Kapitel 4-2

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Sie wünschte sich, man hätte ihr wenigstens ihre Stiefel gelassen. Bei jedem Schritt stachen ihr Steine oder Dorngestrüppe durch die bloße Haut. Zu ihrem Glück bewegte sich David äußerst ungelenk, weswegen sie trotz dieser Behinderung mithalten konnte.

„Wie haben Sie mich gefunden?"

„Ich bin dem Tunnel gefolgt und hatte dann einfach Glück."

„Kein Widerstand?"

„Ausgeschaltet."

Erst jetzt fiel ihr die Waffe in seinen Händen auf. Er musste sich eins ihrer Druckluftgewehre ausgeliehen haben. Auf ihrem Weg kamen sie an verschiedensten Kadavern von Lilim vorbei.

„Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut", sagte Nami.

„Ist mein täglich Brotwerk."

Sie kamen an dem frisch gegrabenen Tunnel an, der steil nach oben führte. David befestigte die Waffe an seinem Anzug und begann den Aufstieg. Seine Bewegungen wirkten so abgehackt und unsicher, dass Nami befürchtete, er könnte herunterfallen. Schulterzuckend folgte sie ihm. Wäre sie vor ihm gewesen, hätte sie ihn sogar, barfüßig wie sie war, abgehängt.

„Bewegt ihr euch alle so staksig?"

Er sah zu ihr herunter und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ich wurde kürzlich erst aus der Gefriertruhe geholt. Und die hohe Gravitation hier macht mich verrückt."

„Ihr seid rund dreihundert Jahre vor uns gestartet", antwortete Nami merklich verwirrt.

„Ja und wir wurden immer erst nach Bedarf aus dem Kryoschlaf genommen."

Das klang selbst für Nami ein wenig makaber. Andererseits, bedachte man die kurze Lebenszeit gewöhnlicher Menschen, eine Notwendigkeit. Außer sie hätten sich auf Namic fortgepflanzt. Derartig mit ihren Gedanken beschäftigt, bemerkte sie nicht, dass ihre Hand nach einem losen Stein griff. Sie fiel und schlitterte nach unten. Ihre rechte Seite schrammte über den rauen Stein, während ihre Hände über die Wände rutschten, um Halt zu finden.

In eine Lücke konnte sie Zeige- und Mittelfinger pressen. Ein höllischer Schmerz durchzuckte ihre Handwurzel unter der plötzlichen Belastung.

„Alles in Ordnung da unten?"

David kletterte zurück in ihre Richtung. Nami biss die Zähne zusammen, versuchte den Schmerz zu beherrschen. Sich festzuhalten kostete sie all ihre Kraft. Ihre Linke suchte fieberhaft nach einem besseren Griff. Aber da war nichts. Als hätte man den Tunnel an dieser Stelle glattgeschmirgelt. Ihr Bein konnte die andere Seite nicht erreichen, um sich durch Druck an Ort und Stelle zu fixieren. Unter ihren Fingern begann sich die Haut zu lösen. Nicht loslassen, der Gedanke beherrschte all ihr Tun, auch wenn es ausweglos war.

„Ihre Schulter blutet."

Er packte grob ihren Arm zog sie nach oben.

„Es wird nicht besser, wenn Sie daran ziehen", zischte sie zur Antwort, ehe sie nach Davids Oberkörper griff und die Aufwärtsbewegung unterstützte. Er hatte sich ein Stück weiter oben zwischen den Wänden eingekeilt. Sie spürte seine Beine unter dem zusätzlichen Gewicht zittern. Dennoch protestierte er nicht, als sie sich wie eine Ertrinkende an ihn klammerte. Ihr Herz, dessen hektischen Schlag sie gar nicht bemerkt hatte, beruhigte sich langsam wieder. Dann wurde ihr klar, dass sie splitternackt an einem fremden Mann hing. Ihre Beine umklammerten seinen Oberschenkel. Sie spürte peinliche Röte in ihr Gesicht steigen und machte sich wieder an den Aufstieg.

„Besser Sie bleiben ab jetzt vor mir. Nur für den Fall, dass Ihnen das noch mal passiert."

Der Gedanke gefiel ihr überhaupt nicht, andererseits warum sollte sie diesen Vorteil nicht nutzen? Sie kletterte behände voran, um Abstand zu gewinnen. Zwar war der Großteil ihres Körpers noch mit der klebrigen Masse bedeckt, aber von unten zwischen die Beine gesehen zu bekommen, bereitete ihr dennoch Unbehagen.

Die Kinder des AresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt