„Wow ... du bist eine atemberaubend schöne Braut, Lea" Ich bestaunte meine Freundin in ihrem wunderschönen Brautkleid, dann schloss ich sie in eine feste Umarmung. Dicht an ihrem Ohr flüsterte ich ihr zu, wie sehr ich mich für sie und ihren Frischangetrauten freute.
Die letzten vier Jahre waren ein großes Hin und Her gewesen, was letztlich der Dekade zwischen ihnen zu verdanken war. Und doch waren sie nun hier und hatten sich das Ja-Wort gegeben. Das Ja-Wort, das ich verpasst hatte.
„Es tut mir schrecklich leid, dass ich eure Trauung verpasst habe", sagte ich schuldbewusst und ließ Lea wieder frei.
„Das sollte es auch", erklang auf einmal eine bekannte Stimme neben uns. Mark war neben uns getreten. Auch er sah in seinem schwarzen Anzug und den Freudestrahlenden Augen großartig aus. Er gab seiner Frau einen liebevollen Kuss auf die Wange, dann sah er mich böse an. Würde ich ihn nicht schon eine Weile kennen, hätte ich es für seinen Ernst gehalten.
„Lea hätte beinahe die Hochzeit abgesagt, nur, weil du nicht da warst", sagte er amüsiert und vorwurfsvoll zugleich. Sein Blick fixierte dabei noch immer den meinen.
„Ich hab ein bisschen das Flattern bekommen. Das kann nun mal passieren." Lea lachte und legte beschwichtigend eine Hand auf Marks Brust.
Man sah in jeder ihrer Gesten und jedem gesagten Wort welch Vertrautheit und Zuneigung sie für einander empfanden. Ich freute mich aufrichtig für meine Freunde, aber ich konnte nicht verhindern, dass sich ein Anflug von Neid in mir bemerkbar machte.
„Wir sind auf jeden Fall froh, dass du es trotz all der Pannen geschafft hast." Lea schenkte mir ein warmes Lächeln und zog mich in eine weitere Umarmung.
Es schüttelte mich bei der Erinnerung an die letzten drei Stunden. Ein Unfall hatte für die Sperrung einer der großen Hauptstraßen geführt. Das wiederum führte zu einem fast zwei stündigen Stau. Kaum aus dem Stau draußen, hatte mein Taxi eine Panne gehabt. Und schlussendlich war ich zu allem Übel mit einem meiner Absätze im Asphalt stecken geblieben, hatte meinen Knöchel verdreht und mich noch an Ort und Stelle von den verhassten Schuhen getrennt.
Nun barfuß vor meinen Freunden stehend waren alle Zweifel, ob ich überhaupt hätte kommen sollen, verschwunden. Allein Leas Freude über mein Kommen war Grund dafür. Ihr zu Liebe würde ich diesen Abend unter lauter fremden Menschen irgendwie hinter mich bringen.
Nachdem ich meine Glückwünsche ein weiteres Mal an beide aussprach, schlich ich mich so unauffällig wie möglich davon, um den frischgebackenen Brautpaar wieder ein wenig Zeit für sich zu geben.
Dies war nicht meine erste Hochzeit und doch fühlte ich mich in diesem großen Saal mit all diesen mehr oder weniger fröhlichen Menschen ein wenig hilflos und Außen vor. Ich hätte Claires Angebot annehmen und sie mit auf die Hochzeit nehmen sollen.
Um der Hilflosigkeit ein wenig entgegenzuwirken machte ich mich auf dem Weg zum Buffet. Sie mussten es kurz vor meiner Ankunft eröffnet haben, den ich war nicht die Einzige, die sich etwas von dem köstlich aussehenden Essen auf den Teller legte. Scheinbar hatte ich weit mehr als die Trauung verpasst.
„Sind Sie eine Freundin von Lea?"
Überrascht drehte ich mich zur Seite und sah einer Frau mittleren Alters entgegen. Obwohl ich der Frau mir gegenüber noch nie persönlich begegnet war, wusste ich, dass es sich bei ihr um Leas Mutter handelte. Die Ähnlichkeit war unverkennbar. Zudem hatte mir Lea einmal Fotos von ihr gezeigt. Sie lächelte mich freundlich an und ich erwiderte es.
„Das bin ich", antwortete ich ihr. „Lea und ich haben uns während unserem gemeinsamen Studium auf der Juilliard kennengelernt." Ich konnte selbst kaum daran glauben, dass das mittlerweile schon sechs Jahr her war.
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Scherbenherz - Teil 2
RomansaSieben Jahre nach ihrem tränenreichen Abschied kreuzen sich die Wege beider Frauen ein weiteres Mal. Ausgerechnet auf einer Hochzeit ...