Ein Plan für den Notfall

748 28 4
                                    

Eine fehlende Wärme um meinen Körper und das leise Kratzen einer Feder auf Holz holte mich sanft und langsam aus dem Schlaf. Noch mit geschlossenen Augen lauschte ich, wie die Feder gekonnt über das Holz glitt und immer wieder aufgesetzt wurde. Meine Gedanken schweiften bei diesem beruhigenden, vertrauten Geräusch in die vergangene Nacht. So schön war diese gewesen und Hiccup war so sanft gewesen. Das leise Knarren eines Stuhles riss mich aus meinen Gedanken. Langsam öffnete ich meine Augen und sah Hiccup auf seinem Stuhl sitzend und zeichnen. Ein Lächeln huschte über meine Lippen und ich ließ meine Augen ein Stück weit offen, damit ich ihn beobachten konnte.
„Guten Morgen, Milady." Sagte er plötzlich und sah mich lächelnd an. Dann widmete er sich wieder seiner Zeichnung.
„Guten Morgen, Hiccup." Ich blieb so liegen und beobachtete ihn weiter. Sein schmaler, aber leicht muskulöser Oberkörper war noch immer über den Tisch gebeugt und seine Hände hingen an seiner Feder.
„Wie hast du geschlafen?" fragte er mich und sein Blick wanderte zwischen mir und der Zeichnung hin und her.
„Wundervoll. Und du?"
„Ebenso." Er lächelte mich kurz an, dann sah er wieder konzentriert zur Zeichnung.
„Was Zeichnest du da?" fragte ich neugierig, doch er grinste mich nur verführerisch an. Ich verdrehte daraufhin nur grinsend meine Augen.
„Bin ich denn ein gutes Motiv?" fragte ich, den Blick auf meinem Geliebten gerichtet.
„Warst du immer, bist du immer und wirst es auch immer bleiben." Er lächelte mich nun an und kam langsam zu mir. Er kniete sich vor mich hin und küsste mich sanft. Ich erwiderte den Kuss und wollte nicht, dass er sich von mir löste, doch leider tat er genau das.
„Komm, ich hol dir mal was zu essen." Er richtete sich auf und ging aus seinem Zimmer. Während er weg war, wurde mir wieder bewusst, dass ich überhaupt keine Klamotten an hatte. Also nutzte ich die Zeit, in der er weg war, sprang aus seinem Bett und suchte meine Sachen zusammen. Meine Hose fand ich listigerweise auf seinem Schreibtisch und es dauerte nicht lange, da hatte ich auch mein Shirt schon an. Einen kleinen Blick auf seine Zeichnung, von der ich aber nicht wirklich viel sah, dann huschte ich wieder ins Bett. Das schöne, warme Bett. Dann kam auch schon Hiccup ins Zimmer, mit frisch gebratenen Fisch, Früchten und Yakmilch. Zusammen aßen wir dann auf seinem Bett und besprachen, was wir die letzten Tage miteinander machen würden.
„Ich würde gerne dann erst mal zu meiner Mutter, nach ihr schauen, wie es ihr geht." Meinte ich nach einer Weile des Planens.
„Okay, danach können wir ja einen Ausflug machen." Ergänzte Hiccup noch und ich nickte zustimmend. Hiccup erzählte mir nicht, wohin es ging, und ich war schon gespannt darauf, was er geplant hatte.
„Wie sieht es eigentlich mit deiner Wunde aus?" fragte ich und sah zu seinem Oberkörper, wo noch immer der Verband um seine Brust gewickelt war.
„Es geht. Die Wunde tut nicht mehr so weh, wie vorher." Meinte er und zog sich an, „Oh, und falls du deine Hose suchst ... die liegt auf dem Schreibtisch." Er grinste mich an.
„Danke, aber ich habe sie schon an." Sagte ich spielerisch und stand mit einem Grinsen auf.
„Schade." Schmollte Hiccup leise und ich musste daraufhin lachen.
„Was soll das den bitte heißen."
„Das kannst du dir doch wohl denken." Er stand ebenfalls auf, kam zu mir und umschloss mich mit seinen starken Armen.
„Du böser, böser Junge." Ich nahm ihn am Kragen, zog ihn runter zu mir und küsste ihn leidenschaftlich. Kurz ließ ich ihn erwidern, doch dann löste ich mich von ihm.
„Komm, lass uns gehen." Grinsend nahm ich seine Hand und wir gingen zusammen runter in das große Gemeinschaftszimmer, wo schon die Feuerstelle aufloderte, als hätte sie jemand gerade das Feuer neu aufgelegt.
„Guten Morgen ihr beide." Stoik sah zu uns hoch, als wir die Treppe runter stiegen.
„Guten Morgen." Ich lächelte ihn an und bemerkte diesen einen Gesichtsausdruck, der mir sagte, dass er ahnte, was wir gestern getan haben. Ich versuchte mir die Verlegenheit nicht anmerken zu lassen und ging mit Hiccup raus. Eine Decke aus Wolken hing über Berk und dem weiten Ozean, sodass kein einziger Sonnenstrahl rauskam. Ein frischer Nordwind wehte durch das Dorf und Kündete den nahestehenden Winter an. Wie immer beteten und huldigten wir die Götter, dass sie uns keinen allzu harten Winter bescherten und einige von unseren Dorfbewohnern am Leben ließen. Säuglinge, die in den Kältesten Wintertagen geboren wurden, überlebten meistens keine Woche. Nur die wenigsten, gut geschützten kamen durch. Hand in Hand ging ich mit Hiccup durch die Kälte zu meinem Haus, wobei meine Gedanken zu meiner verstorbenen Schwester schweiften. Auch sie wurde im Härtesten Kältesturm hineingeboren und lebte nur zwei kalte Tage lang. Ihre Haut war von Anfang an so bleich wie der Schnee und ihre Augen blieben geschlossen. Kein einziges Mal hatte sie sie geöffnet. Nur der schwache, kühle Atem ihrer versicherte uns, dass sie am Leben war. Ein sanfter Handdruck brachte mich zurück in die Gegenwart.
„Wir sind da." Meinte Hiccup und ich blickte zu meinem Haus. Fenster und Türen waren verschlossen, als wolle sich meine Mutter von allen zurückziehen und alleine für sich sein. Ich ging voraus und öffnete leise die Tür. Der Raum war erhellt durch die Feuerstelle, die mit einer kleinen Flamme die Möbelumrisse erkennbar machte. Kerzen standen auf den Tisch, der hinter der Feuerstelle im hinteren Bereich des Raumes stand und an dem auch meine Mutter saß. Sie blickte auf und lächelte mich schwach an.
„Ah, meine Tochter." Ihr Blick wanderte hinter mich und ihr Lächeln wurde etwas heller, „Und ihr Retter." Ein Lächeln huschte über meine Lippen und ich ging zum Tisch. Ich ließ mich auf die Bank, gegenüber von ihr, gleiten und nahm ihre schwachen, etwas kälteren Hände in meine. Hiccup schloss hinter sich die Tür und setzte sich neben mich hin.
„Wie geht es dir, Mutter?" fragte ich besorgt und sah in ihr müdes Gesicht, das kaum schlaf erfahren hatte.
„Den Umständen Entsprechend." Meinte sie knapp und sah uns beide an, „Habt ihr euch gut erholt?" Ich nickte zustimmend und auch Hiccup gab ein kleines Nicken von sich.
„Ja, ich habe keine Schmerzen mehr."
„Das ist gut. Immerhin eine gute Neuigkeit. Ihr habt von der Entscheidung, die der Rat getroffen hat, schon gehört?" Ihre Augen wurden Traurig und auch ihre Stimme klang nun leise und zittrig. Keiner von uns sagte etwas, nur ein Nicken beantwortete ihre Frage.
„Ich finde das so ungerecht. Ich sollte mit entscheiden, meine Stimme erheben ..." begann ich leicht Zornig mich zu beschweren, doch meine Mutter drückte sanft meine Hand und bedeutete mir, Ruhe zu bewahren.
„Du kannst nichts dagegen machen. So sind eben die Regeln. Ich habe ebenfalls kein Recht zu sprechen, allerdings könnte ich euch helfen." Dieser gewisse Unterton meiner Mutter ließ mich aufhorchen. Wie um Thors Willen wollte sie uns helfen. Eine Frau durfte nie gegen ihren eigenen Gatten ihre Stimme erheben, besonders in meiner Familie würden Bestrafungen folgen, wenn sie es wagte, gegen meinen Vater etwas anzurichten.
„Ich könnte ihn für euch ablenken, sodass ihr euch heimlich Treffen könnt ..."
„Mutter ..."
„Nein Astrid." Sie sah mich sanft an und dennoch sprach sie mit fester, entschlossener Stimme, „Ich kann doch nicht einfach zusehen, wie dein Vater dein Leben ruiniert und nichts dagegen tun. Die Götter mögen mich bestrafen, wie es ihnen lieb ist, aber ich könnte niemals mit dieser Schuld leben, nichts für meine Tochter gemacht zu haben, um ihr ein Leben zu bescheren mit denjenigen, den sie liebt." Sie lächelte Hiccup sanft an.
„Sie wollen also unseretwillen ihren Mann ablenken, damit wir uns treffen können?" fragte Hiccup zaghaft und meine Mutter nickte.
„Ich werde helfen, wo ich kann, auch wenn mir die Konsequenzen bewusst sind." Dieser Plan schien auszureichen, aber dennoch war mir bewusst, dass das so nicht ewig gehen konnte. Für den Moment reichte das, doch ich war mir sicher, dass das irgendwann auffliegen wird und dann waren nicht nur ich und Hiccup diejenigen, die am Pranger standen, sondern auch meine Mutter, doch dieses Risiko ist sie bereit einzugehen, und dafür liebe ich sie.
„Danke Mutter." Ich legte mein Kopf auf ihre Hände um ihr meinen Respekt zu zeigen, doch sie hob mein Kopf wieder hoch.
„Na na. Das muss es doch nicht. Es ist das mindeste, was ich tun kann, nachdem ich dich all die Jahre lang verleugnet habe und versucht habe, dich zu etwas zu machen, was du eigentlich gar nicht bist." Ihr Lächeln wurde gutmütiger und auch ich lächelte sie nun an.
„Nun geht. Ich denke, ihr habt noch einiges vor. Lasst euch von mir nicht aufhalten."
„Danke." Ich Umarmte sie flüchtig über den Tisch, stand mit Hiccup auf und gingen zur Tür. Kurz bevor ich rausging, drehte ich mich zu meiner Mutter um und sah ihr in die Augen.
„Ich verzeihe dir, was die letzten Jahre angeht." Ein erleichternder Schimmer streifte ihr Gesicht und Hiccup und ich traten aus dem Haus raus.

For the Dancing and the DreamingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt