Kapitel 1

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Ich wälzte mich bereits seit Stunden in meinem Bett rum, fand aber einfach keinen Schlaf. Dass passierte regelmäßig, deswegen war es auch nichts Neues, dass ich mit dem Gedanken spielte, rauszugehen. Aus dem Bett über mir erklang ein leises Schnarchen. »Na schön.« Seufzend richtete ich mich auf und ging leise zum Kleiderschrank. Ich zog eine Jogginghose und ein T-Shirt raus und zog mich so leise wie möglich um. Trotz der Tatsache, dass ich mir schon seit mehreren Monaten ein Wohnheimzimmer mit Goshiki teilte und ich genau wusste, dass er einen festen Schlaf hatte, wollte ich es dennoch nicht riskieren ihn zu wecken.

Ich schnappte mir noch meinen Schlüssel, bevor ich mich aus dem Wohnheim schlich, darauf bedacht, keine Geräusche von mir zu geben. Eigentlich war es verboten nach 22 Uhr noch das Gebäude zu verlassen, doch bisher hatte mich noch keiner bei meinen nächtlichen Spaziergängen erwischen, also konnte ich es auch weiterhin durchziehen. No risk, no fun, hieß es doch, oder?

Draußen angekommen atmete ich einmal tief durch. Die kühle Nachtluft fühlte sich gut in meiner Lunge an. Immer wieder blickte ich um mich, um sicher zu gehen, dass mich auch niemand sah. Zufrieden schritt ich durch das Steintor, welches als Eingang der Schule fungierte, und schlenderte hindurch.

Nach einer Weile schlüpfte plötzlich eine kleine weiße Katze aus einem Busch. »Hallo, du Süße«, begrüßte ich sie. Ja, sie. Diese Katze begegnete ich fast immer und habe daher mittlerweile rausgefunden, dass es ein Mädchen war.

Sie streifte um meine Beine und ich bückte mich, sodass ich sie streicheln konnte. Ihr Fell war unglaublich weich. Ich könnte wahrscheinlich Stunden damit verbringen sie einfach nur zu kraueln. Als sie scheinbar genug Streicheleinheiten hatte, tapste sie davon. Ich entschied mich ihr einfach zu folgen, da ich noch immer kein Funken Müdigkeit empfand.

Das Kätzchen lief voran, hielt aber immer wieder an, damit ich hinterherkam. Ich ging schneller als sonst und ich merkte, wie meine Lunge bereits schlapp machte. Wenn ich so weiter gemacht hätte, hätte ich womöglich noch einen Asthmaanfall bekommen und darauf konnte ich gut und gerne verzichten. Also drosselte ich mein Tempo und trottete so weiter hinterher.

Das Ganze ging eine ganze Weile so, bis ich mich irgendwann umsah. Ich erkannte die Umgebung nicht und wusste auch nicht, aus welcher Richtung ich gekommen war. »Shit! Neko-chan, wo sind wir?«, fluchte ich und sah dabei zu der Katze, die mich unschuldig anblickte. Ziellos lief ich durch die Straßen, in der Hoffnung etwas Bekanntes zu erkennen. Doch Fehlanzeige. Keines der Häuser und keines der Geschäfte kannte ich.

Ich lief immer weiter, schließlich musste ich ja irgendwann mal etwas erkennen, oder? Oder müsste ich jetzt die ganze Nacht warten, bis die ersten Arbeiter losfuhren, damit ich nach dem Weg fragen konnte? Da ich auch nicht wirklich mit Größe gesegnet war, konnte ich auch nicht über die Hecken der Grundstücke schauen.

»Was mach ich denn jetzt? Ich habe ja nicht mal mein Handy mitgenommen! Wieso habe ich mein Handy nicht mitgenommen?«, fragte ich mich selbst. Langsam fing ich an zu verzweifeln. Was war, wenn ich jetzt einen Anfall bekam? Niemand könnte mich retten! Shit! Shit! Shit!

»Hey, alles okay?«, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Vor lauter Panik hatte ich mich hingehockt, um nicht aus heiterem Himmel umzufallen. Ich richtete mich auf und drehte mich langsam zu dem Unbekannten um.

Durch die Dunkelheit konnte ich nicht viel erkennen. Doch vor mir stand ein großer Junge, der wahrscheinlich nur ein wenig älter war als ich. Er trug Sportkleidung und seine braunen Haare hingen etwas unordentlich in sein Gesicht. Sein Atem war etwas schneller als es normal wäre, also schließ ich darauf, dass er joggen war.

Noch immer sah er mir abwartend in die Augen. Stimmt, ich hatte noch nicht geantwortet! »Ähm, ja... Also nein...« Amüsiert legte er seinen Kopf schief. »Also was? Ja oder nein?«, fragte er lachend. »Es ist alles okay, ich schein mich nur verlaufen zu haben«, gab ich schließlich zu und sah mich weiter suchend um.

Er blickte immer noch belustigt zu mir runter. Wie ich es hasste so klein zu sein! Uns trennten sicherlich gute 15 Zentimeter. »Ich könnte dir helfen«, bot er an. »Nein danke. Ich komm schon zurecht.« Da war mein Mund mal wieder schneller als mein Verstand. Verzweifelt von mir selber, schloss ich meine Augen und atmete einmal tief durch.

»Wo musst du hin?«, fragte der Größere wieder, dieses Mal aber mit ernster Miene. »Shiratorizawa«, murmelte ich. »Oi! Da hast du dich aber ordentlich verlaufen! Wie bist du überhaupt so weit gekommen?« Ich zeigte auf die Katze, die ein paar Meter entfernt dasaß und uns beobachtete. »Ich bin Neko-chan gefolgt.«

»Neko-chan? Wie einfallslos ist das denn?«, fragte er und sah sich dann die Katze an. »Shiro! Was machst du denn hier? Das ist meine Katze!«, rief er dann. »Shiro ist aber auch nicht sehr kreativer, wenn man bedenkt, dass sie weiß ist«, erwiderte ich. Eine weiße Katze "Weiß" zu nennen, war genauso schlimm, wie sie "Katze" zu nennen.

»Komm mit, ich bring dich zurück. Ich kann sowieso nicht schlafen, also kann ich genauso gut auch jemanden in Not helfen«, sagte der Fremde und lief los. Das war nicht sein Ernst! Wenn ich ihm jetzt hinterher joggte, käme ich heute ganz sicher nicht mehr an der Schule an. Stattdessen könnte ich direkt ins Krankenhaus laufen. »Schalt mal einen Gang runter!«, rief ich dem Braunhaarigen zu.

Er drehte sich um und lief nun rückwärts weiter. »Komm schon! Ich lauf auch nicht schnell!«, rief er zurück und grinste mich frech an. Ohne auf seine Worte einzugehen, ging ich gemütlich los und beschleunigte kein Stück mein Tempo. Stattdessen passte der andere sich meinem Tempo an und joggte neben mir her.

»Was hat dich eigentlich mitten in der Nacht hier her verschlagen?«, fragte er nach einer Weile in Stille. Ich seufzte. »Schätze, ich habe dasselbe Problem wie du. Schlaf ist nicht so mein Ding«, erklärte ich schulterzuckend. Ich konnte mich tatsächlich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal durchgeschlafen hatte. Immer wieder wachte ich nachts auf, oder konnte erst gar nicht einschlafen.

Stillschweigend liefen wir nebeneinanderher. Ich musste mich wirklich mächtig verlaufen haben, denn auch nach einer viertel Stunde erkannte ich meine Umgebung nicht. Erst nach einer weiteren halben Stunde sah ich die Silhouette der Schule.

»Danke dir«, sagte ich leise, als wir vor ihr stehen blieben. Dann fiel mir plötzlich auf, dass er ja den ganzen Weg jetzt nochmal zurücklaufen musste. »Tut mir leid. Wegen mir bekommst du heute noch weniger Schlaf.« Er hob seine Hand und winkte ab. »Ach was, kein Problem«, sagte er zwinkernd und drehte sich im nächsten Moment um.

Ich sah ihm noch eine Weile hinterher, bis er schließlich hinter einer Ecke verschwand. Komischer Kerl. Ich kannte nicht mal seinen Namen, fiel mir auf. Gähnend wandte ich mich ab und lief zurück in mein Zimmer.

»Kenta!«, hörte ich direkt Goshikis Stimme, nachdem ich das Zimmer betrat. Er hatte vor Kurzem angefangen mich beim Vornamen zu nennen, doch das war mit ziemlich gleichgültig. »Wieso schläfst du nicht, Goshiki?«, fragte ich ihn. »Das sollte ich dich fragen! Wo warst du?«

Seufzend lief ich auf mein Bett zu und ließ mich rücklinks darauf fallen. »Konnte nur nicht schlafen«, murmelte ich. »Ich dachte, die Tabletten helfen?«, fragte er verwirrt. Ich brummte zustimmend. Wenn ich sie genommen hätte, hätten sie auch sicher geholfen. Allerdings nahm ich so schon genug Medikamente und die Mischung tat nicht gut. Da nahm ich lieber die Schlaflosigkeit in Kauf.

Ich blickte kurz auf meine Uhr. »Wir haben noch fast 3 Stunden, lass uns noch etwas schlafen«, sagte ich zu Goshiki und murmelte mich unter meine Decke.

Be King Again - Oikawa x male OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt