Kapitel 8

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Die Qualifikationsspiele rückten immer näher. Es waren bereits über zwei Wochen her, dass wir das Trainingsspiel gegen Seijoh und Karasuno hatten. Ab nächster Woche wurde es dann ernst, denn da stand das erste Spiel an. Die Jungs trainierten täglich bis an ihre Grenzen und wurden stätig besser. Seit dem Trainingsspiel war ich regelmäßig mit Hinata im Kontakt und daher weiß ich, dass es denen genauso ging. Ebenso wie Seijoh.

Oikawa und ich hatten uns in den letzten zwei Wochen oft gesehen. Meistens nachts, während wir ziellos durch die Gegend liefen, aber auch an den Wochenenden. Mittlerweile war auch die Anziehung zwischen uns nicht mehr zu leugnen, jedoch hatte noch keiner den ersten Schritt gemacht.

»Kenny, mein Süßer!«, riss mich Tendou aus meinen Gedanken. »Du lächelst in letzter Zeit sehr oft vor dich hin. Hast du etwa eine Freundin?«, fragte er und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. Ich verdrehte nur meine Augen und lehnte mich entspannt gegen die Wand. »Nein, habe ich nicht. Darf ich nicht einfach ohne Grund glücklich sein?«, erwiderte ich.

»Du klingst plötzlich wie ein gottverdammter Optimist. Sicher, dass da nicht mehr hinter steckt?«, hakte er nach, doch ich blieb standhaft und versicherte ihm, dass alles wie immer sei. Nach einer Weile gab er es auf und lief wieder zu seinen Teamkollegen, die gerade alle fleißig trainierten.

Plötzlich begann mein Handy zu klingeln. Ich zog es hervor und musste kurz stutzen. »Oikawa? Was ist los? Hast du kein Training?«, fragte ich sofort. »Satoyo? Hier ist Iwaizumi. Ich weiß, es ist schon spät, aber ist es irgendwie möglich, dass du so schnell wie möglich zur Aoba Johsai kommst?« »Was ist mit Oikawa? Ist was passiert?«, fragte ich panisch und stand sofort alarmiert auf. »Er hat gerade eine heftige Existenzkrise und steht kurz vor einer Panikattacke. Er erzählt in letzter Zeit nur noch von dir, da bin ich mir sicher, dass du ihm helfen kannst.« »Ich mach mich auf den Weg, ich bin sofort da!«

Total angespannt schnappte ich mir meine Jacke und lief zum Ausgang der Sporthalle. »Ich muss los«, rief ich den anderen über die Schulter zu, bevor ich loslief.

Wenn ich in meinem normalen Schleich-Tempo gelaufen wäre, hätte ich sicher eine dreiviertel Stunde gebraucht. Doch dafür hatte ich in dem Moment keine Geduld. Das Adrenalin rann durch meine Adern und ließ mich so schnell ich konnte laufen. Die Häuser und Bäume zogen an mir vorbei, während ich mich darauf konzentrierte nicht zu stolpern, den Rest erledigten meine Beine von selbst.

Ich spürte zwar, wie sich meine Lunge immer weiter zuschnürte, doch ich konnte jetzt einfach nicht anhalten. Ich musste so schnell wie es ging zu Oikawa, und da war mir jede Konsequenz recht. Die Schmerzen also ignorierend lief ich einfach blindlings weiter.

Ich wusste nicht, wie lange ich bereits unterwegs war, doch da kam plötzlich die fremde Schule in Sicht. Von Weiten konnte ich bereits eine Silhouette ausmachen. In der Hoffnung, dass es ein bekanntes Gesicht war, lief ich auf sie zu und erkannte kurz darauf Hanamaki. Außer Atem hielt ich bei ihm an und blickte ihn panisch entgegen. Ohne ein Wort nahm er meinen Arm und zerrte mich zu dem Gebäude rechts von uns.

Er öffnete den Clubraum und mein Blick fiel sofort auf Oikawa, der zusammengekauert und zitternd in einer Ecke saß und vor sich hinstarrte. Ich blendete die anderen in dem Raum einfach aus und ging auf den Braunhaarigen zu. Vorsichtig, darauf bedacht, ihn nicht zu erschrecken, kniete ich mich vor ihm hin. »Tooru«, flüsterte ich leise und streckte meine Hand nach ihm aus. Unter meiner Berührung zuckte er heftig zusammen, reagierte aber ansonsten nicht. Es schien, als wäre er in einer ganz anderen Welt gefangen.

»Was ist passiert?«, fragte ich an die anderen Anwesenden gewandt. »Er hatte heute keinen besonders guten Tag und dadurch, dass die Qualifikationsspiele kurz bevorstehen, macht er sich zusätzlich noch mehr Druck als ohnehin schon. Und durch ein paar blöde Bemerkungen, die er sich dummerweise viel zu sehr zu Herzen nimmt, denkt er, er sei nicht gut genug. Vor ein paar Minuten hat er noch vor sich hingesprochen. Er meinte die ganze Zeit, dass harte Arbeit nie gegen Talent ankommen würde. Ich denke, er meint damit Kageyama«, erklärte Iwaizumi die Lage.

Ich positionierte mich direkt vor Oikawas Blickfeld, doch er schien durch mich hindurchzusehen. Mein Herz pochte immer noch verdammt schnell. Normalerweise vermied ich so etwas, da ich wusste, wie schmerzhaft das werden konnte. Doch ich ignorierte es weiterhin und konzentrierte mich voll und ganz auf den anderen.

Mit zittriger Hand strich ich ein paar seiner scheißfeuchten Strähnen aus seiner Stirn. »Tooru«, versuchte ich es erneut und legte meine beiden Hände an seine Wangen. Dieses Mal schien es ihn zu erreichen. Sein Blick wurde etwas klarer. »Kenta?«, hauchte er mit feuchten Augen. Leicht lächelnd nickte ich.

»Wieso bist du hier?«, fragte er mit kratzender Stimme. »Iwaizumi hat mich angerufen«, gab ich ruhig zurück. Ich versuchte mit meiner Tonlage eine beruhigende Wirkung auf ihn zu haben. »Du hast Angst, dass du nicht gut genug bist, nicht wahr?«, flüsterte ich. Oikawa vermied es mir in die Augen zu sehen, nickte aber leicht. »Die ganze harte Arbeit, die ich in das Training gesteckt habe, wird nie gegen wahres Talent ankommen«, wiederholte er das, was Iwaizumi bereits erwähnt hatte.

»Du hörst jetzt ganz genau zu, was ich dir jetzt sage, okay?« Oikawa nickte zustimmend. Ich hielt weiterhin seinen Kopf in meinen Händen, während ich ihm tief in die Augen sah.

»Du bist unglaublich, verstehst du das? Hast du vergessen, wie gut du bist? Kann sein, dass ich nicht viel Ahnung von Volleyball habe, aber als ich dich das erste Mal spielen gesehen habe, war ich wie verzaubert. Ich saß sprachlos auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum und konnte meinen Blick nicht mehr von dir abwenden! Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich da nicht der Einzige bin, dem es so geht. Es ist ganz normal, an sich zu zweifeln. Aber du hast deinen Verstand in dem ganzen Lärm in deinem Kopf verloren. Hol dir die Kontrolle wieder und befreie dich von den Monstern in deinem Kopf. Jeder hat seine Fehler, okay? Du bist nicht allein, Oikawa! Du darfst dich nicht in deinen Selbstzweifeln verlieren. Steh zu deinen Fehlern und mach es beim nächsten Mal eben besser! Und wenn du es nicht alleine schaffst, sieh dich einfach um. Deine Teamkollegen sind immer für dich da. Ich bin für dich da! Weißt du, ich habe mal Hinata dich als „Großen König" bezeichnen hören und ich finde, damit hat er es vollkommen ins Schwarze getroffen. Auch wenn du mal einen schlechten Tag hast, kannst du trotzdem wieder König sein, okay? Hol dir deine Krone zurück und zeig allen, dass du besonders bist!«

Zwischendurch hatte ich angefangen ihn anzuschreien, konnte mich aber am Ende des Monologs wieder zügeln und sprach mit ruhiger Stimme weiter. Oikawa sah mich mit großen Augen sprachlos an. Plötzlich durchfuhr ihn ein Ruck und er setzte sich in Bewegung. Im nächsten Moment lagen seine Lippen auf meinen. Erschrocken weiteten sich meine Augen, doch es dauerte nicht lange, da schloss ich sie genüsslich und erwiderte den Kuss.

Mein Herzschlag wurde immer schneller, immer kräftiger. Ich spürte, wie das Herz nicht mehr hinterherkam. Es fühlte sich an, als würde mir ein Messer hineingejagt werden. Es stach fürchterlich. Ich löste mich von dem Braunhaarigen und versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen, doch es nützte nichts. Die Schmerzen wurden immer schlimmer, fast schon unerträglich.

Ich sah, dass Oikawa mich verängstigt ansah. »Kenta?«, fragte er, aber ich war nicht mehr in der Lage zu antworten. Sein Mund bewegte sich weiter, doch hören tat ich es nicht mehr. Im nächsten Moment wurde meine Sicht immer weniger, bis ich schließlich nichts mehr sah und das Bewusstsein verlor.

Be King Again - Oikawa x male OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt