Hinsehen war der Rasen trocken, wies gelbe oder gar erdige Stellen auf und war von Ästen und trockenem Laub überhäuft.
Na wunderbar.

Irgendwie hatte ich erwartet, dass Jo wieder einen Kommentar abgeben wird, ihre Wahl bezüglich des Parks begründen wird oder generell einfach etwas sagen würde, aber sie schwieg. Ich drehte mich wieder in ihre Richtung und wurde sofort in einen Bann ihrer Augen gezogen. Sie beobachtet mich.

„Also?" bringe ich mit leicht zittriger Stimme hervor und hob eine Augenbraue um meine Frage zu unterstreichen, ohne weitere Worte sprechen zu müssen, die meine Nervosität weiter verraten könnten.

Ohne weiteres nimmt sie einen Arm aus ihrem Rucksackträger, schwingt ihn halb um sich, so dass er nun an ihrem Bauch liegt und öffnet ihn. Dann holt sie einen bunten, zusammengeknüllten Stoffhaufen raus und schaut mich warm lächelnd an. In meiner anhaltenden Überforderung und Verwirrung brauche ich einige Sekunden, um diesen bunten Haufen als Decke bzw. Picknickdecke zu entziffern.

Jo wirft nun ihren Rucksack ganz zu Boden und weitet die Decke direkt vor meinen Füßen aus. Dann kramt sie noch eine kleine schwarze Musikbox aus ihrem Rucksack und nimmt auf der Decke Platz. Für einen Moment war ich gewillt jetzt einfach wegzurennen, Nachhaue oder zu Ty, und das alles hier zu vergessen. Ich meine, was will ich denn hier?

Aber dann schwenke ich meinen Blick wieder auf sie und verspüre ein Kribbeln in mir, welches ich nicht zu deuten vermag. Wie soll ich denn herausfinden, was hier gerade mit mir passiert, wenn ich eine Mauer zwischen mir und ihr- und damit auch diesem Etwas in mir aufbaue? Ich raffe mich schlussendlich zusammen, setze mich ihr gegenüber und mustere sie, während sie kurz etwas am Handy tippt. "Erzähl mir was von dir" höre ich dann, wobei ihr Blick mir verrät, dass sie nicht diejenige war, die die Frage ausgesprochen hat-sondern ich? Seit wann um Gottes Willen kann ich denn bitte eine Art small-talk führen?!

Kurz stand auch ihr die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, ehe sie jedoch beginnt, immer mehr zu grinsen und sich ihre Augen weiter öffnen. "Na wenn ich nicht gerade arbeiten bin-du weisst ja wo-, hänge ich mit Freunden ab oder verbringe Zeit mit Alberto."

Vermutlich hat sie meinen verwirrten Blick auf Anhieb bemerkt, denn sie beginnt auf einmal lautstark zu Lachen.

„Ist da etwa jemand eifersüchtig?" fragt sie aus ihrem kleinen Anfall heraus, was mich nur weiter in Verlegenheit versetzt.
„Mach dir keinen Kopf, Alberto ist mein Hund. Kein Typ, falls das dein Gedanke gewesen sein sollte." erklärt sie, und wirft mir noch ein Zwinkern hinterher.

„Hast du ein Bild?" frage ich, das Zwinkern ganz offensichtlich ignorierend.
Sofort hält sie mir mit einem warmen Lächeln ihr Handy entgegen, woraus mich
ein süßer kleiner Boxer-Welpe anstarrt. Naja, vielleicht kein Welpe, aber sicher auch noch nicht ausgewachsen.

„Das ist er. Mittlerweile ist er schon etwas größer aber noch genauso verspielt und bekloppt wie damals. Was denkst du?"

„Er ist süß. Eigentlich machen mir größere Hunde Angst aber er wirkt irgendwie so verspielt süß und lieb. Wo ist er gerade?"

„Tatsächlich ist er gerade bei meiner Ex. Als ich ihn bekommen habe waren wir noch zusammen und da er sie sehr gerne gemocht hat, wollte ich ihnen den Kontakt nicht verbieten. Ist ja quasi wie ein Kind, genauso teilen wir uns einfach das Sorgerecht mit ihm."

'Meine Ex' 'wie ein Kind' 'Sorgerecht'
Wiedermals war ich überfordert, obwohl da doch eigentlich nichts dabei ist, oder?

„Und deine Ex... wer ist sie?"
Omg Sofia, fällt dir nichts besseres ein?!

Jo zieht die Augenbrauen hoch und sieht mich musternd an, bis sie beginnt immer breiter zu grinsen. „Was willst du wissen, hm? Habe ich Sie geliebt? Ja. Immer noch? Nein. Wie lange waren wir zusammen? 2 Jahre. Hassen wir uns jetzt? Nein. Sehe ich sie noch regelmäßig? Ja. Könnte sie uns im Weg stehen? Niemals."

Den letzten Satz betonte sie extra flirty und grinste mich schelmisch an.
uns steht gar niemand im Weg, denn ein uns gibt es nicht." antwortete ich nur ablehnend, wobei sie mich nur herausfordernd anschaute.

„Ich wüsste da wen." gab sie leicht nuschelnd zurück und widmete sich nun der Musikbox, offensichtlich um das Thema zu wechseln. Dafür war ich ihr sogar tatsächlich dankbar.

„Na dann lass uns doch mal sehen, was du so hörst." sagte sie, griff nach meinem Handy und hielt es mir hin, um den Code einzugeben. Ich zögerte kurz aber tippte ihn dann einfach ein. Aus einem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sie die Musikapp öffnete, ewig die von mir erstellten Playlists durchscrollte und letztendlich die Playlist „breath and think" auswählte.

Sofort ertönte das Lied „Grateful" von Mahalia. Es ist ruhig aber wunderschön. Auch Jo schien es zu gefallen, denn nach den ersten paar Sekunden begann sie zu lächeln, drehte sich auf der Decke und legte sich hin. Ich machte es ihr gleich und so lagen wir nun einfach da, lauschten der Musik und schwiegen.

Irgendwie war die Situation komisch, aber dennoch fühlte es sich richtig an. Ich weiß nicht genau was das alles hier ist, und was das zwischen uns ist. Aber Jo hat etwas, und ich möchte wissen was das ist. Ich möchte es herausfinden und erfahren, warum es sich so auf mich auswirkt, warum ich Gefühle spüre, die ich so noch nie gespürt habe. Nicht einmal mit Ty, wobei gerade das mir große Sorgen bereitet...

SofiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt