Prolog

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Triggerwarnungen: Andeutung auf körperliche und seelische Misshandlung, Gewaltszenen, Kraftausdrücke.

„Cadi, lauf!", sie scheint nicht zu reagieren. „Du sollst loslaufen hab' ich gesagt!", fordere ich sie erneut auf.

„Nein. Ich werde weder Askan, noch dich hier in diesem Irrenhaus zurücklassen!", dann wandert ihr Blick zu Hores. „Und du ... abartiger Widerling ...", er lässt sich nicht von Cadi einschüchtern, eher im Gegenteil - er lacht. „... du wirst auch noch sehen, dass die Gerechtigkeit irgendwann siegen wird! Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass ich irgendwelchen Motherfuckern in die Eier treten muss!"

Sie sagt das mit einer derartigen Leichtfertigkeit, als würde nichts und niemand ihr etwas anhaben können.

Ich bewundere Cadi. Seit unserer ersten Begegnung habe ich gewusst, dass sie es irgendwann zu etwas großen bringen würde.

Ich dagegen, besitze nicht einmal ein Fünkchen von dem, was Cadi zu bieten hat. Anstatt mit aller Macht zu kämpfen und zu versuchen, hier rauszukommen, habe ich aufgegeben. Ich habe mich einfach fallen lassen ... und dass ist es, was mich zu dem gemacht hat, was ich nun bin - eine trostlose, schmerz- und hasserfüllte Seele, die sich hat gehen lassen.

In der Hoffnung, dass Hores und meine anderen Peiniger sich irgendwann vor mir ekeln würden, habe ich sogar in Erwägung gezogen, nicht mehr zu duschen.

Denn auch in Frames Hill hat der Horror kein Ende genommen. Einige der Pfleger und Ärzte hier haben ihren Eid gebrochen und machen sich über die Patienten her, als wären sie irgendwelche, ihnen zur Verfügung gestellten Versuchskaninchen.

Hores ist einer von ihnen. Und obwohl er sein Wesen in Gegenwart seiner kleinen Schwester Rover komplett verändert, ist er dennoch ein Schwein.

„Denkt ihr wirklich, dass ihr Frames Hill lebend verlassen werdet?" Hores' Augen sind die eines Killers. Jede einzelne Silbe, die aus seinem Innersten hervordringt, schreit förmlich nach Boshaftigkeit. Und sollten seine Taten auch nur jemals ans Licht kommen, würde er die ganze Einrichtung mit sich reißen.

„Hey, Arschloch!", hallt plötzlich eine mir vertraute Stimme aus einer der dunklen Gänge wider.

Clint! Er ist hier ... um mich endlich aus dieser Scheiße hier rauszuholen ...

All die Jahre, in denen mein Bruder verzweifelt versucht hat, meine Seele zu retten, weil er gedacht hat, ich wäre durch den Vorfall im Verbindungshaus nicht mehr bei klarem Verstand. All die verschwendete Zeit, in der ich einfach hätte abhauen können, anstatt zu schweigen und hier festzusitzen.

Ich habe mich fallen lassen. Habe damit gerechnet, irgendwann an diesem Ort zu Grunde zu gehen, bis Cadi zum ersten Mal hier aufgetaucht ist.

Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie so stark und voller Tatendrang ist. Dass so tief in mich hineinsehen würde und auf Anhieb den Drang gehabt hat, mich beschützen zu müssen. Sie ist die Einzige gewesen, die hinter die Fassaden geblickt hat, und dass, obwohl sie mich erst seit ein paar Monaten kennt. Ich kann und will meiner Familie nicht die Schuld für das alles hier geben, denn das wäre nicht fair. Sie lieben mich, doch die haben sich von Dr. Mockingbirds Ansehen und Referenzen blenden lassen. Genauso, wie alle anderen auch. Doch Cadi - eine Person, die mir im Grund fremd gewesen ist - hat hinter die Kulissen geblickt und mich wahrgenommen.

„Clint! Wir sind hier!", ruft Cadi ihm zu.

„Halt dein Maul, du dämliche Schlampe!"

Aber wie ich Hores kenne, lässt er sich nicht so einfach übers Ohr hauen. Er packt Cadi blitzschnell an den Haaren und zieht sie an sich heran.

Ich halte ihr Hand und spüre, wie sie mir entgleitet.

Ich bin so schwach ... wieso bin ich nur so schwach? Wieso habe ich das all die Jahre mit mir machen lassen?!

Doch die Betäubungsmittel sind zu stark. Ich komme nicht dagegen an und verliere den Kampf gegen das Sedativum. Mein Körper fühlt sich an wie Blei und ich bin nicht mehr in der Lage, mich zu bewegen.

„Nein, Cadi ...", wispere ich.

„Hör auf dich zu wehren!", brüllt Hores und schlägt Cadi mitten ins Gesicht. Doch sie ist nicht so wie ich, und verpasst ihm die härteste Kopfnuss, die ich einen Menschen je habe austeilen sehen.

Sie ist so stark ...

„Lass mich los!", faucht sie. „Ich habe dieses Verschissene Verbindungshaus überlebt, also werde ich mich jetzt sicherlich keinen drittklassigen Pfleger, der seinen Job nicht ernst nimmt, unterwerfen! Lieber sterbe ich!"

Hores wischt sich mit seiner freien Hand über seine blutige Nase und zückt dann ein Skalpell aus seinem weißen Kittel.

Als er jedoch einen Augenblick lang unaufmerksam ist, pirscht Clint sich etwas näher an ihn heran. Aber Hores ist nicht dumm. Er ist sehr aufmerksam und bemerkt jedes noch so kleine Geräusch. Auch damals, als er mich auf dem Tisch in meinem Zimmer vergewaltigt hat, und ich vergeblich versucht habe Clint anzurufen. Danach hat er mir eine Woche lang das Handy weggenommen und damit gedroht, dass er mich umbringen würde, wenn ich so etwas nochmal tun würde. Ihm ist alles zuzutrauen.

„Bleib stehen! Ansonsten ersteche ich deine kleine Freundin!", droht er.

„Skalpell fallen lassen, Hores! Sofort!"

Wer spricht da?! Ist das etwa ...

„Ach Pi ... hast du denn gar nichts gelernt?", entgegnet Hores in einem provokanten Ton.

„Mein Name ist Léon und nicht Pi, du dämlicher Wichser!" Er richtet eine Schrotflinte - welche er in seinen Händen hält - auf Hores. Hinter ihm steht Otilia, die nur auf eine Gelegenheit zu warten schein, um Cadi zu helfen.

„Léon ... du erinnerst dich wieder?!", in Cadis Stimme liegt ein Hauch von Verwunderung, und dass, obwohl sie sich gerade in einer äußerst misslichen Lage befindet.

„Ich kann mich dank Otilia an alles erinnern", er wirft ihr einen Blick über die Schulter zu und Otilia, die seine Worte mit einem Nicken zu erwidern scheint.

„Dann weißt du ja, weshalb du hier bist ..." Hores scheint mehr zu wissen, als er zugibt.

„Es wäre besser für dich, wenn du dein dämliches Maul halten würdest", sagt Léon, während er die Waffe entsichert.

„Und für dich wäre es besser, du würdest sterben!", schreit Hores. In seinen Augen spiegelt sich der blanke Wahnsinn wider.

Ohne Vorwarnung und ehe wir alle einen klaren Gedanken fassen können, rammt er das Skalpell in Cadis Bauch, woraufhin sie lauthals losschreit. Der Schock sitzt tief, als er sie ohne Hemmungen gegen die Wand wirft und in der Dunkelheit der flackernden Lichter verschwindet.

Das ist alles meine Schuld!

Otilia rennt auf Cadi zu und drückt ihre Hände auf die Wunde.

„Es wird alles gut, Cadi! Du schaffst das!", wimmert sie. „Hey ... Cadi ... mach die Augen auf! Cadi! Sieh mich an!", schreit sie voller Verzweiflung.

„Findet Askan ... und sagt ihm, ... dass ich ihn liebe ...", flüstert Cadi, dann schließt sie ihre Augen und Otilia entfährt ein unerbittlicher Schrei.

„Nein ... Cadi ... nein! Verlass uns nicht, bitte bleib bei uns!"

 nein! Verlass uns nicht, bitte bleib bei uns!"

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Dimmed Lights - Everyone has an IssueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt