Kapitel 8-1

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David schlenderte durch die weiten Flure der Anlage. Alles hier war so unermesslich groß und wirkte auf ihn futuristisch. Wenn er an ihre Station, mit den heraushängenden Kabeln und den Generatoren, die langsam den Geist aufgaben dachte, dann konnte er sich nur schwerlich vorstellen, dass hier ebenso Menschen lebten.

Hier drin stand die Zeit still. Die Crewmitglieder hatten offenbar einen eigenen Rhythmus entwickelt, wie sie ihren Tagesablauf hinter sich brachten. David konnte sich nur daran orientieren, ob er müde war. Und das wurde er ständig bei all der Tatenlosigkeit. Viktor hatte sich einen Termin bei dem Basisführer Admiral Lee organisiert. Er hatte darauf bestanden, alleine mit ihm zu reden. Ungewohnt, dass er sich derartig hervortat. Aber Eddie hatte ihm nahe gestanden, vielleicht wollte er es für ihn tun. Trotzdem ärgerte es ihn, dass er als Führer ihrer Einheit außen vor blieb.

Er ließ sich auf eine der umherstehenden Bänke fallen und beobachtete das Programm im gegenüberliegenden Fernseher. Aus Gesprächen mit den Crewmitgliedern wusste er, dass hier ein Ausschnitt des Programms aus der Zeit ihrer Abreise abgespielt wurde. Teilweise auch alte Spielfilme. Doch was für die Menschen hier nicht mehr aktuell war, war für David gewissermaßen Zukunft. Es lief ein Bericht über den sogenannten Polsprung, der jegliche Elektronik auf der ganzen Welt vernichtet hatte. Das war der Anfang vom raschen Aufstieg der Lilim gewesen. Offensichtlich litt man zur Zeit des Abflugs noch immer unter den Nachwirkungen. Was für eine schreckliche Vorstellung. Kaum ein Verteidigungssystem arbeitete noch ohne Computer. Die Menschen mussten einfach überrannt geworden sein.

„Hey, keine Zeit zum Ausruhen", sprach ihn jemand von der Seite an.

Nami hatte sich neben ihn gestellt. Sie verschränkte die Arme über der Brust und sah abschätzend zu ihm herab. Der Gedanke an ihre letzte Begegnung ließ ihn zurückweichen.

„Wir müssen reden", fuhr sie fort.

„Daran habe ich ehrlich gesagt keinerlei Bedarf."

„Gut, ich will mit dir reden, also tu es gefälligst!"

Ihr Blick verriet ihm, dass sie gerne dazu bereit war, ihre Aufforderung zu verdeutlichen.

„Willst du das, oder das Ding in deinem Schädel?", fragte er mit merklicher Verbitterung.

Sie zeigte ihm ihren Hinterkopf, wo immer noch das verkrustete Blut an ihren Haaren klebte.

„Ich will es."

Einer der Gewöhnlichen kam mit einer Kiste voller Werkzeuge vorbei. Nami sah ihm aus den Augenwinkeln nach, bis er außer Hörweite war.

„Also wenn du willst, dass das keiner hört, sollten wir vielleicht woanders hingehen", sagte David. Er zeigte auf eine nur schwach kaschierte Linse, die ihre Umgebung filmte.

„Der gesamte Komplex ist überwacht. Aber bis das jemand überprüft, sind wir schon lange weg."

„Was soll das heißen, wir sind weg? Viktor hat gerade ein Gespräch mit Admiral Lee. Ich will mir ja keine falschen Hoffnungen machen, aber ich halte das für ein gutes Zeichen."

Sie ließ sich auf der gegenüberliegenden Bank nieder und schüttelte seufzend den Kopf.

„Kann sein, dass Lee euch unterstützen würde, aber das wird wenig helfen."

„Er ist der Oberbefehlshaber."

„Offiziell – ja. Weißt du, ein Teil dieser Crew hier besteht nicht aus gewöhnlichen Menschen."

Er bedachte ihre Haare mit einem deutlichen Blick. „Das haben mir hier schon einige gesagt. Aber die Ahnungslosen wissen nicht genau, was ihr seid und die, die es wissen, prahlen nicht eben damit."

„Du musst nur so viel wissen: Diese besonderen Menschen nennen sich die Kinder des Ares. Wir stammen aus einer Stadt, die tief unter der Erdoberfläche liegt und ursprünglich als Forschungszentrum gedacht war. Nachdem unsere Zivilisation dort unten als einzige gegen den Polsprung abgeschirmt war, gewannen wir zunehmend an Einfluss", sagte sie mit einem Fingerzeig zum laufenden Fernsehprogramm.

„Ihr seid also die inoffiziellen Herrscher der Menschheit?" David musste über seine eigene Aussage lachen.

„Derzeit unterstehen wir noch immer der Nordamerikanischen Liga. Darum wird auch diese Mission hier von denen geleitet, auch wenn das Equipment aus unserem Hause kommt. Aber wir haben hier nach etwas gesucht, das sich Conscientum nennt. Es ermöglicht uns Maschinen mit Bewusstsein zu bauen. Diese sollen zukünftig die Menschheit beherrschen."

„Das klingt ziemlich aberwitzig. Und nun bist du reuevoll geworden und möchtest das verhindern? Du hast doch selbst ganz gut unter der Herrschaft eines Computers gelebt."

„Die werden uns alle durch sie ersetzen."

„Was hätten sie davon?"

„Sie werden sich selbst mit Hilfe dieses Stoffs unsterblich machen und ewig herrschen. Das scheint für manche ein erstrebenswertes Ziel."

„Also gehst du davon aus, dass sie unsere Leute hier früher oder später exekutieren würden?"

„Oder sie sinnlos in den Tod schicken. Es würde jedenfalls keinen Sinn machen, sie auf die Erde mitzunehmen."

„Warum sollte ich dir das alles glauben?"

„Ich könnte dich dazu zwingen."

„Aber du tust es nicht."

„Das sollte dir als Beweis genügen", meinte sie in endgültigem Tonfall und positionierte sich breitbeinig mit verschränkten Armen vor ihm.

David rieb sich die Augen. Ihre Enthüllungen zermürbten seinen ohnehin schon erschöpften Geist noch mehr. „Hast du einen Plan?"

„Es gibt ein großes Transportschiff außerhalb der Basis. Damit sollte das Gold von diesem Planeten transportiert werden. Tatsächlich wird es wohl eher der Speicher für das abgebaute Conscientum sein. Darin könnten wir deine Leute transportieren."

„Warum hilfst du uns? Was interessiert dich das alles?"

Sie fuhr sich durch das Haar, lehnte sich zurück und starrte auf das flackernde Fernsehbild. „Ich schulde dir was – du hast mich indirekt von diesem Chip befreit." Sie sah ihn ernst an. „Eine Hand wäscht die andere."

Die Kinder des AresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt