39| Haifischbecken

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Killian

Dieser Anzug kratzte teuflisch. Es fühlte sich falsch an, so etwas Teures zu tragen. Als wäre ich ein Betrüger, der eine Verkleidung trug. Ich zog an meinem Kragen, um ein wenig Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen, als Ezra, zum wahrscheinlich dritten Mal, unruhig hin und her rutschte. Ich sah kurz zu ihm hinüber. Seit wir im Auto saßen, hatte keiner von uns etwas gesagt. Das einzige, was man hörte, war der Motor und Joey, der hin und wieder ein Lied im Radio mit summte.

Vielleicht hatte ich diesmal zu sehr gereizt?
Ach Bullshit. Ezra fuhr sich durch die Haare bevor er wieder begann seine Hände durchzukneten als wären sie Teig. „Für jemanden, der so selbstbewusst ist, knickst du ziemlich schnell ein.", stellte ich fest und verschränkte die Arme. Der Stoff spannte sich. „Was meinst du?" Er sah nicht zu mir. „Du bist nervös."
„Bin ich nicht!" Ich hob wissend eine Augenbraue, als sein Kopf zu mir schnellte. „Sieh mich nicht so an.", murmelte er.

„Ich seh dich an, wie ich will!"
Er schnaubte, aber seine Schultern entspannten sich ein wenig. Er sah gut aus in dem Anzug. Ich dachte an die Fotos, die ich gesehen hatte, als ich ihn nach unserer ersten Begegnung gegoogelt hatte. Es schien seine zweite Haut zu sein. Mein Blick huschte hinab an seiner Krawatte, auf die Brust, die sich schwer hob.
Ich wandte den Blick ab. „Hast du so eine Angst, dass ich dich blamiere?"
„Nein, ich bezahle dich dafür, dass du mich blamierst. Ich habe angst ..." er brach ab und ich stützte meine Ellenbogen auf meine Knie. Sah ihn abwartend an. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder. „Mein Vater ist gefährlich."
Ich schnaubte, „Meiner auch."
Auch, wenn wir wahrscheinlich von zwei unterschiedlichen Arten von gefährlich sprachen.

Er schüttelte den Knopf. „Nein, du verstehst nicht. Er ... er lässt Menschen verschwinden, die ihm nicht passen."
Ich hob ungläubig eine Augenbraue. „Ich werde nicht verschwinden." Er sah mich eine Weile an. Das Klicken des Blinkers. Ein entferntes Hupen. Dann...
„Du verstehst es nicht." Vielleicht tat ich das nicht. Aber das musste ich auch nicht. Ich hatte mich mittlerweile mit der Situation abgefunden und wusste, was ich zu tun hatte. Ein Coldwell machte mir keine Angst.

„Jedenfalls ... Überlass mir das reden." Er holte stockend Luft. „Du bist nur ein Mittel zum Zweck, also überlass mir das reden. Und Killian", er sah mich mahnend an. „Provoziere ihn nicht! Deine bloße Anwesenheit ist bereits eine Provokation. Für das erste Treffen reicht es, wenn du stumm lächelst."
Hm.", ich lehnte mich zurück in den Sitz. Leicht verdientes Geld. Aber ...

„Heißt das etwa, du machst dir Sorgen um mich?", ärgerte ich ihn und wartete ein wenig zu gespannt auf seine Reaktion.
„Sei nicht albern." Seine grauen Augen wirkten dunkel im Schatten des Autos. „Ich mache mir lediglich Sorgen um die Mission."
Die Mission. Ah.

„Dann hast du ja keinen Grund nervös zu sein."
Er lachte trocken auf. „In deiner Gegenwart gibt es immer einen Grund, sich Sorgen zu machen."
Meine Mundwinkel zuckten, als ich aus dem Fenster sah.
„Diesmal nicht. Heute Abend gehöre ich ganz dir. Also benutz mich so viel du willst."

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Das Coldwell Anwesen war ein verdammter Palast! Ein riesiges Gebäude, verschnörkelt und edel, als würde gleich eine Prinzessin die vielen Stufen, die zum Eingang führten, hinunterlaufen und ihren Schuh verlieren. Die Tür knallte erneut, als Ezra ausstieg und neben mich trat.
„Hier bist du aufgewachsen?", fragte ich ungläubig und sah zu ihm hinüber.

Sein Gesicht war seltsam starr, als wäre er zu Eis geworden.
„Ja ... hier bin ich aufgewachsen." Bevor ich fragen konnte, ob es hier auch Geheimgänge und Geister gab, schritt er vor ran, zu der Treppe. Ich fluchte und folgte ihm.

Drinnen sah es sogar noch prunkvoller aus als von außen. Weiße Marmorwände, riesige Fenster und Dekoration, die wahrscheinlich mal einem König oder so was gehört hatte. Menschen in vornehmen Klamotten strömten den Gang entlang, in Richtung Party.

Das war also eine Coldwell Gala.

Ich sah an mir hinab, fühlte mich auf einmal albern in dem Anzug, der nicht mal mir gehörte. Zerrte an der Krawatte, die ich nicht mal selbst binden konnte. Eine warme Hand an meinem Rücken holte mich zurück. Ich sah zu Ezra.

Seine Kälte war verschwunden, nun war sein Gesicht zu einem freundlich Lächeln verzogen, das nicht hätte falscher sein können. Auch das erinnerte mich an die Bilder in den Artikeln. Es war sein professionelles Lächeln, das was die ganze Welt von ihm erwartete.

Ich hasste es.

„Bereit?", fragte er mich und harkte sich bei mir unter. Ich reckte mein Kinn. „Lass uns eine Party crashen."

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Die Leute hatten zwei Reaktionen, sobald mich Ezra als seinen festen Freund vorstellte. Entweder sie sahen uns verachtend an, sobald sie realisierten, dass wir schwul sind ...
Oder sie warteten bis ich sagte, als was ich arbeitete, wo ich wohnte, oder was meine Eltern taten.

Ezra hatte recht gehabt. Ein Green war, laut den Blicken dieser superreichen Leute, das Schlimmste, was einem jungen, aufsteigenden Coldwell passieren konnte. Aber ihre Worte blieben, meistens, zweideutig. Keiner wagte es uns ins Gesicht zu sagen, was sie von unserer Beziehung hielten.

In dieser riesigen Halle, die einem Ballsaal glich, voll mit Verzierungen und Kronleuchtern, schienen nur Menschen zu sein, deren Monatsgehalt ein ganzes Land kaufen könnte. Die Elite.

Und Ezra...
Er behielt sein Lächeln, auch wenn ihre Worte hässlich wurden. Er tat so, als würde er die stichelnden Bemerkungen nicht hören. Ich fragte mich, wieso er nicht genauso geworden war, wie die anderen in diesem Raum. Warum er noch menschlich schien.

Ich verstand nun, warum er es so hasste. Warum er alles tat, um sie zu provozieren. Es machte, auf eine sadistische Art und Weise, Spaß dabei zuzusehen, wie ihre Gesichter ihre Farbe verloren. Wie ihre Augen sich weiteten, als wäre es eine Schande, dass sich jemand aus ihren Reihen mit einem normal sterblichen abgab.

Ezra hatte mich gerade einem älteren Ehepaar vorgestellt, Besitzer einer bekannten Computerfirma, die sich entschuldigten, weil sie noch ein Geschäft zu klären hatten. Dabei war es deutlich, dass sie sich nur nicht mit dem Abschaum der Coldwells auseinandersetzten wollten.

Ich hatte nie gewusst, wie sehr sie ihn vermieden. Wie sehr er am Rand stand. Keiner redete mit uns länger als 10 Minuten.

Als wir dabei zusahen, wie sie in der Menge verschwanden, verrutschte seine Fassade. Müde fuhr er sich über seine Augen. „Alles ok?"
Er nickte erledigt. „Das war erst der Anfang. Der Endgegner steht uns noch bevor."
Sein Vater.

Sobald wir den Saal betreten hatten, hatte ich gewusst, wer sein Vater war. Er war das Zentrum des Geschehens. Wenn sie Ezra vermieden, dann wurden sie von Harold Coldwell nur so angezogen. Er war groß, sein Anzug saß perfekt, und sein Haar, welches grau schimmerte, war nach hinten gekämmt.

Vom Rande des Saals beobachtete ich ihn. Wie er sein Champagnerglas in die Luft riss und lachte. Wie er nickte, während er einer Geschichte lauschte. Er hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Ezra.

Gerade als ich wegsehen wollte, schien er mich zu bemerken. Wie ein Hai seine Beute nahm er mich ins Visier. Wir waren gut 20 Meter voneinander entfernt, dennoch schien sein Blick genau mich zu durchbohren.

Er lässt Menschen verschwinden, die ihm nicht passen.

Ich hielt seinem Blick stand und begann zu lächeln.

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✍🏻: Frohe Feiertage!

Bad Influence [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt