Scharlachroter Schmetterling

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Flashback

Ich konnte mich noch genau an den Tag erinnern, andem meine Schwester und ich uns das Versprechen gegeben hatten. Auch konnte ich mich an dieses schreckliche Ritual erinnern. May war schon immer schwach gewesen. Seit Geburt an. Doch als wir vierzehn wurden, hatte es das Limit erreicht. Wenn nicht etwas passieren würde, würde sie sterben. In unserem Dorf gab es ein altes Zwillingsritual. Wenn wir es durchführen würden, wäre May gerettet und wir könnten für immer zusammen sein.Doch ich schreckte ich zurück. Ich würde meiner Schwester niemals soetwas antun. Aber ich wollte May auch nicht verlieren! Es war schon immer ihr größter Wunsch gewesen für immer bei mir zu sein. Also stimmte ich zu, für sie.         

Es war das schrecklichste was ich je erlebt hatte. Es war späte Nacht und alle hatten sich im Tatami-zimmer des Operpriesters versammelt. Sie trugen dunkelrote Kimonos, Masken und Stahlstäbe. Die ältesten des Dorfes stimmten einen seltsamen Singsang an.May und ich standen vor der geschlossenen Tür, hielten uns stumm an den Händen und warteten bis die Tür aufglitt. Wir trugen schwarze Kimonos, die mit einem scharlachrotem Band verbunden waren. Dann betraten wir den düsteren Raum.       

In der Mitte stand ein Altar. Links und rechts davon standen die Dorfbewohner und bildeten eine Gasse, durch die wir liefen. Die Stimmen der Priester schwebten über uns. May legte sich auf den Altar. Ich, ich kniete über ihr. Die Stimmung im Raum war bedrohlich. Dunkel. Der Singsang wurde lauter und die Stäbe wurden taktvoll auf den Boden gedonnert. Rotes Licht drang aus den angezündeten Laternen, auf denen Schmetterline abgebildet waren. Hunderte von denen standen im Raum und in ihren kleinen Papierkörpern hallte der Gesang der Priester wieder.        

"Bitte.", flüsterte May. Ich fing an zu weinen. Ich wollte das nicht. Meine Tränen tropften auf May's Wangen.         

"Mio, ich will nichts auf der Welt mehr als bei dir zu sein. Bitte.", flüsterte May wieder und wischte die Tränen aus meinem Gesicht, obwohl sie jetzt selber stumm weinte. Ich beugte mich über sie und legte meine Hände um ihren Hals.

"Ich doch auch May.", flüsterte ich zurück und wieder liefen mir Tränen leise übers Gesicht.

"Du warst schon immer die Stärkere von uns beiden. Und ich habe diesen Moment herbei gesehnt. Bitte, Mio.", sagte sie mit ihrer liebevollen Stimme. Die grausame Musik wurde noch lauter. Es war als würde die ganze Welt vibrieren.

"Ich liebe dich May, bitte verzeih mir.", dann küsste ich sie und schloss die Augen. Der Gesang wurde noch lauter und die Glöcklichen an den Stäben klangen in meinen Ohren.        

"Ich liebe dich auch Mio."        

Dann drückte ich zu. Ich. Tötete. Meine. Zwillingschwester.

May zuckte oder bewegte sich nicht. Sie lag einfach da. Tränen liefen meine Wangen hinunter doch ich hörte nicht auf. Sie wollte es sie wollte es sie wollte es, hallte es in meinem Kopf. Ich spürte sie lächeln und ihren Körper leichter werden. Ich öffnete die Augen. May's Körper verwandelte sich in einen Scharlachroten Schmeterling. Er war tranzparent und schimmerte wunderschön. Er flog auf mich zu und und setzte sich auf meine Kehle. Mio, hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf.

"Mayuuuu!", schrie ich schmerzerfüllt und sprach ihren richtigen Namen aus. Sie mochte ihn nicht und deswegen riefen wir sie immer nur May. Schreiend und blind vor Schmerz taumelte ich vom Altar weg.

"Mayu! Mayu!!", schrie ich wieder und wieder und wieder. Tränen strömten über mein Gesicht und ich fasste mir an die Kehle, wo der Schmeterling saß. Danke, flüsterten May´s Worte in meinem Kopf. Weinent brach ich zusammen und schrie. May´s letztes Wort strömte in jede Ecke meines Körpers und hallte in mir wieder. Dann wurde alles schwarz...

Mit gebrochenen FlügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt