2. Kapitel

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Drei Wochen vor Nathalies Rettungsaktion.

Arcadia

„Wieso genau feiern wir nochmal meinen Geburtstag auf dem Anwesen von Otilias Vater?"

„Weil Tilly etwas Großes geplant hat", nachdem Askan sogar Anführungszeichen in die Luft malen muss, um das Ausmaß an Otilias Tatendrang zu unterstreichen, dreht sich mir gehörig der Magen um.

„Aber ich habe doch ausdrücklich gesagt, dass ich gar nicht feiern will und ..."

„Jetzt warte doch erstmal ab", unterbricht er mich. „Vielleicht gefällt dir die Feier ja doch."

„Man, Babe", ich verdrehe meine Augen. „Dein Optimismus in allen Ehren, aber manchmal solltest du einfach die Klappe halten."

Ich kann noch immer nicht nachvollziehen, wie alle einfach so weitermachen können. Wieso sich die Welt weiterdreht, obwohl so viele Dinge schiefgegangen sind.

„Hey", Askan hebt sanft mein Kinn an und blickt mir tief in die Augen. „Das wird schon. Denkt einfach nicht zu viel darüber nach, okay?"

Schnaubend antworte ich mit einem herausgepressten „okay".

Anschließend klingeln wir am womöglich pompösesten Klingelschild, welches uns jemals unter die Augen gekommen ist.

„Oh man ... Noch größer und auffälliger geht's wohl kaum, oder?", wie Askan ebenfalls bemerkt hat.

„Du sagst es", entgegne ich trocken.

„Ja, hallo?!" - Otilias melodisch-euphorische Stimme ertönt aus der Sprechanlage. Sie ist eine wirklich grauenvolle Schauspielerin.

„Wir sind's", stöhne ich genervt.

„Wer ist wiiiir?"

„Man, Tilly! Mach endlich das scheiß Tor auf!" Irgendwann reißt auch mir mal der Geduldsfaden.

„Na gut, du Miesepetra!"

„Müssen wir da wirklich reingehen?", flüstere ich Askan zu.

„Ja, das müssen wir. Komm, Baby", er legte seinen Arm um mich und lässt mir quasi keine andere Wahl.

Beim Haus angekommen, steht Otilia bereits an der Tür. Sie trägt ein pinkes Kleidchen und einen Haarreif.

Ich hasse sie. Wie schafft sie das nur - in jeder auch nur erdenklich beschissenen Situation - so gut auszusehen?

„Cadi, endlich! Oh, man ... Alle warten schon auf dich. Aber jetzt lass dich erstmal drücken."

Sie nimmt mich in den Arm und drückt mich so fest an ihre perfekten Brüste, dass ich beinahe mit ihnen eins werde.

„Reicht! Zu viel Liebe auf einmal!", fauche ich.

„Nein, ich bin noch nicht fertig. Alles, alles, alles ...", nach etlichen ‚alles' fährt sie endlich fort, „... Gute zum Geburtstag!"

„Danke", stöhne ich überfordert.

„Wie fühlt man sich so, als frischgewordene Neunzehnjährige?"

„Strafmündig" antworte ich emotionslos, woraufhin Askan lauthals losprustet.

Otilia hingegen, legt bloß den Kopf schief und mustert mich mit verwirrter Miene.

„Ich verstehe euren amerikanischen Humor immer noch nicht so richtig ... Na ja, egal!" Sie klatscht sich voller Tatendrang in die Hände, wobei mich ihre perfekt lackierten Fingernägel förmlich blenden. Das knallige Neonpink ist farblich auf ihr Kleid und ihren Lippenstift abgestimmt, was mich ungewollt die Augen verdrehen lässt.

Im Vergleich zu ihr sehe ich so aus, als wäre ich Teil des Personals und nicht das Geburtstagskind.

„Kommt jetzt endlich rein, oder wollt ihr hier draußen festwachsen?"

„Nein, wir kommen", sagt Askan. Dabei merke ich, wie er meine Taille umfasst und mich leicht anschiebt. Vermutlich, damit ich nicht doch noch irgendwie abhauen kann.

„Überraschung!!! Alles Gute zum Geburtstag, Cadi!!!", brüllen alle Anwesenden. Eigentlich eine recht schöne Idee, wären alle synchron gewesen.

„Das müsst ihr aber noch üben", entgegne ich mit einem Schmunzeln.

Alle sind gekommen: Clarins, Clint, Rose und Sarah. Zudem noch meine Eltern, Neo und Melory.

„Was ... macht ihr denn hier?", frage ich ein wenig überfordert.

„Keine Sorge, Schwesterherz. Wir bleiben nicht lang, damit du und deine Freunde ausgelassen feiern können", flötet Neo mit gespitzten Lippen.

„N-nein so war das nicht ..."

Neo wuschelt mir durch mein mittlerweile gekämmtes Haar und greif anschließend nach meinem Handgelenk.

„Bleib locker, Cadi ... Ich kenn' dich doch. Jetzt komm! Mom und Dad wollen dir persönlich gratulieren."

***

Nachdem ich endlich alle durchhabe, kommt Otilia mit einer dreistöckigen Torte um die Ecke.

„Hat sie nicht gesagt, dass es eine kleine Feier wird", hakt Clint nach, der mit einer Flasche Bier neben mir am Tisch lehnt und mich zu bemitleiden scheint.

„Am liebsten wäre mir gar keine Feier gewesen. Und wenn sie jetzt auch noch anfängt zu singen ..."

Uuund sie tut es.

Vermutlich in ihrer Muttersprache, denn alle sehen sie mit verwirrter Miene an.

„Tut mir leid, die Macht der Gewohnheit. Nochmal von vorne - auf Englisch."

Gesagt, getan. Nachdem alle möglichen Geburtstagslieder rauf und runter geträllert worden sind, stellt Otilia sich direkt vor mich und hält mir die übergroße Torte unter die Nase.

„Wünsch dir was", fordert sie mich mit einem breiten Grinsen auf.

Wie zum Teufel nochmal soll ich derart viele Kerzen auf einmal auspusten? Ob dieser Brauch in Europa Gang und gebe ist?

„Ich ... versuche es", stammle ich.

Im nächsten Moment schließe ich meine Augen, und denke nach. Ich denke daran, was Otilia und mir beinahe passiert wäre, wenn eine Aneinanderkettung zufälliger Ereignisse nicht zu einer Unterbrechung von Robert Hashers Handlungen geführt hätte. Ich denke an Jackson, der mich im Stich gelassen hat und an Nath, die ich wiederum im Stich gelassen habe.

Ich spüre, wie eine heiße Träne meine Wange hinabrollt, und sich dabei in meine fahle Haut brennt. Wie mein Herz schneller schlägt und wie ich mich einfach nur wieder in meinem Zimmer verkriechen möchte.

Dann wünsche ich mir, dass wir es schaffen Nathalie zu befreien. Dass sie nochmal die Chance bekommt, sich ein neues Leben aufzubauen, fernab von dieser Hölle, die sich Frames Hill nennt und ‚Nervenheilanstalt' schimpft.

Wenn es eine höhere Macht gibt... dann bitte hilf uns Nathalie zu retten.

 dann bitte hilf uns Nathalie zu retten

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Dimmed Lights - Everyone has an IssueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt