Sie hasste Gewitter nicht mehr

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„Annalena Baerbock in Moskau – über diesen Auftritt musste sogar Lawrow staunen", hatten die Schlagzeilen einst geheißen. Ich hatte es also geschafft. Damals waren alle überrascht, wie gut mein Besuch gelaufen war und vor allem, dass es gewirkt hatte. Die politischen Bögen zwischen Russland und der Ukraine schienen geglättet. Zwar überraschte mich das am meisten, jedoch dachte ich gerne daran, dass ich einen Teil zur Schlichtung beigetragen hatte. Und von da an ging es Berg auf. Ich erinnerte mich genau an die Zeit danach, sowie der versprochenen Zweisamkeit mit Robert, eine der schönsten Zeiten meines Lebens:

Gestresst kniff ich meine Augen zusammen, als ich das Rütteln des Flugzeugs, welches bedeuten sollte, dass ich mich endlich wieder auf deutschem Boden befand, bemerkte. Jegliche Anspannung fiel von mir ab, als ich daran dachte, nun endlich mehr Zeit mit Robert verbringen zu können. Das war unser Neuanfang. Er hatte sich um mich gesorgt, jede Stunde nachgehakt, ob es mir gut ginge. Schmunzelnd sah ich, wie wir auf dem Rollfeld zum Stehen kamen und ebenfalls ... Robert. Ungeduldig fummelte ich meinen Sicherheitsgurt auf, nur um aus dem Flugzeug zu eilen und ihm in die Arme zu fallen. „Was zum Teufel tust du auf dem Rollfeld?" „Ich konnte nicht länger warten. Ich hab dich vermisst, mein Schatz", flüsterte er mir sanft ins Ohr, vergrub sein Gesicht in meinen Haaren und atmete zufrieden aus. „Ich dich doch auch" gab ich leise zurück, bedacht darauf unsere Umarmung nicht zu unterbrechen, doch er tat ebendies. Etwas verwirrt sah ich in seine Augen, doch er lächelte nur und zog etwas Kleines funkelndes aus der Tasche seiner Jacke. „Ich hab dich in den letzten Monaten so verletzt und ich möchte, dass du weißt, dass ich aus meinen Fehlern lerne", unser Blickkontakt wurde immer intensiver und er strich mir eine verlorene Haarsträhne hinter mein Ohr, „Ich verspreche dir hiermit, dich für immer zu lieben und dich hoffentlich auch irgendwann zu meiner Frau zu nehmen. Mit diesen Worten legte er mir einen filigran gearbeiteten, wunderschönen goldenen Ring an meinen Ringfinger. „Ich verspreche es dir". Vor lauter Rührung liefen bereits die ersten Tränen über mein Gesicht, die er direkt auffing. Er hatte mir extra einen Ring besorgt, um mir erneut zu beweisen, wie sehr er mich wirklich liebte. Es tat ihm leid, das wusste ich und ich würde sein Versprechen beim Wort nehmen. Ohne nur einen weiteren Moment verstreichen zu lassen, zog ich ihn zu mir heran und vereinte unsere Lippen. Der Kuss, feucht, durch meine, durch unsere Tränen, fühlte sich intensiver an als alle zuvor. Ich liebte diesen Mann und würde dies gewiss immer tun.

Diese Erinnerung rührte mich etwas. Er hatte sein Wort gehalten und wir heirateten ein Jahr später recht spontan und doch war es einer der schönsten Tage meines Lebens. Zu diesem ersten Ring gesellte sich ein zweiter und mein Leben schien endlich komplett. Ich stockte einen Moment, um mich zu sammeln und nicht gleich wieder in Tränen auszubrechen und Robert nicht grundlos zu beunruhigen. Meine Emotionen waren im Moment sowieso just unkontrollierbar. Robert war damals so stolz auf mich gewesen, dass er den Zeitungsartikel in meine, später sogar in unsere gemeinsame Wohnung gehangen hatte. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und behutsam fuhr ich, mit meiner Hand in leichten auf und ab Bewegungen, über meinen Bauch, der in den letzten Monaten immer mehr gewachsen war. Mein Lächeln wurde schnell zu einem breiten grinsen, als ich die leichten Tritte unseres Kindes wahrnahm. Wir hatten es geschafft. Robert und ich hatten den Sturm überstanden und die andere Seite erreicht. Völlig in Gedanken versunken, bemerkte ich erst gar nicht, wie sich seine starken Arme von hinten um meine Hüfte legten und seine Hände sich zu meiner gesellten. Zärtlich hielt er mich so eine Weile, in der Hoffnung das Lebenszeichen unseres Babys ebenfalls zu spüren. Seinen Kopf vorsichtig auf meiner Schulter abgelegt, flüsterte er: „Magst du dich nicht etwas hinlegen, Maus? Du sollst dich doch ausruhen." Langsam drehte ich meinen Kopf ein Stück in seine Richtung, sodass er meine Lippen erreichen konnte. Schnell vereinte er seine mit meinen, was ein wohliges Gefühl in mir auslöste. Seine Berührungen hatten nach drei Jahren immer noch kein bisschen ihrer Magie verloren und das wusste er. Strahlend sah er mich an, drehte mich dann in seine Richtung, damit wir uns, so nah dies noch möglich war dank des Babybauches, eng aneinander standen und uns direkt in die Augen schauten. Seine Hand fand schließlich ihren Weg von meinem Bauch zu meiner Wange, wo sie einen Moment lang ruhen blieb. Eigentlich war das Letzte, was ich jetzt wollte, diesen Moment zu unterbrechen, doch ich hatte keine Wahl: „Nachher, such schonmal einen Film raus. Ich muss nochmal rasch ins Büro", ratterte ich herunter, als ich mich hastig aus seinem Griff befreite und zur Tür eilte. Bevor ich diese jedoch erreichen konnte, hielt er mich am Arm zurück. „Hey, nicht so schnell" Mit zugekniffenen Augen drehte ich mich seufzend zu ihm um. „Anni, du bist hochschwanger. Du fährst jetzt bestimmt nicht ins Büro, Schatz", lächelte er mir entgegen, doch mir war nicht danach. „Robert, ich bin nicht krank! Ich brauche niemanden, der mich jetzt immer noch hinterfragt. Mein Gott, ich bekomme ein Kind, das macht mich noch lange nicht inkompetent", fluchte ich und vergrub mein Gesicht in den Händen. Es war unfair. Seit dem meine Schwangerschaft bekannt geworden war, meinte plötzlich jeder zu wissen, dass mir der Job zu viel werden würde. Ich schluchzte auf einmal auf und Robert befand sich direkt an meiner Seite. Seither er erfahren hatte, dass wir ein Kind bekommen würden, ließ er mich keine Minute allein, und um ehrlich zu sein, genoss ich das sehr. Die gemeinsame Zeit mit meiner kleinen Familie trieb immer Freudentränen in meinen Augen. „Hör mir ganz genau zu, Annalena", begann er etwas ernster, mein Gesicht in seinen Händen haltend, sodass ich unmöglich wegsehen konnte, „du bist einfach unglaublich, mein Schatz. Niemand zweifelt an dir nach allem, was du geschafft hast, okay?", er begann zu lächeln, „Und weil du normalerweise immer für alle anderen da bist, muss ich jetzt dafür sorgen, dass du auf euch beide aufpasst." Vorsichtig fand seine Hand abermals den Weg auf meinen Bauch und ich konnte mir die Tränen nun schlussendlich nicht mehr verkneifen. Robert war jetzt schon der beste Mann und Papa für unser ungeborenes, den ich mir wünschen könnte. Und das seit der ersten Minute.

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