Kapitel 12

253 21 2
                                    

Emma handelte ohne zu zögern.

Hastig griff sie nach ihrer Waffe, die neben ihr auf den Boden gefallen war. Ohne auch nur einen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden, richtete Emma die Waffe auf Jekyll und drückte ab. Ein ohrenbetäubender Schuss löste sich. Jekyll sah Emma mit Entsetzen in die Augen, ehe er seinen Blick auf den stetig größer werdenden Fleck auf Höhe seines Herzens richtete und schließlich nach hinten fiel. Zur selben Zeit holte Hyde zischend Luft und betastete sein blutiges Hemd, bevor er die Königin komplett frei gab und ebenfalls zu Boden fiel.

Die Königin schnappte geräuschvoll nach Luft und sank auf die Knie. Emma richtete sich auf und eilte zu ihr. „Alles okay?"

„Emma, was hast du getan?", rief Snow bestürzt und kniete sich neben Jekylls leblosen Körper auf den Boden. Auch Regina schaute schockiert von Emma zu Jekyll.

„Ich hatte keine andere Wahl! Ich habe alles versucht", entgegnete Emma. Die Königin neben ihr rang immer noch nach Luft.

Reginas Augen verengten sich zornig und sie machte einen Schritt auf ihre Freundin zu. „Doch, die hattest du! Hyde hätte irgendwann von selbst aufgehört, da die verdammte Königin nicht sterben kann! Du hast das Leben eines unschuldigen Mannes geopfert, um etwas zu retten, das unsterblich ist und uns alle töten will!"

Emma wusste tief im Inneren, dass Regina recht hatte. Doch sie bereute es nicht. Sie hatte sich das einfach nicht länger mit ansehen können, während die anderen einfach tatenlos da standen.

„Hyde musste so oder so gestoppt werden und es hat schon viel zu lange gedauert, um das Serum herzustellen. Früher oder später wäre es sowieso dazu gekommen. Es war unvermeidbar", versuchte Emma sich zu verteidigen. Warum versuchte sie überhaupt noch, sich zu rechtfertigen?

Reginas Zorn schien dadurch jedoch nicht abzuklingen. „Ach ja? Und wenn die Königin irgendetwas Böses tut, – und glaub mir, das wird sie – willst du mich dann auch einfach töten, um sie aufzuhalten? Ohne das Serum wird dir nämlich nichts anderes übrig bleiben."

Emma schwieg. Sie würde gerne sagen, dass es bei Regina anders wäre und sie eine Lösung finden werden, doch sie wusste, dass es die gleiche Situation wäre. Nur dass Emma die Königin gar nicht aufhalten wollte.

„Solche Taten verdunkeln dein Herz", fuhr Regina fort. „Und dabei ist vollkommen egal, aus welchem Grund und mit welchen guten Absichten, du jemanden tötest. Weißt du noch, was ich zu dir gesagt habe, als du kurz davor warst, Lily umzubringen? Ich sagte, dass es schwer ist, zurückzukommen, wenn du diese Grenze einmal überschritten hast. Die böse Königin ist das beste Beispiel dafür."

„Als ich Cruella getötet habe, hast du mich nicht verurteilt", erwiderte Emma leise. Sie fühlte sich von der Reaktion ihrer Freundin verraten. Warum konnte Regina nicht sehen, dass Emma das alles nur für sie und ihre andere Hälfte tat?

Reginas Gesichtszüge wurden sanfter. „Cruella war ein Unfall." Sie sprach genauso leise wie Emma. „Du wolltest Henry beschützen."

Emma schüttelte den Kopf. „Es war kein Unfall und das weißt du. Ich habe sie diese Klippe absichtlich heruntergestoßen."

Im Augenwinkel sah Emma, dass die Königin versuchte, die roten Flecken an ihrem Hals mit Magie zu heilen.

„Damals hast du unseren Sohn beschützt, heute hast du die Person gerettet, die am liebsten ganz Storybrooke in Schutt und Asche verwandeln würde."

Emma hatte keine Lust mehr zu diskutieren und war drauf und dran, einfach aus der Garage zu stürmen wie ein unreifer Teenager.

Unerwartet ergriff die Königin das Wort. „Gott, Regina", entgegnete sie mit heiserer Stimme. „Sei doch einfach froh, dass Hyde tot ist. Das heißt, ihr habt ein Problem weniger. Dankbarkeit war nie deine Stärke."

„Deine auch nicht", murmelte Regina.

Snow richtete sich auf. „Das war nicht der richtige Weg. Helden töten nicht. Aber ...", setzte sie an, wurde jedoch von Emma unterbrochen, die gestrichen genug von den ganzen Beschuldigungen hatte.

„Vielleicht habe ich es satt ein ‚Held' zu sein! Ich war so lange die Retterin und der Job wird nie aufhören. Ich werde nie aufhören dürfen, die Menschen, die ich liebe, auf dem ‚richtigen Weg' zu retten und bald wird es mir das Leben kosten!" Emma ignorierte die Worte der anderen und marschierte vorbei an ihrer Familie nach draußen.

Einige hundert Meter entfernt von der Garage blieb sie stehen und atmete tief die kühle Abendluft ein.

Warum waren ihre Eltern nur immer so besessen darauf, aus ihr einen Helden zu machen? Sogar schon bevor sie geboren wurde, haben Snow und David mit unfairen Mitteln die Dunkelheit aus ihrem Herzen verbannt und auf ein anderes Baby übertragen, nur um einen Helden großziehen zu können. Und dann haben sie sie gar nicht großgezogen. Niemand hat Emma je gefragt, was sie wollte. Ein normales Leben ohne Gefahren, ohne Helden und Schurken wäre ihr definitiv lieber gewesen, als ihr ganzes Leben lang nie wirklich zur Ruhe kommen zu können.

Emma wollte es sich selbst nicht eingestehen, aber manchmal kam ihr der Gedanke, dass sie die Zeiten als Dunkler vermisste. Sie war frei von allen Konventionen und Erwartungen gewesen (gut, vielleicht nicht ganz frei von Erwartungen, aber immerhin war niemand entsetzt, wenn sie diesen Erwartungen nicht gerecht wurde), sie konnte machen, was sie wollte und niemand sagte ihr, was falsch und richtig war, abgesehen von der Dunkelheit. Natürlich war sie als Dunkler unheimlich einsam gewesen und wünschte sich diese Zeiten nicht wirklich zurück.

Aber vielleicht hatten Regina und Snow auch unrecht. Vielleicht war es richtig, dass sie Jekyll und Hyde getötet hatte. Denn wer wusste schon, wie viele Menschen Hyde noch verletzt oder sogar getötet hätte? Vielleicht hatte Emma ja allen einen Gefallen getan.

Hinter sich hörte Emma Schritte stetig lauter werden, doch sie schenkte ihnen keine Beachtung, bis sie die Königin neben sich stehen sah. Emma erwartete, dass die Königin auch begann, für sie zu entscheiden, was richtig und falsch war, doch überraschenderweise schwieg sie.

Emma war diejenige, die die Stille irgendwann durchbrach. „Alles okay bei dir?"

Der Hals der Königin war immer noch von roten Flecken übersäht. Anscheinend hatte sie es nicht geschafft, sich selbst zu heilen.

Die Königin schmunzelte leicht und nickte. „Ich muss mich wohl erst etwas erholen bevor ich mich heilen kann", erwiderte sie mit immer noch heiserer Stimme, als hätte sie Emmas Gedanken gelesen.

„Ich würde dir ja helfen, aber ..." Emma hielt demonstrativ ihre Hand nach oben, die bei jedem Versuch Magie zu benutzen, unkontrolliert zitterte.

„Weißt du", begann die Königin, „du musst nicht immer die Heldin spielen. Mach das, was du für richtig hältst, nicht deine selbstgerechten Eltern."

Emma seufzte resigniert. „Ich bin das ‚Produkt wahrer Liebe'. Eine Heldin zu sein ist mir sozusagen in die Wiege gelegt worden. Ich wurde als Retterin geboren."

„Das bedeutet nicht, dass du unbedingt eine sein musst. Erinnerst du dich, was Regina dir gesagt hat, bevor ihr nach New York gefahren seid? Das Schicksal schubst uns zwar, aber es wird Zeit, dass wir es zurück schubsen."

Nach einer kurzen Stille fügte die Königin hinzu: „Mach dir nichts daraus. Meine ach-so-bessere Hälfte soll sich nicht so aufspielen. Sie gibt mir zwar die Schuld für all unsere schlechten Taten, aber sie war genauso daran beteiligt."

Emma hätte fast auflachen müssen. War es nicht ironisch, dass ausgerechnet die böse Königin auf ihrer Seite stand?

The Beauty of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt