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Die Nacht altert, der Himmel ist halb leer verblasst und die Sterne schon beinahe verschwunden.

Atlas und Cedar liegen nebeneinander im Sand und Atlas erzählt ihm mit leiser Stimme über die Nachtviolen, die auf naheliegenden Wiesen wachsen, darüber wie sie nachts nach traurigen Träumen duften und davon, wie die Sterne standen, als er noch ein Kind war.

»Ist das hier wirklich?«, fragt Cedar in die beginnende Stille hinein.

Der Mond kommt hinter weichen Nachtwolken hervor, geisterhaft und fahl verschleiert in der Mitternacht und fällt auf Atlas warmes Gesicht, als er antwortet:

»Was kann wirklich sein, solange es vergänglich ist?«

Die Welt ist ruhig geworden, die Musik war schon vor Stunden verstummt und selbst das Meer ist zu unbeweglichem Glas zerflossen, ein Spiegel nur von milchigem Mondlicht.

»Du und ich«, antwortet Cedar leise, »Vielleicht sind wir beide in diesem Moment unvergänglich, solange wir uns an ihn erinnern.«

Atlas runzelt die mamorblasse Stirn und schaut hinauf in den Himmel.
»Versprich mir«, wispert er,
»dass du mich nicht vergisst.«

Cedar schüttelt vorsichtig den schweren Kopf. Er würde es ihm gerne versprechen, würde ihm trotz seiner Fremdheit die Sterne vom Himmel singen oder Schlaflieder über das Meeressalz, das er noch immer auf der Zunge schmecken kann.

Aber Cedar hat keine schöne Stimme, sondern nur seine Gedichtschreiberhände, die er erneut wortlos in Atlas’ schweren Locken vergräbt, bis der Tag über dem Meer heranreift und ihre namenlose Göttlichkeit zu flüchtigem Vergessen vergeht.

abendwelkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt