Verschwunden

8 1 0
                                    

Es ist mitten in der Nacht, ich sehe mich in meinem vom Mondlicht beleuchteten Zimmer um und erblicke Nunji neben mir. Er liegt zu mir zugewandt, stützt sich auf seinem Arm ab und betrachtet mich. Sein Blick wirkt traurig, verloren, irgendwie einsam. Ich drehe mich zu ihm, stütze mich auch mit den Armen ab und sehe ihn einfach nur an. Nunji verzieht gedankenverloren das Gesicht, schüttelt leicht dem Kopf und ich kann ihn nur fragend ansehen. »Was ist los?«, will ich vorsichtig wissen und greife dabei nach seiner Hand, die er mir aber verwehrt.
»Ich werde heiraten«, flüstert er und kann mich nicht mehr ansehen. »Wann?« Schaffe ich gerade noch zu fragen, bevor der Klos in meinem Hals, der urplötzlich da ist, größer wird. »In zwei Tagen«, sagte er ruhig und setzte sich gerade hin. Ich runzle die Stirn, das ist genau die Zeit, die er braucht, um ins Nachbardorf zukommen. Völlig überrumpelt von der Information, schüttle ich leicht den Kopf und setze ich mich auch hin. »Das heißt ...«, sage ich leicht erstickend, aber eigentlich wissen wir beide was das bedeutet, aber keiner hat den Mut es auszusprechen. Ich spüre seine Hand auf meiner, darauf sehe ich zu ihm rüber, er schüttelt wieder den Kopf und versucht ein Lächeln aufzusetzen, das ihm nicht ganz gelingt. Ich habe so viele Fragen und so viele Gedanken, die mir im Kopf herumschwirren, aber sie aussprechen oder sie auf irgendeine Art und Weise herauslassen kann ich nicht, weil ich eigentlich alle diese Antworten kenne.
Morgen früh werde ich aufwachen, Nunji wird aus meinem Leben verschwunden sein und nie wieder darin auftauchen. In den Moment, wo mir das wirklich bewusst wird, laufen mir schon die ersten Tränen über die Wangen. Schnell wegwischend drehe ich mich zur Seite, ich will nicht, dass er das mitbekommt. Ich spüre eine Bewegung neben mir, sehe zu ihm rüber und Nunji hat sich wieder gerade hingelegt. Er sieht mich an, breitet seine Arme aus und flüstert: »Komm, lass uns schlafen.« Ohne etwas zusagen, lege ich mich wieder hin und kuschle mich bei ihm an. Sein Arm legt sich sofort um mich und beginnt jeden Zentimeter von mir zu kraulen. Genießerisch schmiege ich mich noch enger an ihn, freue mich über jede Streicheleinheit, die ich noch von ihm bekommen kann und schlafe dabei schneller wieder ein, als mir lieb ist.
Durch das Läuten meines Weckers sowie die viel zu helle hereinkommende Sonne, werde ich wach. Beginne mich in alle Richtungen zu strecken und habe sofort etwas in der Hand. Auf meinem Kopfkissen, liegt ein Zettel und ein altes Stirnband. Beides nehme ich in die Hand, setze mich auf, sehe mir das Stirnband mit dem Familienwappen von Nunji an und lese dann den Zettel.

Ich liebe dich, Ayumi so sehr, dass es mir das Herz zerreißt, wenn ich daran denke, dich nicht mehr wiederzusehen. Zumindest nicht so, wie wir es gewohnt waren.

Wenn ich doch nicht diese Pflicht meines Dorfes gegenüber hätte oder du mich so lieben würdest, wie ich es tue, dann würde uns nichts und niemand trennen können.

Mir graut es jetzt schon bei dem Gedanken, dich irgendwann wiederzusehen und so tun zu müssen, als würde ich dich nicht kennen, als hätten wir nicht diese heißen und wilden Sessions miteinander verlebt, als hätten wir nicht diese offenen Gespräche geführt und als hätten wir nicht einfach mal nackt nebeneinandergelegen und die Gegenwart des anderen genossen.

Du wirst mir sehr fehlen.

Dein Nunji


Ich muss schmunzeln, aber nicht wegen dem geschriebenem Worten, die machen mich genauso traurig wie anscheinend ihn, sondern weil er all die Gedanken aufgeschrieben hat, die ich jetzt gerade habe. Ich schätze ihn sehr, genoss jede Minute mit ihm, aber er hat recht. Ich liebte ihn nicht, konnte es einfach nicht, denn er war nicht ER. Sofort denke ich an unser Gespräch vor einem halben Jahr. Wir saßen morgens nach einer sehr langen und heißen Nacht zusammen im Bett und er fragte mich eine ganz bestimmte Frage, die mir die Sprache verschlug. Aber nicht, weil ich ja sagen wollte, sondern weil ich es absolut nicht wollte. Ich hatte mir geschworen, nur meine erste große Liebe zu heiraten, und das ist leider durch den letzten Krieg nicht mehr möglich. Außerdem hatte mir bei Nunji auch irgendetwas gefehlt, warum ich damals abgelehnt hatte.
Total müde lege ich den Zettel sowie das Stirnband auf den Nachttisch, setze mich auf und stehe endgültig auf. Gehe direkt ins Bad, dusche, putze mir die Zähne, ziehe mich an und gehe sofort in die Küche, wo ich schnell was esse, bevor ich zur Arbeit gehe.
______________
Ich gebe es gleich offen zu:
Lesen ist Macht.
All das, was ihr hier lest, ist angelesen.
Ihr glaubt mir nicht?
Ist aber so. Daher fangt an zu lesen.

The Dark NinjaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt