cotard ✝{h.s} // chapitré un
Ein hölzener, mahagonifarbener Tisch trennte mich von ihm. Seine farngrünen Augen waren auf seine Platte gerichtet, seine Arme lagen auf dem Holz. Sein Outfit bestand aus einem viel zu großem, schwarzem Hoodie, dessen Kaputze tief in seinen Nacken gefallen war, seine enge, ebenfalls pechschwarze Hose betonte seine viel zu abgezehrte Figur, die lässig auf dem Stuhl saß, während wir beobachtet wurden.
Sein großer Ring an seinem Mittelfinger, strahlte mir entgegen, er war kaum übersehbar, pointierte sein schlichtes, schwarzes Outfit ideal.
Er hatte vieles mit mir gemeinsam, ganz kurz nach seinem Geburtstag war ich 19 geworden. Er 21. Andauernd liefen Menschen an ihm vorbei, die ihn entsetzt ansahen, als sie realisierten, dass er ein ausgewachsener, junger Mann war. Es schockierte sie, zutiefst, doch sie wollten ihre Moral nicht zu sehr auf die Außenwelt erblicken lassen, sodass sie ihn öfters hinterlistig anlächelten, obwohl sie sich selber in eine höhere Kategorie setzen als ihn.
Sein Name war Harold. Keiner sprach mit ihm, er verzichtete auf Kommunikation, seine Blicke genügten uns schon. Ich hatte seit seiner Einlieferung in unser Abteil, maximal fünf Sätze von ihm gehört. Er war still. Sehr still.
Viele hatten Angst vor ihm, mieden sogar seinen Blickkontakt, andere wiederum, die Pubertierenden unter uns, machten ihm schöne Augen, trugen Push-Up Bh's in seiner Nähe und zogen vor seinen Augen ihre Oberteile etwas runter.
Die Zeit war gekommen. An der Einganstüre, wurde meine Mutter zu mir hingeführt, ihr Brief in der Hand bestätigte mir, dass es sie wirklich war. Wir wechselten ein paar Sätze, sie kam mir vor wie eine Betreuerin, eine Fremde definitiv nicht wie eine Mutter. Harold stand da, an die Wand gelehnt, sein Kiefer angespannt und seine Augen auf die Straße fokussiert.
Wenig später passierte das, was jedes mal geschah seitdem er ein kleines Kind war, die älteste Betreuerin und Vorsitzende der Institution Prudence stellte sich vor ihn, klopfte ihm bemitleidend auf die Schulter und sorgte nur dafür, dass Harold sie emotionslos ansah, ihrer Hand auswich und wieder in die Institution lief.
Diese Institution war unser Zuhause, denn uns allen hier, wurde das Recht genommen, zu wissen wer unsere biologischen, leiblichen Eltern waren. Viele von uns waren Waisen, verloren beide Elternteile sehr früh, im Kindesalter, sodass sie keine andere Gegebenheit hatten, als sich eine Institution wie diese, als Zuhause anzunehmen. Doch manchen Kindern, wurde das Recht einfach entnommen. Die Eltern selber, wollten nicht, dass ihre Kinder wussten zu wem sie gehörten.
»Noelle?« hörte ich von unserer Betreuerin Maya, wandte mich zur Seite und sah sie an. Sie schien außer sich zu sein, ihr Blick wurde erst etwas sanfter, als sie mich zu Gesicht bekam.
»Hast du Harold gesehen? Er war doch vorhin, noch bei dir oder?«
Ich sah zu meiner Mutter, entschuldigte mich flüchtig bei ihr und trat mit Maya zur Seite. Meine Stirn runzelte sich.
»Er ist rein gegangen, nachdem Prudence ihn versucht hat zu trösten, seht in seinem Zimmer nach« gab ich monoton zurück, sah wie die Überforderung bis in Mayas Gesicht stieg und atmete aus. Meine Beine beförderten mich wieder zu der Fremden, die meine leibliche Mutter war, außer ein paar falschen Nettigkeiten, tauschten wir nicht viel miteinander aus, sodass sie sich gezwungenermaßen schlecht fühlte und schon nach dreißig Minuten den Nachhauseweg ansteuerte.
Für mich war sie eine Schlampe, die ein uneheliches Kind auf die Welt brachte, also mich in diesem Fall. Unverschämt wie sie auch war, kam sie mit dem Bastard, mit dem sie mich gezeugt hatte zu dieser Institution und gab mich ab. Das Erziehen war zu ''schwer'' geworden, damals war ich sechs.
Erst zehn Jahre später, folgte ihr erster Besuch.
Die Luft wurde allmählich kühler, sodass ich hineinging und sah wie sich Pflegefamilien unsere Säuglinge ansahen, um eines eventuell zu adoptieren und glücklich mit allen Kindern nachhause zu fahren. Unter ihnen fand ich dann Harold, der von einer Milliardärstochter gemustert wurde, die Haare nach hinten warf und wie ein kleines Kind mit einem Zeigefinger auf ihn deutete.
»Wie wärs mit dem hier?« grinste sie, legte ihren Finger auf Harold's Wange und fuhr etwas darüber. Harold sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an, sein Blick wurde finster und er legte den Kopf schief zur Seite, sodass ihr Finger in der Luft schwebte.
Die vermögensreichen Eltern kamen dazu, lächelten Harry an und erwarteten die gleiche Übereinkunft, doch Harry sah sie reizlos an und trat einen Schritt von ihnen zurück.
Prudence, kam dazu und lächelte die kleine Familie an und legte ihre Hand auf Harold's Schulter, dabei hatte sie etwas Schwierigkeiten, da er zwei Köpfe größer war als sie.
»Das ist Harold, 21, er ist eines der ruhigesten hier und macht kaum Probleme. Sie wären wirklich eine bezaubernd, glückliche Familie.«
Die Milliardärstochter, kam ihm etwas näher und grinste.
»Auf welche Beerdigung gehst du denn?« meinte sie, zerrte dabei an seinem Hoodie und jedem war klar, was sie meinte. Die schwarze Kleidung die er trug, vom Kopf bishin zu seinen Füßen, erinnerten wenn man etwas darüber nachdachte, tatsächlich an Klamotten die man zu einer Trauerfeier tragen würde.
»Auf meine« erwiderte er trocken mit seriösem Ton und setzte der eingebildeten Göre einen Strich durch die Rechnung. Nur diese zwei Wörter genügten, um die reiche Familie abzuschrecken, sie sahen irritiert zu Prudence, die mit ihrem Ellenbogen in Harold's Rippen stieß. Somit verscheuchte Harold die Familie, drehte sich zu Prudence und hob die Augenbrauen, ohne weiteres zu sagen.
Luft bließ Prudence aus und schüttelte den Kopf.
»Hör auf dich so schlecht zu benehmen. Sonst wird deine Beerdigung bald wirklich stattfinden« zischte die alte Prudence aus zusammengebissenen Zähnen mit gedämpftem Ton, ging an dem Jungen vorbei und rempelte ihn an. Harold sah ihr hinterher, drehte sich auf der eigenen Achse und lief eilig die Treppen hoch, die zu unseren Gemeinschaftszimmern führten.
Den Rest des Tages sahen wir ihn nicht mehr wieder, was unsere pubertierenden Zicken ziemlich unglücklich machte, aber mich in Verwirrung zurückließ, denn eigentlich war er immer unter Menschen, egal was auch am Tag passierte.
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cotard
Mystery / Thrillercotard; délire des négations Nihilistischer Wahn, Überzeugung davon tot zu sein und nicht zu existieren. a/n: grafische darstellungen von gewalt, sexualität, starke sprache und/oder anderen reifen themen © ifckedurmanperrie, 2015