1.3 Tared

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Nachdenklich betrachtete er das rothaarige Mädchen neben sich. Sie gab ihm Rätsel auf. Auf der einen Seite gab sie sich so unerschrocken und offen, auf der anderen Seite war sie verschlossener als eine verriegelte Tür.

Einen Augenblick lang schloss er die Augen. Wo blieb Cyres bloß? Er war reichlich spät dran. Gut, dass die Menschen sich nach ihnen zu richten hatten. Er selbst war gerade noch rechtzeitig eingetroffen. Der Reaktion der Dörfler nach zu urteilen, hätten sie alle ihre Mädchen verheiratet, um sie davor zu bewahren, mit nach Thyrion zu müssen. Dabei wusste niemand von ihnen, dass den Mädchen ein sorgloses Leben gewährleistet wurde. Im Palast des Herrschers.

„Sind Sie ein Dämon oder ein Teufel?", fragte das Mädchen plötzlich. Ihre sprunghaften Fragen verwirrten ihn ein wenig, bereiteten ihm aber auch ein gewisses Maß an Freude. Diese beinahe kindliche Neugier hätte er bei ihr nicht erwartet. Seinen Informationen zufolge war sie ein Rebell und wollte sich nirgends eingliedern. Momentan hatte er ein ganz anderes Bild von ihr. Sie schien zutiefst unglücklich zu sein.

„Dämon", entgegnete er knapp. „Macht es dir gar nichts aus, eventuell diesen Ort verlassen zu müssen? Ich habe gestern viele Mädchen weinen sehen."

Zu seiner Überraschung schnaubte die junge Frau neben ihm. „Ich bin nicht im Angebot. Sollten Sie bei Ihrem Aufbruch Begleitung bis zur nächsten Stadt brauchen, begleite ich Sie gerne dorthin."

„Warum willst du mich nicht begleiten? Du hättest ein sorgenfreies Leben."

Ihre tiefen, eigensinnigen Augen erwiderten seinen Blick ungerührt. „Sorgenfrei kann ich hier auch leben." Verächtlich wanderten ihre Mundwinkel nach unten. „Hier läuft alles so, wie die Obrigkeit es will. Kein Widerspruch, kein Individualismus, keine Liebe." Gen Ende nahm ihre Stimme an Bitterkeit zu. Also traf seine Einschätzung ins Schwarze: sie war eine zutiefst enttäuschte Seele.

„Was wünschst du dir?"

Jetzt wirkte sie aufrichtig überrascht. „Wünschen? Das Leben ist kein Wunschkonzert."

Ungläubig musterte er sie. Sie wirkte nicht misshandelt oder unterernährt. Was hatte sie so desillusioniert? „Wie stellst du dir ein glückliches Leben vor?"

Die Antwort kam nur sehr zögerlich, ihre Stimme klang fast gebrochen. „Alles ist besser als das hier."

„Wie lebst du?"

Traurige Augen sahen aus schweren Lidern zu ihm auf. „Ich helfe meiner Mutter beim Backen und vergraule alle Jungs, damit niemand auf die Idee kommt, um meine Hand anzuhalten."

Da musste er erneut lachen. Dieses Mädchen ähnelte seinem Freund in gewisser Weise. Auch Cyres vergraulte alle weiblichen Kandidatinnen. Daher war er auch als sein Begleiter abgestellt worden. Es wurde Zeit, dass er anfing, sich intensiver für das weibliche Geschlecht zu interessieren. Zumindest sah sein Vater die Sache so. Dass diese unmögliche Sanddämonin Aylel dem Sohn alle möglichen Bekanntschaften in die Flucht schlug, war dem Vater nicht bekannt. Glücklicherweise war es nicht seine Aufgabe, ihn darüber ins Bild zu setzen.

„Wenn du mich nicht begleiten willst, darfst du gern bis in die Stadt mit uns reisen." Warum er ihr das anbot, war ihm schleierhaft. Auf ihrer Reiseroute war keine Stadt vorgesehen. Vielleicht lag es an der verlorenen Ausstrahlung dieses Mädchens. Gwen hieß sie.

Da er nichts weiter zu sagen hatte, stand er auf und verabschiedete sich anständig. Auf dem Weg ins Dorf lief eine Brünette an ihm vorbei. Er konnte sie Gwens Namen rufen hören, nachdem sie ihn mit niedergeschlagenem Blick passiert hatte. Interessiert spitzte er die Ohren. Aus einem unerfindlichen Grund hatte sie seine Neugier geweckt. Das fremde Mädchen richtete Gwen aus, dass sie gesucht und zur Arbeit erwartet wurde. Dann wollte noch irgendein junger Mann sie sehen. Gwen schien unglücklich, fügte sich aber den Anordnungen.

TeufelsnachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt